Kryptowährungen: Ohne Blockchain-Durchbruch in der Realwirtschaft wird es schwer
Kryptowährungen stecken als Anlageklasse noch in den Kinderschuhen und sind anfällig für starke Schwankungen. Die Blockchain-Technologie, die den Kryptowährungen zugrunde liegt, gilt zwar weiterhin als vielversprechend, hat aber den großflächigen Durchbruch noch nicht geschafft. Erst, wenn sie in großem Maßstab Anwendung in der Realwirtschaft findet, werden sich auch Kryptowährungen dauerhaft als gängige Anlageklasse etablieren können.
Trotz der massiven Einbrüche konnten Kryptowährungen 2022 ihren wichtigsten Vorteil behaupten: die Dezentralisierung und Unveränderlichkeit von Transaktionen – eine an mehreren Stellen parallel dokumentierte Transaktion kann praktisch nicht mehr verändert oder gefälscht werden. Dieses Potenzial erklärt, warum einige Schwergewichte des Finanzsektors und anderer Branchen weiterhin Verbindungen zwischen ihren traditionellen Aktivitäten und Kryptowährungen aufbauen, wenn auch mit Bedacht. Daneben können die Blockchain und die Tokenisierung von Vermögenswerten Effizienzgewinne bei Transaktionen und bei der Verwaltung traditioneller Anlageklassen ermöglichen – vielleicht der wichtigste Vorteil.
Fünf Argumente für Kryptowährungen
Blockchains, Kryptowährungen und Tokenisierung haben großes Potenzial, sei es im Rahmen dezentralisierter Organisationen oder neuer Möglichkeiten des Handels und der Verwaltung von Vermögenswerten. Am wahrscheinlichsten ist, dass sie einfach mehr Zeit brauchen, um zu „reifen“, bevor sie sich durchsetzen, wie es bei anderen Technologien in der Vergangenheit der Fall war. Für den langfristigen Erfolg sprechen insbesondere fünf Gründe:
1. Krise steuert Erwartungshaltung
Die jüngste Krise könnte die Erwartungen auf ein gesünderes, realistischeres Niveau senken, die Spreu vom Weizen trennen und die Entwicklung tragfähiger Projekte ermöglichen. Eine Parallele zum Dot-Com-Crash von 1999-2000 ist sicherlich nur bedingt möglich, da das Internet in den späten 1990er-Jahren bereits weiter verbreitet war und stärker genutzt wurde als Kryptowährungen heute. Doch einige der heutigen Blue-Chip-Tech-Aktien erlebten damals ebenfalls sehr brutale Kurseinbrüche, bevor sie sich erholten. Obwohl die meisten Kryptowährungen noch nicht lange am Markt sind, war der Preisrückgang von Bitcoin von rund 75 Prozent zwischen Höchst- und Tiefststand in den Jahren 2021-2022 nicht der erste. Bitcoins wurden bereits viele Male für tot erklärt.
2. Neues Mining-Verfahren stärkt Nachhaltigkeit
Ethereum, die zweitwichtigste Kryptowährung, ging reibungslos von einem Proof-of-Work-Mining-Verfahren – dem Lösen komplizierter kryptografischer Aufgaben durch hohe Rechenleistung – zu einem neuen Proof-of-Stake-Mining-Verfahren über, bei dem neue Coins durch Hinterlegung schon bestehender Coins erzeugt werden. Dieser Schritt senkte den Energieverbrauch drastisch und stärkte so die ESG-Kompatibilität. Da sich das Proof-of-Stake-Verfahren heute bei den meisten wichtigen Blockchains durchgesetzt hat, ist die Frage des Energieverbrauchs inzwischen keine allgemeine Blockchain-Frage mehr sondern eher eine spezifische Bitcoin-Frage. Weitere Ethereum-Upgrades werden folgen, die für mehr Skalierbarkeit und geringere Transaktionskosten sorgen sollen, und auch andere wichtige Blockchains haben Upgrades in der Pipeline.
3. Hauptvorteile zeigen sich krisenresistent
Trotz der Krisen 2022 blieb der wichtigste Vorteil von Kryptowährungen weitgehend unangetastet: die Dezentralisierung und Unveränderlichkeit der Transaktionen. Viele der Probleme betrafen hingegen zentralisierte Dritte, seien es Börsen, Kreditgeber oder Hedgefonds, die durch ihr eigenes Verhalten die Probleme erst befeuert haben, etwa durch übermäßige Hebelwirkung, schlechtes Risikomanagement oder in Einzelfällen durch Betrug.
Im Allgemeinen funktionierte das durch die Blockchain ermöglichte Dezentrale Finanzwesen (DeFi), das automatisierte Transaktionen zwischen Gleichgestellten ohne vertrauenswürdige Vermittler ermöglicht, unabhängig vom Wertverlust weiterhin gut. Einige DeFi-Anwendungen haben sich als anfällig für Hacker erwiesen. Doch Unterbrechungen der Transaktionsprozesse von Mainstream-Blockchains waren nur sehr vorübergehend zu verzeichnen.
4. Wirtschaft zeigt anhaltendes Interesse
Führende Finanz- und andere Unternehmen sind weiterhin interessiert an Kryptowährungen, digitalen Vermögenswerten und Tokenisierung: Blackrock hat eine Beteiligung an Circle erworben, das den USDC-Stablecoin herausgibt, und seine Aladdin-Plattform in Coinbase integriert. Finanz- und Bankakteure verknüpften digitale und traditionelle Vermögenswerte, etwa durch die Ausgabe digitaler Versionen von Mainstream-Anleihen, die Möglichkeit, Stablecoins gegen traditionelle Sicherheiten zu leihen, oder die Verwendung von Kryptowährungen als Sicherheiten für traditionelle Kredite. Der Preisdruck auf Kryptowährungen konnte also die Dynamik der Tokenisierung von Vermögenswerten nicht aufgehalten.
5. Staaten gestalten und regulieren den Markt für die Zukunft
Vor zwei Jahren hielt man noch ein vollständiges Verbot von Kryptowährungen in großen, fortgeschrittenen Volkswirtschaften für möglich – inzwischen haben sich die Regulierungsbehörden gegen diesen Weg entschieden. Auf beiden Seiten des Atlantiks wurde die Notwendigkeit einer umfassenden Regulierung zur Risikominderung betont, in der EU mit der MiCA-Verordnung (Markets in Crypto-Assets). Die Förderung eines wettbewerbsfähigen Sektors für digitale Vermögenswerte wird mehr und mehr als Notwendigkeit angesehen, um den Rang der nationalen Finanzsektoren im globalen Wettbewerb zu wahren. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Sektor erheblich stärker reguliert sein wird als aktuell. Den Markt insgesamt dürfte das sicherer machen.
Ob Kryptowährungen sich durchsetzen oder als Sackgasse erweisen, muss die Zukunft zeigen. Aktuell ist es jedenfalls viel zu früh, um sie abzuschreiben.
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