Lange Haftstrafen für Journalisten in Myanmar: RSF fordert härtere Sanktionen gegen Militär
„Die langen Haftstrafen gegen Medienschaffende durch die Militärbehörden sind abscheulich. Die myanmarischen Generäle versinken immer tiefer in einer Politik des Terrors und Journalistinnen und Journalisten gehören zu den ersten Opfern“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die Welt kann nicht zusehen, wie sich das Land dem Terror unterordnen muss, mit dem die Junta die Medien kontrolliert. Der UN-Sonderberichterstatter für die Situation der Menschenrechte in Myanmar muss auf schärfere internationale Sanktionen gegen die Generäle drängen.“
Am 1. Februar 2021 hat sich das Militär in Myanmar zurück an die Macht geputscht. Damit wurde die Pressefreiheit innerhalb weniger Tage um zehn Jahre zurückgeworfen, nachdem das Land nach dem Ende der letzten Militärdiktatur 2011 zunächst erhebliche Fortschritte gemacht hatte. In Myanmar ist Journalismus inzwischen faktisch eine Straftat, wie die große Zahl der nach dem Putsch verbotenen Medien zeigt.
Mit vagen Gesetzen gegen Journalisten
Das jüngste Urteil fiel Anfang dieser Woche. Am 26. Dezember verurteilte ein Gericht im berüchtigten Insein-Gefängnis am Stadtrand von Yangon den Journalisten Han Thar Nyein in einem geheimen Prozess zu fünf Jahren Haft. Die Einzelheiten des Prozesses wurden noch am selben Tag in sozialen Medien veröffentlicht und von RSF geprüft. Han Thar Nyein soll angeblich gegen das Gesetz über den elektronischen Zahlungsverkehr verstoßen haben, das Handlungen unter Strafe stellt, die der Sicherheit des Staates schaden.
Bereits im März 2021 hatte ein Gericht den Journalisten zu zwei Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit verurteilt. Grundlage war Paragraph 505a des Strafgesetzbuches, der die Verbreitung von „falschen Nachrichten“ unter Strafe stellt und häufig genutzt wird, um Journalistinnen und Journalisten zu verfolgen. Anlässlich seiner Nominierung für den RSF Press Freedom Award in der Kategorie Mut berichtete die Organisation Anfang Dezember, dass Han Thar Nyein im Gefängnis Opfer von extremer Gewalt und Folter wurde, Verbrennungen am ganzen Körper hatte und Vergewaltigungs- und Morddrohungen erhielt.
Dasselbe Gesetz war vergangene Woche Grundlage für die Haftstrafen von zwei ebenfalls im Insein-Gefängnis inhaftierten Medienschaffenden der Myanmar Pressphoto Agency (MPA). Videoreporterin Hmu Yadanar Khet Moh Moh Tun und Fotograf Kaung Sett Lin wurden zu drei Jahren Gefängnis mit Zwangsarbeit verurteilt.
Democratic Voice of Burma berichtete unterdessen, dass Soldaten den Journalisten Kyaw Zeya am 25. Dezember festgenommen haben, als sie das Haus seiner Eltern in Gyobingauk, einer kleinen Stadt in der zentralen Bago-Region durchsuchten. Der Redakteur der Nachrichtenagentur Kanbawza Tai News (KTZ News) hatte sich versteckt gehalten, seitdem das Medium unmittelbar nach dem Putsch verboten worden war.
Am 16. Dezember verurteilte das Sondergericht im Insein-Gefängnis den freiberuflichen Journalisten Soe Yarzar Tun laut der Assistance Association For Political Prisoners (AAPP) zu vier Jahren Haft mit Zwangsarbeit. Grundlage war Paragraph 52a des Gesetzes zur Terrorismusbekämpfung. Das Gericht verurteilte zudem die beiden Chefredakteure der Nachrichtenseite Thingangyun Post gemäß Paragraph 5 des Gesetzes über explosive Substanzen zu fünf Jahren Haft. Htet Htet Aung und Wai Linn Yu wurden bei ihrer Festnahme im November 2021 angeblich mit „mit Sprengstoffen erwischt“.
Kafkaeske Anklage und Rekordhaftstrafe
Dass die Militärjunta in Myanmar offenbar keine Grenzen kennt, um die Pressefreiheit zu unterdrücken, zeigt der Fall des Journalisten Sithu Aung Myint. Im Laufe seiner langen Karriere hat er als Reporter für das Magazin Frontier Myanmar und als politischer Kommentator für den US-Sender Voice Of America (VOA) gearbeitet. Beide Medien wurden in Myanmar nach dem Militärputsch verboten, was ihn dazu zwang, unterzutauchen.
Am 7. Oktober wurde Sithu Aung Myint zunächst zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er „Regierungsangestellte zu Verbrechen angestiftet“ haben soll. Am 24. November folgte ein weiteres Urteil mit zwei Jahren Gefängnis. Am 9. Dezember verhängte ein Gericht wegen angeblicher Aufwiegelung gemäß Paragraph 124a des Strafgesetzbuches eine Haftstrafe von weiteren sieben Jahren. Sithu Aung Myint muss damit 12 Jahre im Gefängnis verbringen.
Nur neun Tage zuvor verurteilte ein Gericht den freiberuflichen Reporter Myo San Soe wegen „Terrorismus“ und „Finanzierung von Terrorismus“ zu 15 Jahren Gefängnis. Das ist die längste Haftstrafe, die ein Journalist seit dem Militärputsch erhalten hat. Myo San Soe saß zu dem Zeitpunkt bereits ein Jahr in Untersuchungshaft.
Selbst Medien, denen eine Nähe zur Militärjunta nachgesagt wird, sind nicht mehr sicher. Laut lokalen Berichten in sozialen Medien, die RSF verifiziert hat, wurden die Redakteure Win Oo und Zaw Min Oo im November festgenommen, nachdem sie auf einer Pressekonferenz des Informationsministeriums in der Hauptstadt Naypyidaw unerwünschte Fragen gestellt hatten. Die Journalisten arbeiten für Online-Medien, die von der Junta toleriert werden.
Lebensgefährliche Arbeit
Seit dem Militärputsch im Februar 2021 wurden vier Medienschaffende getötet. Unter ihnen ist der Fotograf Aye Kyaw, der über zahlreiche Proteste gegen die Militärjunta berichtet hatte. Am 30. Juli durchsuchten Soldaten sein Haus und nahmen ihn mit. Wenige Stunden später fand man ihn mit einer großen Wunde im Brustbereich, die hastig vernäht worden war – offensichtlich, um zu verbergen, dass er bei einer extrem gewaltsamen Befragung schwer verletzt wurde und daran starb.
In Myanmar war die Militärjunta zuvor bereits ein halbes Jahrhundert an der Macht gewesen und vor fast 12 Jahren, im Februar 2011, aufgelöst worden. Die während der damaligen Militärdiktatur streng zensierten Medien erhielten daraufhin mehr Freiheiten. So schuf die Regierung etwa die Vorzensur für Zeitungen ab und entließ neben mehreren hundert politischen Häftlingen auch 17 Journalistinnen und Journalisten. Unabhängige Medien, die jahrzehntelang nur aus dem Exil berichten konnten, kehrten ins Land zurück. RSF-Mitarbeitende durften 2012 zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder nach Myanmar reisen.
Doch bereits vor dem Militärputsch 2021 hatte sich die Situation unter der damaligen Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi vor allem seit Beginn der Rohingya-Krise wieder verschlechtert. Ein schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit war etwa die Haftstrafe gegen die beiden Reuters-Journalisten Wa Lone und Kyaw Soe Oo im Jahr 2018, die über ein Massaker an den Rohingya recherchiert hatten.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Myanmar auf Platz 176 von 180 Staaten. Mehr zur Lage für Journalistinnen und Journalisten finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/myanmar.
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