Nach Herzinfarkt, Herz-Op: Kann Sex gefährlich fürs Herz sein?
Gefahr durch körperliche Belastung beim Sex?
Besonders nach einem Herzinfarkt, nach Implantation eines Stents, eines Herzschrittmachers oder implantierbaren Defibrillators (ICD) befürchten Patienten ein Risiko für ihr Herz aufgrund der körperlichen Belastung beim Sex. Dr. Wrenger gibt hierzu Entwarnung: „Die körperliche Belastung beim Sex wird sehr häufig überschätzt“, betont er und erklärt: „Bei den meisten Menschen steigt der Puls nicht über 130 Schläge pro Minute, der obere Blutdruckwert nicht über 170 mmHg. Wer also noch zwei Stockwerke Treppen steigen kann oder zügig Spazierengehen – ohne dass es zu Herzschmerzen oder Atemnot kommt –, der ist auch fit genug für sexuelle Aktivitäten.“ Das statistische Risiko eines Herzinfarktes oder einer anderen schwerwiegenden Störung der Herzfunktion während sexueller Aktivität sei „ausgesprochen gering“, so der Kardiologe.
In welchen Situationen ist sexuelle Enthaltsamkeit geboten?
Nach bestimmten Komplikationen wie Herzinfarkt oder operativen Eingriffen raten Herzexperten allerdings zunächst zu folgenden Ruhephasen:
- Nach einer Bypassoperation wird empfohlen, sechs bis acht Wochen mit erneuter sexueller Aktivität zu warten, bis das Brustbein verheilt ist.
- Nach anderen Eingriffen ohne Eröffnen des Brustbeins wie Stentimplantation, kathetergestützte Aortenklappen-Implantation (TAVI), Schrittmacher-/Defibrillator (ICD)-Implantation oder nach einem Herzinfarkt sind meist nur wenige Tage Pause nötig, bis keine Symptome und Beschwerden mehr bestehen. Die Wunden sollten nach den o. g. Eingriffen verheilt sein. Nach Schrittmacher- bzw. Defibrillator-Implantation empfiehlt es sich, den Arm, auf dessen Seite operiert wurde, für ca. 6 Wochen zu schonen und nicht über 90 Grad, also nicht über das Schulterniveau, anzuheben.
- Nach einer Herzkatheteruntersuchung wird dazu geraten, etwa zwei Tage auf größere Anstrengungen und auf Sex zu verzichten.
Zum Verzicht auf sexuelle Aktivitäten rät der Kardiologe auch in Situationen, in denen sich der Gesundheitszustand gerade verschlechtert, also die Erkrankung instabil wird. „Treten zum Beispiel Brustschmerzen wie Angina pectoris oder Atemnot bereits bei geringer Belastung auf, dann wäre das ein Signal, umgehend zum Kardiologen zu gehen und körperliche Belastung wie etwa sexuelle Aktivitäten zu meiden“, betont Dr. Wrenger. Auch wer eine fortgeschrittene Herzschwäche (NYHA-Klasse III) hat, sollte sich vor Aufnahme sexueller Aktivitäten mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin besprechen.
Schockgabe des Defibrillators: Gefahr für Partner oder Partnerin?
Nach der Implantation eines Defibrillators, kurz: Defi, haben viele Patienten die Angst, dass aufgrund des erhöhten Herzschlags beim Sex Defi-Schockabgaben ausgelöst werden können. „Grundsätzlich kann auch bei sexueller Aktivität wegen der damit verbundenen körperlichen Belastung eine Defi-Schockabgabe ausgelöst werden, so wie das auch bei anderen körperlichen Belastungen der Fall sein kann“, erklärt Dr. Wrenger. Dennoch sei mit einem Defi ein „ganz normales Sexualleben“ möglich. Und vor allem: „Kommt es während des Geschlechtsverkehrs zu einem Defi-Schock, wird das den Partner oder die Partnerin nicht gefährden“, beruhigt der Herzstiftungs-Experte.
Medikamente bei Erektionsstörungen: Worauf sollten Patienten achten?
Medikamente zur Behandlung von Erektionsstörungen wirken über die Erweiterung der Gefäße und verbessern dadurch die Durchblutung der Gefäße im Penis, die oft infolge einer bestehenden Arteriosklerose mitleiden. Bei diesen Medikamenten handelt es sich um sogenannte Phosphodiesterase-5-Hemmer, kurz PDE-5-Hemmer (z. B. die Wirkstoffe Sildenafil oder Tadalafil). Für Herzpatienten ist zu beachten, dass diese Medikamente auch in anderen Arterien wirken, so dass der Blutdruck sinken und eine Kreislaufschwäche verursachen kann. „Bei der stabilen koronaren Herzkrankheit gelten die Medikamente jedoch im Allgemeinen als sicher“, erklärt der Kardiologe Dr. Wrenger. Vorsicht sei jedoch bei der gleichzeitigen Einnahme von Sildenafil/Tadalafil und sogenannten Nitraten (Isosorbiddinitrat: ISDN, Isosorbidmononitrat: ISMN) geboten. Denn diese Nitropräparate (Nitrospray, Nitrokapseln), die bei Angina-pectoris-Beschwerden angewendet werden, verstärken die gefäßerweiternde Wirkung der Potenzmittel. „Bei gleichzeitiger Einnahme von potenzsteigernden Mitteln und Nitraten kann es zu kritischen, auch lebensbedrohlichen, Blutdruckabfällen kommen, so dass man hier sehr zurückhaltend sein und vorher ärztlichen Rat einholen sollte“, so Dr. Wrenger. Speziell beim Nitrospray könne aufgrund der kurzen Wirkdauer allerdings meist schon ein bestimmter Zeitabstand zur Einnahme des Potenzmittels helfen, einen kritischen Blutdruckabfall zu vermeiden. Dennoch sollten sich Herz-Kreislauf-Patienten unbedingt vor der Einnahme von Arzneimitteln zur Therapie von Erektionsstörungen zunächst ärztlich beraten lassen, um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden und die Sexualität dann wirklich unbeschwert genießen zu können.
(wi/ne)
Jetzt reinhören! Podcast „Wann ist Sex gefährlich fürs Herz?“
Der Podcast mit dem vollständigen Gespräch mit Dr. Markus Wrenger ist zu hören unter: www.herzstiftung.de/podcast-sex-gefahr-herz
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Ratgeber „Kardiologische Rehabilitation“
Der kostenfreie Ratgeber „Kardiologische Rehabilitation“ (94 Seiten) ist ein umfassender Leitfaden, der alle Aspekte der Rehabilitation bei verschiedensten Herz-Kreislauf-Erkrankungen beleuchtet. Dem Thema Sexualität widmet sich der Artikel „Leben nach dem Herzinfarkt: Autofahren, Reisen, Sex – Was geht und was nicht?“ Der Ratgeber kann kostenfrei unter Tel. 069 955128-400 oder unter https://herzstiftung.de/reha-broschuere bestellt werden.
Aus der Herz-Sprechstunde: https://herzstiftung.de/sprechstunde-herzinfarkt-potenzmittel
Literatur:
- Cohen G. et al, Resumption of sexual activity after acute myocardial infarction and long-term survival, European Journal of Preventive Cardiology (2022) 29, 304–311, doi:10.1093/eurjpc/zwaa011
- Levine G. N. et al., Sexual Activity and Cardiovascular Disease: A Scientific Statement From the American Heart Association, Circulation Vol. 125, Number 8, https://doi.org/10.1161/CIR.0b013e3182447787
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