RICS: Weltweite Bautätigkeit verliert angesichts der sich verschlechternden makroökonomischen Aussichten an Schwung
- RICS veröffentlicht Global Construction Monitor Q3 2022
- Bautätigkeitsindex weltweit schwächt sich im dritten Quartal weiter ab
- Rückläufige Bauauslastung im privaten Wohnungs- und Gewerbebau in Europa und APAC
- Resiliente Bedingungen in MEA und Nord-, Mittel- und Südamerika
- Deutschland: Bautätigkeitsindex fällt deutlich ins Negative auf -20 (Vorquartal +8) / Schlechtester Wert in ganz Europa
- Spürbarer Rückgang im privaten Wohnungsbau für das kommende Jahr in Deutschland erwartet: Nettosaldo fällt von +10 % auf -43 %
Die Ergebnisse des RICS Global Construction Monitor (GCM) für das dritte Quartal 2022 zeigen, dass die Gesamtaktivität im Vergleich zum Vorquartal dieses Mal flacher ausfällt, da die sich verschlechternden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in vielen Teilen der Welt zu einem Verlust an Dynamik führen. Allerdings verzeichnen einige Regionen trotz der allgemeinen globalen Entwicklung weiterhin einen soliden Anstieg der Bauauslastung, wobei sich insbesondere die Regionen Naher Osten und Afrika vom allgemeinen Trend abheben.
Bautätigkeitsindex stagniert weitgehend
Der Gesamtindex für die Bautätigkeit (CAI) sank in Q3 auf +3, nachdem er zuvor bei +12 gelegen hatte. Damit hat sich dieser Wert in den letzten drei Quartalen jeweils abgeschwächt, und der aktuelle Wert belegt nun auf einen flachen Gesamttrend insgesamt. Aufgeschlüsselt nach Regionen zeigen die jüngsten Ergebnisse ein unterschiedliches Bild. Während der CAI in ganz Europa in den negativen Bereich fiel (von +5 auf -10), verbesserte er sich in MEA sogar leicht (von +18 auf +20). Obwohl der CAI in Nord- und Südamerika mit +21 nach wie vor im positiven Bereich liegt, hat er sich gegenüber dem Höchststand von +51 vor zwei Quartalen merklich abgeschwächt. In der APAC-Region fiel der CAI von zuletzt +5 auf -1 und verzeichnete damit den schwächsten Wert seit Beginn der Pandemie in dieser Region.
Auf Länderebene sind Saudi-Arabien, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate die Spitzenreiter bei den aktuellen CAI-Daten. Dort hat sich der Gesamtindex im Vergleich zum letzten Quartal in allen Fällen verbessert und signalisiert ein robustes Wachstum im Bauwesen. Am anderen Ende der Skala verzeichneten Sri Lanka, Deutschland, China und Frankreich in den jüngsten Ergebnissen negative CAI-Werte, was auf eine Verschlechterung der Marktbedingungen im Laufe des Quartals zurückzuführen ist. In Deutschland fällt der CAI deutlich von einem Wert von +8 auf -20 in Q3.
Erwartungen für privaten Wohnungsbau in den meisten Regionen deutlich zurückgeschraubt
Angesichts der Auswirkungen der höheren Zinssätze auf dem Wohnungsmarkt und der schwierigen Preisgestaltung in vielen Teilen der Welt ist es nicht überraschend, dass die Erwartungen im kommenden Jahr deutlich zurückgeschraubt wurden. Dieser Umschwung ist in Europa am deutlichsten zu erkennen, wo ein Nettosaldo von -5 % der Befragten nun einen Rückgang des Arbeitsvolumens in den nächsten 12 Monaten prognostiziert. Dies steht in starkem Kontrast zu einem Nettosaldo von +40 %, die noch vor zwei Quartalen einen Anstieg der Arbeitsauslastung im Wohnungsbau erwarteten. Auch in der APAC-Region und in Nord-, Mittel- und Südamerika wird nicht mehr mit einem Wachstum des Arbeitsvolumens gerechnet, wobei der Nettosaldo in der letztgenannten Region von +22 % auf +5 % fiel. Im Gegensatz dazu sind die Aussichten für den Wohnungsbau in MEA mit einem Nettosaldo von +38% der Befragten nach wie vor robust.
Beschäftigungsniveau steigt weltweit weiter an
Weltweit erwarten per Saldo +15 % der Befragten, dass die Zahl der Beschäftigten in der Bauwirtschaft in den nächsten 12 Monaten steigt. Dies ist zwar immer noch positiv, aber der niedrigste Wert seit Ende 2020. Die Befragten in Saudi-Arabien, Indien und den USA sind am optimistischsten, was die Beschäftigungsaussichten für das kommende Jahr betrifft. Im Gegensatz dazu wird in Sri Lanka, China und Italien mit einem Stellenabbau gerechnet. Auch in Deutschland fiel der Wert auf -6 % von +25 %
Materialkosten bleiben wichtigster Faktor, der den Markt bremst
Wie in den vergangenen zwei Jahren bleiben die steigenden Materialkosten das größte Hindernis für die Marktaktivität. 85 % der Befragten weltweit weisen auf dieses Problem hin, in Deutschland sind es 75 % (Q2: 87 %). Obwohl dies wahrscheinlich auf absehbare Zeit ein Haupthindernis bleibt, gibt es zaghafte Anzeichen dafür, dass die Entwicklung in diesem Bereich ihren Höhepunkt erreicht haben könnte. Für die kommenden 12 Monate rechnen die Befragten mit einer Materialkosteninflation (Nettosaldo von +7,5 %), was im historischen Vergleich zwar immer noch extrem hoch ist, aber geringer als in Q2 (8 %) und Q1 (9 %) ausfällt.
Abgesehen von den Materialkosten sind finanzielle Hindernisse der nächst häufig genannte Faktor, der das Bauwesen hemmt. Aufgrund steigender Zinssätze in weiten Teilen der Welt, ist der Anteil der Befragten, die finanzielle Bedingungen als Hindernis beurteilen von 62 % Ende letzten Jahres auf 71 % im dritten Quartal gestiegen (Deutschland Q3: 55 %). Daneben spielen der Material- und Fachkräftemangel weiterhin eine wichtige Rolle, auch wenn der Anteil der Befragten, die diese Probleme angaben, in den letzten zwei Quartalen auf globaler Ebene leicht zurückgegangen ist.
Europa: Wirtschaftlicher Druck wirkt sich negativ auf Baugewerbe aus
Die Ergebnisse für das dritte Quartal in Europa zeigen eine deutliche Abschwächung der Dynamik im Bausektor, da hohe Energiepreise und sinkendes Verbrauchervertrauen die Gesamtwirtschaft stark belasten. Diese Entwicklung spiegelt sich in allen europäischen Märkten wider.
Bautätigkeitsindex schwächt sich in allen Märkten ab / Deutschland mit schlechtestem Wert in Europa
In Europa sank der Gesamtindex für die Bautätigkeit (CAI) auf -10 im dritten Quartal gegenüber +5 im Vorquartal. Dies ist der schwächste Wert seit Q3 2020. Dabei weist Deutschland im nationalen Vergleich den schlechtesten CAI-Wert mit -20 auf (Q2: +8). Ebenfalls negative Werte wurden auch in Frankreich (-15), Italien (-11), Spanien (-4) und den Niederlanden (-4) verzeichnet. Im Gegensatz dazu registrierten Großbritannien (+5) und Irland (+3) geringfügig positive CAI-Werte.
Die Zwölfmonatserwartungen für das Arbeitsaufkommen im Baugewerbe in Europa sind deutlich gesunken. Die Befragten rechnen jetzt mit einem Rückgang im privaten Wohnungs- und Gewerbebau. Hier zeigt sich besonders für den privaten Wohnungsbau eine deutliche Trendwende im Vergleich zur relativ optimistischen Einschätzung zu Jahresbeginn.
Auf Länderebene wird für den privaten Wohnungsbau in Deutschland und den Niederlanden in den nächsten 12 Monaten ein Rückgang erwartet. Dabei fiel in Deutschland das Nettosaldo sehr deutlich von +10 % im zweiten Quartal auf jetzt -43 %. Für die Arbeitsauslastung im Gewerbebereich im Jahresausblick zeigen sich die Umfrageteilnehmer in Italien und Deutschland (von +8 % auf -7%) am pessimistischsten.
Erhöhte Kosten schmälern Gewinnmargen
In Anbetracht erhöhter Kosten wird von sinkenden Gewinnspannen im kommenden ausgegangen. Im dritten Quartal rutschte der Nettosaldo bei den Erwartungen an die Gewinnmargen in ganz Europa, außer der Schweiz, weiter in den negativen Bereich auf -29 % gegenüber -20 % in Q2. Der Wert in Deutschland fiel hier von -29 % auf -31 %.
Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende der RICS Deutschland: „Der Construction Activity Index verliert angesichts der sich verschlechternden makroökonomischen Aussichten in fast allen Weltregionen weiter an Schwung. Europa ist besonders betroffen. Spürbarer Rückgang bei allen Bauaktivitäten, sowohl im privaten Wohnungsbau, als auch im Nicht-Wohnungsbau. Deutschland verliert am stärksten an Dynamik. Materialkosten kristallisieren sich als maßgebliche Hürde. Obwohl die Angebotspreise leicht sinken, bleiben die Baukosten weiterhin hoch. Daher wird eine weitere Absenkung der Margen in den nächsten 12 Monaten erwartet. Die Perspektiven für 2023 scheinen sich nicht positiv zu entwickeln. Obwohl der Bedarf an Wohnungen nach wie vor hoch ist und auch die Renovierungsrate im Gewerbe steigen müsste, kann die Kostenspirale nicht durchbrochen werden und verhindert weiteres Wachstum.“
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