„Friedensordnung bereits im Krieg vorbereiten“: Deutsche Kommission Justitia et Pax und ZdK fordern Schritte zu einer neuen Sicherheitsarchitektur
Fast vierzehn Monate dauert die militärische Eskalation Russlands in der Ukraine bereits an. Der Krieg kostet unzählige Menschenleben, verletzt das Völkerrecht, bedroht die staatliche Integrität und erschüttert die Sicherheitsordnung Europas. Bischof Heiner Wilmer, Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax, sprach von einem „Paradigmenwechsel vor der Haustür“. Dieser Paradigmenwechsel dürfe aber nicht dazu verleiten, ein Feindbild aufzubauen: „Russland ist ein Teil von Europa.“ Es könne nicht nur um die Frage gehen, wie die Ukraine den Krieg gewinne, sondern entscheidend sei: „Wie kommen wir zu einer neuen Friedensordnung?“
Annegret Kramp-Karrenbauer, Sprecherin des ZdK-Sachbereichs „Nachhaltige Entwicklung und globale Verantwortung“, forderte „mehr europäische Zusammenarbeit“. So müssten die europäischen Staaten „mehr in die NATO einbringen, als das bisher der Fall ist“. Zur künftigen europäischen Sicherheitsarchitektur gehöre aber auch, die nationalen Interessen nicht aus den Augen zu verlieren. Emmanuel Macrons Forderung nach mehr europäischer Souveränität dürfe nicht vergessen machen, „dass die Souveränität eines Landes auch zu den europäischen Werten gehört“. Kathrin Vogler, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion Die Linke, sagte, sie werde allerdings „misstrauisch bei Wertebündnissen. In Wahrheit geht es doch um gemeinsame Interessen von Bündnispartnern.“ Othmar Karas, Erster Vizepräsident des Europäischen Parlaments, forderte eine „europaweite Debatte über Verteidigungspolitik“. Er stellte fest: „Wir haben den Systemunterschieden zu lange keine Bedeutung beigemessen. Wäre die Ukraine Mitglied der NATO gewesen, dann wäre sie nicht angegriffen worden. Die Erweiterung der EU und der NATO ist wichtig. Sie tut der Sicherheit in Europa gut.“
Kathrin Vogler forderte, dass die Suche nach einer künftigen europäischen Sicherheitsarchitektur auch berücksichtigen müsse, Geflüchtete an den EU-Außengrenzen nicht mehr als Gefahr für die Sicherheit Europas zu betrachten. Eine neue europäische Sicherheitsarchitektur müsse auch eine neue Flüchtlingspolitik beinhalten. Wer wolle, dass sich Menschen gar nicht erst auf die Flucht begäben, müsse bereit sein, Demokratie- und Freiheitsbewegungen andernorts zu unterstützen: „Auch aus Russland flüchten Menschen, die mit der Politik Putins nicht konform gehen. Wir müssen wahrnehmen, welche Verantwortung wir dafür tragen, dass Oppositionelle unterstützt werden. Da hat die Bundesregierung versagt.“
Othmar Karas lenkte den Blick auf den Zusammenhang zwischen Politik und Religion. Er könne sich im einem fatalen Machtbündnis wie dem zwischen Putin und Patriarch Kyrill zeigen. Es sei aber andererseits auch möglich, dass sich religiöse Player als Friedensstifter bewährten. „Wie halten wir es eigentlich mit der Religion?“, fragte Bischof Wilmer. „Für diese Frage müssen wir uns in Europa wieder öffnen.“
Alle Teilnehmenden der Diskussion waren sich einig darin, dass der Frieden schon im Krieg vorbereitet werden müsse. „Russland darf nicht gleichgesetzt werden mit Putin“, forderte Annegret Kramp-Karrenbauer. „Investition in die Jugend, die Bildung, in die Zukunft“, forderte Othmar Karas. Bischof Wilmer berichtete von eigenen Erfahrungen mit dem Studium in Frankreich in den 1980er Jahren: „Solche Begegnungen schaffen Frieden.“ Sie taten es zu einer Zeit, als vielen Deutschen der älteren Generation Frankreich noch als Feind aus Kriegszeiten in Erinnerung war. Kathrin Vogler warnte „vor einer Sicherheitspolitik, die auf Militarisierung hinausläuft“. Vielmehr sei entscheidend, abzurüsten und auf eine starke Diplomatie zu setzen. „Eine Friedensordnung findet man nur mit Russland.“
Die Deutsche Kommission Justitia et Pax hatte sich im März 2022 mit einer Erklärung zum Ukraine-Krieg positioniert. Das Präsidium des Zentralkomitees der deutschen Katholiken verabschiedete im September 2022 den Beschluss „Friedensethik in Kriegszeiten: Impulse für die Verteidigungspolitik der 20er-Jahre“.
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