Doppelrezension: Klaas Huizing: Verzaubert leben / Siegfried Eckert: Begeisterung
Klaas Huizing:
Verzaubert leben – Eine Roadmap zum Heiligen
Gütersloher Verlagshaus 2024
224 Seiten
Hardcover: 22,00 €
Kindle: 19,99 €
ISBN-10: 357908254X
ISBN-13: 978-3579082547
Siegfried Eckert:
Begeisterung – Von der Kraft, die alles möglich macht
Gütersloher Verlagshaus 2024
240 Seiten
Hardcover: 22,00 €
Kindle: 19,99 €
ISBN-10: 3579070428
ISBN-13: 978-3579070421
Mit viel Energie und Lebendigkeit wird die geistliche Dimension theologisch erschlossen. Dabei wird aber auch munter auf andere wissenschaftliche Disziplinen verwiesen mit dem Ziel, das Heilige und Geistreiche in das persönliche Leben einzuladen. Klaas Huizing will alltägliche Lebenserfahrungen lebensdienlich deuten helfen. Dazu lädt er zu einer Reise an gewöhnliche und außergewöhnliche Orte ein, die er mit persönlichen Deutungen auflädt. Siegfried Eckert sucht nach Quellen der Begeisterung und führt Soziologie, Kirchengeschichte und Kreativitätsforschung an. Es sind literarische Versuche mit konkreten Vorschlägen und Beispielen, Spiritualität in einer gottlosen Zeit wieder lebendig und wirkmächtig werden zu lassen.
Verzaubert leben
Prof. Dr. Dr. Klaas Huizing ist als Autor bekannt und schreibt nicht nur Fachbücher, sondern auch Romane. Verzaubert Leben ist eine Mischung aus Fach- und Sachbuch mit persönlichen Reiseberichten aus dem In- und Ausland, die er in Bezug zum Heiligen setzt. Neben deutschen Reisezielen berichtet er aus der Normandie, aus Buenos Aires, Paris und dem Fantasiestaat Molwanîen. Unterbrochen werden die drei Reiseetappen durch Übungen zur Körperwahrnehmung, zur Einleibung und zur Kunst der spielerischen Identifizierung. Zuletzt greift er mit verschiedenen Interpreten des Heiligen die Ausführungen von Hartmut Rosa, Aby Warburg, Martin Seligman, Hermann Schmitz auf und ergänzt sie mit seiner theologischen Lebenslehre.
Seine Grundthesen: „Überall und in allen Lebenssituationen lassen sich Erfahrungen des Heiligen aufspüren, die für das eigene Leben spielentscheidend sein können.“ (S. 17) Dabei müssen „Erfahrungen des Heiligen […] nicht notwendigerweise Gotteserfahrungen sein.“ (S. 183) Der Leib reagiere spontan auf Heiligkeitserfahrungen, wie sie in atmosphärisch oder personal verdichteten Begegnungen spürbar sind, denn „Sein und Raum, nicht Sein und Zeit ist das Thema.“ (S. 16) Dieses Leibgeschehen frage nach Deutungen, die die subjektive Kartierung lesbar machen. Und diese Deutungen ins Heilige hinein müssten nicht ausschließlich aus der Theologie kommen. Er warnt sogar davor, „jede religiöse Erfahrung durch das Nadelöhr der Christologie einzufädeln“ (S. 176). Der Heilige Geist ist bei Huizing ein Universalprinzip und Heil wird nicht allein als Erlösung von Sünde definiert, sondern wo „positive, hoch bedeutsame Erfahrungen gemacht werden, ist Heil.“ (S. 178)
Begeisterung
Siegfried Eckert arbeitet als Gemeindepfarrer in Bonn und schreibt Bücher zu lebenspraktischen Themen. In seinem neuesten Buch nähert er sich dem Thema Geist aus verschiedenen Perspektiven. Auf 254 Seiten versammelt er Passendes zum Thema „Begeisterung“ aus Kirchengeschichte, Kreativitätsforschung, Psychologie, theologischen Überlegungen und persönlichem Erleben. Mal nah an der Mystik, mal an der Soziologie – Eckert versucht, Brücken zwischen den Disziplinen zu schlagen, ohne die Deutungshoheit der Theologie schmälern zu wollen. Eckert spricht Glaubensgeschichten und Glaubensbekenntnissen ihren Wert zu und ist überzeugt, dass Gotteserfahrungen auch in Welterfahrungen enthalten sind. (S. 69).
Eckert ist insofern kirchenkritisch, als er dogmatische, kirchenamtliche und sakrale Verkrustungen als Hindernis für ein leidenschaftliches Christsein sieht (S. 190) und für eine neue Vision als „Gegenmodell zu einer geistlosen Welt“ wirbt (S. 193). Eckert warnt aber auch vor geistlichen Entgleisungen und falschen Geisterlebnissen, wie etwa der Ekstase eines Drogenkonsums. „Zwischen Himmel und Erde ist im Bereich der Begeisterung und Geisterfahrung das Eis sehr dünn“ (S. 124). Deshalb plädiert er für eine Unterscheidung der Geister (S. 141). Als Gemeindepastor warnt er auch vor dem Missbrauch der Begeisterung, wenn das persönliche Feuer ungebremst auf andere überzugreifen droht und dann bildlich gesprochen zu Flächenbränden führt (S. 169).
Zum Punkt
Es lassen sich Gemeinsamkeiten und Unterschiede feststellen. Beide Autoren loben übereinstimmend das Buch als Medium und nutzen vielleicht gerade deshalb viele sekundäre Quellen. Beide Autoren bedienen sich beim Soziologen Hartmut Rosa und stellen zudem die Rolle der Kreativität für die Spiritualität heraus. Für Huizing ist klar: „Die Figur Gottes ist in der Welt in Kreativitätsschüben erfahrbar“ (S. 175). Eckert beschreibt den schöpferischen Prozess als Blitzschlag (S. 229), der Alternativen und Spielräume öffnet (S. 233). Einig sind sich die Autoren auch in der Unverfügbarkeit des „Geisterlebnisses“. Hier ist dem Menschen bei aller Selbstbestimmung eine Grenze gesetzt, die er nicht mit seinem Willen durchbrechen kann.
Beide Autoren glauben an die „Macht des Augenblicks“, der ein Leben verändern kann, auch zum Geistlichen hin. Wo Huizing die Leiblichkeit als Resonanzboden für das Heilige betont, dabei aber feststellt, dass der Leib über den bloßen Körper hinausgeht, schreibt Eckert von einem gleichberechtigten Resonanzverhältnis zwischen Gott und Mensch. Für Huizing sind die Begegnungen mit dem Heiligen zunächst privater Natur und laden zur Antwort ein. Eckert hingegen stellt sie in einen Verantwortungsraum, wenn er davon spricht, dass das Universum eine Antwort von uns erwartet (S. 169) und uns in die Gemeinschaft der Heiligen führt. Die Rolle der Kirche wird also unterschiedlich bewertet.
Eckert sieht die Theologie als Leitdisziplin für die Deutung von christlicher Spiritualität. So lassen sich bei ihm noch Glaubensbekenntnisse lesen: „Ich glaube an Gottes Geistkraft.“ (S. 11) Er verwendet einen konservativen theologischen Heilsbegriff, wenn er schreibt: „Ich kann noch so viele Yogakurse, Wallfahrten oder Pilgerreisen absolvieren, mein Seelenheil habe ich nicht im Griff. Wer anderes behauptet, wie es eine positive Psychologie gelegentlich versucht, irrt.“ (S. 68) Für Huizing hingegen stehen die wissenschaftlichen Disziplinen als Deutungsagenturen des Heiligen gleichberechtigt nebeneinander. Als praktische Grundlage der Religion sieht er die spielerische Identifikation, nicht den Umgang mit Sünde und Schuld. Jesus Christus ist demnach nicht unbedingt der Erlöser, sondern vor allem ein Vorbild für eine charismatische Lebensführung. Bei allem Vorbildcharakter hat Jesus für Eckert aber auch eine göttliche Komponente, wenn er schreibt: „Menschen, die es konkreter, vorbildlicher brauchen, sind von Jesus aus Nazareth fasziniert, dem Menschensohn und Ebenbild Gottes.“ (S. 82)
Fazit
Beide Bücher laden ein, über Spiritualität im postmodernen Kontext nachzudenken und sich inspirieren zu lassen. Wer möchte nicht ein wenig verzaubert und begeistert werden? Dennoch bleibt das Thema etwas nebulös und ist nicht ganz frei von persönlichen konfessionellen Vorprägungen. Huizing schreibt nicht explizit für Christen, sondern für spirituell Suchende. Dabei taucht er beim Theoretisieren allzu oft in die theologischen Untiefen akademischer Unschärfen ab und bedient sich stiluntypisch stellenweise eines englischen Slangs. Eckert will eher die Kirchenmitglieder zu einem geistlicheren Leben ermutigen und die Landeskirche reformieren. Dabei fällt seine biographisch bedingte vorsichtige Würdigung der charismatischen Bewegung auf. Deutlich wird bei der Lektüre: Christologie wirkt sich auch auf die Spiritualität aus. Und die Kernfrage eines verzauberten und begeisterten Lebens lautet: Wer war Jesus Christus für dich? Ist diese Frage geklärt, machen die Bücher Mut, eine Dimension weiter zu denken, auch wenn wir dabei feststellen müssen, dass uns dafür das Vokabular und die Vorstellungskraft nicht ausreichend zur Verfügung stehen.
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