Unerfüllter Kinderwunsch wird zur zerstörerischen Obsession
Premiere am 5. Oktober 2024, 19.30 Uhr, Großes Haus im Theater Heilbronn
Yerma
von Simon Stone
frei nach Federico García Lorca
In der Übersetzung von Brangwen Stone
Regie: Elias Perrig
Ausstattung: Dorit Lievenbrück
Musik: Biber Gullatz
Dramaturgie: Dr. Mirjam Meuser
Sie: Juliane Schwabe
Mary: Sarah Finkel
Helen: Sabine Unger
Des: Lea Reihl
John: Nils Brück
Victor: Pablo Guaneme Pinilla
Die nächsten Vorstellungen: 8. Oktober, 11. Oktober, 15. Oktober, 19. Oktober, 1. November, 14. November – jeweils um 19.30 Uhr (Einführung um 19 Uhr)
weitere Termine unter www.theater-heilbronn.de
In Deutschland ist etwa jedes 10. Paar ungewollt kinderlos. Gelingt die Familienerweiterung nicht, erleben Paare oft eine belastende Zeit zwischen Bangen und Hoffen. Jeder negative Schwangerschaftstest verstärkt die Enttäuschung, während die emotionale Belastung immer größer wird. Hinzu kommen Schuldgefühle, Trauer, Scham und Kontrollverlust. Wie ein unerfüllter Kinderwunsch zur zerstörerischen Obsession wird, zeigt Simone Stones Drama »Yerma«. In der Inszenierung von Elias Perrig hat das Stück am 5. Oktober im Großen Haus Premiere. Das Theater Heilbronn zeigt dieses Stück als zweites in Deutschland nach der Deutschsprachigen Erstaufführung an der Schaubühne Berlin. In der Hauptrolle der ungewollt kinderlosen Frau ist Juliane Schwabe zu erleben, Nils Brück spielt ihren Mann.
Für die Bühne ist Dorit Lievenbrück verantwortlich, die erstmals am Theater Heilbronn arbeitet. Biber Gullatz, der bereits bei »Prima facie« mit Elias Perrig zusammengearbeitet hat, wird wieder über Soundeinspielungen und Musik die Atmosphäre der jeweiligen Situation mit kreieren.
Zum Inhalt
Eigentlich haben SIE und ihr Mann John keine Probleme. SIE ist Mitte 30 und als leitende Redakteurin bei einer Tageszeitung und Lifestyle-Bloggerin erfolgreich. Er ist Anfang 40 und bringt als Unternehmer jede Menge Geld nach Hause. Gerade haben sie sich eine große Altbauwohnung gekauft. Da kommt SIE plötzlich mit einem Wunsch, den John nie bei ihr vermutet hätte. SIE möchte ein Kind! Er hat auch nichts dagegen. So weit so gut.
Doch von nun an ist alle Leichtigkeit dahin. SIE orientiert das Liebesleben nur noch an den fruchtbaren Tagen und verlangt, dass John auch seine Geschäftsreisen danach terminiert. Aber SIE wird einfach nicht schwanger. Er flieht vor dem Druck und ist immer häufiger abwesend. Unter ihrem sich zur Manie entwickelnden Kinderwunsch leidet auch die Beziehung zu ihrer Schwester Mary (Sarah Finkel), die ein Kind bekommt, aber keine Beziehung zu ihm aufbauen kann. Ihre Mutter Helen (Sabine Unger) ist für SIE auch keine Stütze, denn sie bekennt freimütig, dass sie lieber ihre Freiheiten genossen hätte, als ihre Töchter großzuziehen. Zu allem Übel lässt SIE die ganze Welt an ihrem seelischen Leid und an den erfolglosen Versuchen, schwanger zu werden, teilhaben, weil sie alles minutiös in ihrem Blog dokumentiert. SIE steigert sich immer weiter in ihre Obsession hinein, sodass John und sie in einen Albtraum geraten, aus dem sie nicht mehr herausfinden.
Lorca-Drama von 1934, übertragen ins heutige Großstadtmilieu
»Yerma«, dieser Name bedeutet im spanischen Sprachgebrauch »die Brachliegende«. Simon Stone (*1984) hat das 1934 entstandene Drama des spanischen Autors Federico García Lorca aus dem ländlichen Andalusien der 1930er-Jahre ins Großstadtmilieu von heute geholt. Beide schildern die Tragödie der kinderlosen, unerfüllten Frau. Bei Lorca ist Yerma die Frau eines Bauern, deren Hauptaufgabe darin besteht, Kinder zur Welt zu bringen, die aber auch ihren Lebenssinn und ihre ganze Hoffnung auf Glück an ein Baby knüpft. Simon Stone hat seine Überschreibung von »Yerma« 2016 in London herausgebracht und 2021 an der Berliner Schaubühne noch einmal inszeniert. Seitdem läuft das Stück dort mit großem Erfolg. Seine Klassikerüberschreibungen sind legendär: »Es wäre in meinen Augen falsch, die zeitlose Gültigkeit eines Werks dadurch zu verunklaren, dass man sie in einer Vergangenheit belässt, die uns fremd und nur bedingt erfahrbar ist«, beschreibt Stone seine Motivation. Seine »Yerma« steht für eine erfolgsverwöhnte Frau, die sich eigentlich nie über Kinder Gedanken gemacht hat, aber ein Scheitern nicht akzeptiert, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat. Wie schnell eine fixe Idee in selbstzerstörerischen Fanatismus umschlagen kann, dafür gibt das Stück ein eindrucksvolles Beispiel. Auch mit den anderen Frauenfiguren in diesem Drama holt Simon Stone das häufig so idealisierte Bild der Mutter vom Sockel und zeigt es in seiner ganzen Ambivalenz.
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