Es braucht keinen Zwang, sondern mehr „Herzenshöhe“
Bei Psychiatrie-Erfahrenen wie Fachpersonen hingegen hat die ambulante Behandlungsweisung große Sorgen ausgelöst, da dadurch die Unantastbarkeit der eigenen Wohnung angegriffen oder generell die Möglichkeiten von psychiatrischer Zwangsausübung ausgeweitet werden könnte.
Im Rahmen der Tagung der Psychiatrie-Erfahrenen im Bildungswerk Irsee wurde das Thema aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und intensiv diskutiert. Die beiden Gesundheits- und Krankenpfleger Thomas Buneta (Salem) und Eva Weiß (Einhausen) stellten dazu ein Positionspapier der Deutschen Fachgesellschaft Psychiatrische Pflege vor. Diese stellt fest: Eine psychiatrisch-pflegerische Behandlung muss aus Vertrauen und Partnerschaft bestehen und darf nicht durch Zwang konterkariert werden. Thomas Buneta sprach in diesem Zusammenhang von einer „Herzenshöhe“ in der Behandlung. Die Fachgesellschaft plädiert in diesem Zug auch für die Stärkung der psychiatrischen Gemeindekrankenpflege durch Community Mental Health Nurses.
Irmela Boden (Remscheid), EX-IN Angehörigenbegleiterin der ersten Stunde, beleuchtete darüber hinaus die oftmals schwierige Lage von Angehörigen psychisch erkrankter Menschen. Sie plädierte trotz aller Schwierigkeiten für das Gespräch im Trialog und gegen eine Behandlung gegen den Willen des Betroffenen, doch sei das Konzept von EX-IN Angehörigenbegleitungen bisher noch zu wenig verbreitet und stelle daher eine Versorgungslücke dar.
Klaus Gauger, Psychiatrie-Erfahrener seit 1996 und nach eigener Aussage seit zehn Jahren durch die regelmäßige Einnahme von Psychopharmaka von psychischer Erkrankung genesen, arbeitet seit vielen Jahren im Zentrum für psychische Gesundheit (ZfP) Emmendingen als Genesungsbegleiter. Aus eigener Erfahrung und im Rahmen seiner Tätigkeit betonte er die dringende Behandlungsbedürftigkeit von psychisch schwer erkrankten Menschen.
Gestützt werden die Aussagen der Referierenden und der Diskussionsteilnehmenden durch internationale Evidenz aus Ländern, die die ambulante Behandlungsweisung eingeführt haben. Demnach gibt es keinen signifikanten Rückgang von stationären Aufnahmen, aggressiven Ereignissen und Aufnahmen in die forensische Psychiatrie durch die ambulante Behandlungsanweisung. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich daher darin einig, dass der Dialog fortgesetzt werden muss.
Positionspapier der Deutschen Fachgesellschaft psychiatrische Pflege (DFPP): https://dfpp.de/wp-content/uploads/2024/10/DFPP-Pos.papier_CTOAmbZwang_Okt2024-1.pdf
Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für soziale Psychiatrie (DGSP): https://www.dgsp-ev.de/images/Stellungnahmen/2024/24-07-01_DGSP_%20Position_Ambulante%20Behandlungsweisung.pdf
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