Gebäudeenergiegesetz: Ist das Kunst oder kann das weg?
Der Artikel kurz zusammengefasst
Durch die anstehenden Neuwahlen in Deutschland haben mehrere Parteien das Gebäudeenergiegesetz wieder als Thema entdeckt und versprechen, die Änderungen von 2023 wieder abschaffen zu wollen. Die Heizungsbranche und die Kommunen sprechen sich gegen eine weitere Verunsicherung des Marktes aus, die damit einherginge und die Investitionssicherheit bedrohe. Der Hauptverband der Bauindustrie schlägt eine Wende hin zu einem technologieoffenen Gebäudeemissions-Ansatz vor. Offen ist jedoch, wie dieser offensichtlich vom Neubau her gedachter Lösungsvorschlag jedoch beim eigentlichen Hauptgegenstand der Heizungsdebatte – dem Gebäudebestand – funktionieren soll.
Wahlkampfzeiten, Schlammschlachtzeiten?
Das Gebäudeenergiegesetz war schon bei der letzten Novelle im ersten Halbjahr 2023 ein gefundenes Fressen für populäre bis populistische Verkürzungen aus Opposition und (mittlerweile ehemaligen) Teilen der Regierung. Aktuell mit den in knapp zwei Monaten anvisierten Neuwahlen vor der Brust bedienen viele Akteure der Politik, man muss es leider sagen, erneut hemmungslos den populistischen Diskurs, sobald es um das polarisierende Thema „Heizungsgesetz“ geht.
Am offensichtlichsten war das jüngst beim BSW zu besichtigen – mit der Forderung, das GEG noch vor den Neuwahlen gegen die Minderheitsregierung aus SPD und Grünen abzuräumen (was rechnerisch nur ginge mit einkalkulierter erzkonservativ-kapitalistischer bzw. Rechtsaußen-Unterstützung von CDU, FDP und selbst der AfD – für ein selbsterklärtes radikales Linksbündnis also zumindest ein abenteuerlicher Vorschlag).
Ebenfalls kaum überraschend ist die Abwendung der Ex-Regierungspartei FDP von dem einst selbst mitbeschlossenen (und inhaltlich wesentlich von ihr selbst geprägten) Gesetzesnovelle – schließlich verhält sich die Partei zu zahlreichen anderen ihrer eigenen Beschlüsse innerhalb der Koalition mittlerweile ganz ähnlich.
Die Unionsparteien haben schon länger damit geworben, das „Heizungsgesetz“ wieder abschaffen zu wollen – und dabei geflissentlich ignoriert, dass sie selbst bereits in der 2020er Novelle die Einschränkungen für den Einbau neuer Ölkessel mitinitiiert hatte. Das schrittweise Aus für die fossile Energie im Heizungskeller, die von der vielgeschmähten Ampel-Novelle nur konkretisiert worden ist, war tatsächlich die Fortführung einer zu GroKo-Zeiten bereits eingeschlagenen Linie – hinter der wiederum EU-weite Vorgaben stehen, die erfüllt werden müssen.
Damit ist ein echtes Abschaffen der GEG-Novelle faktisch gar nicht so einfach möglich, ohne bewusst einen Anti-EU-Kurs einzuschlagen – unter einer etwaigen konservativ geführten Regierung eigentlich ein Tabu. Das lässt nur einen Schluss zu: Ein „Abräumen“ des Gesetzes unter CDU-Vorgaben würde dann also wohl nur eine weiter Verwässerung des bereits reichlich verwässerten und überkomplizierten Gesetzesentwurfs bedeuten – womöglich also das Gegenteil der radikalen Vereinfachung, von der viele GEG-Gegner parteien- und lagerübergreifend träumen.
Heizungsbranche, Energiewirtschaft und Kommunen fürchten erneutes Game Over
Noch reden wir allerdings von ungekochten Eiern, denn es gibt zumindest offiziell noch nicht einmal einen Wahltermin und welche Farben das nächste Regierungsbündnis haben wird, ist völlig offen. Die scharfe Debatte um das GEG, an deren erste seit Anfang des Jahres (!) gültigen Fassung keine politische Richtung ein gutes Haar lässt – nur noch die Grünen stehen hinter dem Entwurf, und selbst sie recht halbherzig – macht jedoch die Branche zunehmend nervös.
Die Heizungsindustrie fürchtet bereits ein weiteres schwaches Absatzjahr 2025 – nicht zuletzt, da das bürgerliche Lager keinen Hehl daraus macht, die Förderung streichen zu wollen. Immerhin hatte die Branche auf eine Beruhigung bei dem Thema gehofft. Eine erneute Kehrtwende bei der Regulierung der Gebäudeheizung droht dagegen die Verbraucherhaushalte erneut zu verunsichern und den Attentismus weiter zu befördern.
Auch die Kommunen und die Energiebranche sind alles andere als erfreut, dass Politiker und Politikerinnen ihnen „beispringen“ und die noch nicht einmal 12 Monate gültigen Beschlüsse wieder aus der Welt schaffen wollen – schließlich sind die Umsetzungspläne für die vom GEG geforderte kommunalen Wärmeplanungen bereits im vollen Gang – das mit dem Wärmeplanungsgesetz eng verzahnte Gebäudeenergiegesetz zu diesem Zeitpunkt zu kappen, würde die kommunale Arbeit ins Chaos stürzen. Genau wie die Verbraucherhaushalte bei der privaten Heizungsplanung brauchen auch die Kommunen, Stadtwerke und Energieversorger Planungssicherheit für ihre Investitionen in die Versorgungsnetze.
Bauindustrie und Noch-Ministerin Geywitz befürworten Umbau hin zu CO₂-Budgets
Dabei ist die Vereinfachung des überkomplizierten GEGs – wie man hört, nicht nur für juristische Laienüber weite Strecken unverständlich und umständlich -sicher eine Nachbesserung, die auf vielen Seiten offene Türen einrennen dürfte. Die Noch-Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat sich bereits offen für eine wesentliche Reformierung und Vereinfachung ausgesprochen – im Sinne des vom Bundesbauministerium ebenfalls forcierten Gebäudetyps E soll Zielorientierung statt Normerfüllung auch in die Gebäudegesetzgebung einfließen.
Eine im Grunde verwandte Position, die überdies auch im konservativen Lager Anklang findet, wird vom Hauptverband der Bauindustrie vertreten: Statt wie bisher haarklein die Gebäudeeffizienz zu regulieren, soll vielmehr künftig ein Gebäudeemissionsgesetz gelten, in dem anstelle der Energieverbräuche sämtliche CO₂-Emissionen über den Lebenszyklus betrachtet werden sollen.
Statt „vorgegebener“ technischer Lösungen (sprich vor allem: Heiztechnologien) fordert Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller, dass CO₂-Budgets für verschiedene Gebäudetypen und Bauarten vorgegeben werden sollen. Der Weg dahin aber solle frei gelassen werden (was wiederum der Gebäudetyp E-Philosophie entspräche und vermutlich bei allen bürgerlichen Parteien außer den Grünen anschlussfähig sein dürfte).
Die entscheidende Frage: Was passiert mit dem Heizungsbestand?
So attraktiv und anschlussfähig die Ansätze der Vereinfachungs-Fraktion klingen, sollte man aber nicht vergessen, wohin der Mitte 2023 mühsam austarierte Kompromiss zielt: Um die Klimaneutralität bis 2045 (oder selbst 2050) zu erreichen, muss das Ende der fossilen Dominanz im Gebäudebestand eingeläutet werden – 78 Prozent der Wohngebäude, fast 16 Millionen Häuser im Bestand, werden aktuell schließlich mit Öl oder Gas beheizt.
So einleuchtend die Deregulations-Devise „Der Weg ist das Ziel“ auch klingen mag: Wirklich praktikabel kann man das aus unserer Sicht nur für den Neubau gestalten – im Bestand braucht es weiter einen klaren, verlässlichen und nicht zuletzt sozialverträglichen Kurs, ohne den die Gebäudewende kein Erfolg werden kann. Statt Abrissbirne ist also bei der nächsten Novelle eine Verstärkung dieses Kurses gefragt – und wenn damit Vereinfachungen bei Regulierung verbunden werden können, immer her damit – kein vernünftig denkender Mensch kann dann ernsthaft etwas dagegen haben.
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