Dirigentin Elena Schwarz zu Gast bei den Bremer Philharmonikern
WAS
Blick nach vorn
11. Philharmonisches Konzert der Bremer Philharmoniker
WANN
Montag, 5. Juni 2023, 19.30 Uhr
Dienstag, 6. Juni 2023, 19:30 Uhr
WO
Konzerthaus Glocke
Domsheide 4/5
28195 Bremen
Dirigentin Elena Schwarz präsentiert beim 11. Philharmonischen Konzert der Bremer Philharmoniker faszinierende, von Naturphänomenen inspirierte ätherische Klangwelten der Komponistin Lotta Wennäkoski – eine bezaubernde Reise in den hohen Norden, wo auch das finnische Nationalopus Kalevala beheimatet ist. Jean Sibelius plante dazu eine Oper, verwarf die Ideen jedoch und schuf stattdessen die Lemminkäinen-Suite. Eine gute Entscheidung, ebenso wie die von Richard Strauss, der eigentlich keine Instrumentalkonzerte mehr komponieren wollte, sich aber zum Glück umentschied und eines der beliebtesten Oboenkonzerte schrieb, für das Ivan Podyomov als Gastsolist nach Bremen kommt.
Das Konzert wird eröffnet mit Hava, einem Werk vom finnischen Shooting Star der neuen Musik, Lotta Wennäkoski. Sie vergleicht das Komponieren gern mit Brotbacken: Sie hat eine Idee, sucht die Zutaten zusammen und knetet einen Teig. Nach diesem Rezept entstehen bei ihr Feuerwerke rhythmischer und dynamischer Finessen, für die Elena Schwarz die Idealbesetzung am Dirigentenpult ist. Für ihre musikalischen Visionen und ihr Engagement für neue Musik wird sie international geschätzt.
Zu einem der ersten finnischen Komponisten, die internationale Berühmtheit erlangten, gehört Jean Sibelius. Viele seiner Werke beschäftigen sich mit der Mythen- und Sagenwelt seines Heimatlandes, so auch die in der Blütezeit des finnischen Symbolismus und Jugendstils entstandene Lemminkäinen-Suite. Hier greift Sibelius vier Episoden aus dem mehr als 22.000 Verse umfassenden Epos Kalevala heraus und vertont farbenprächtig Szenen aus dem Leben des Schamanen Lemminkäinen. Als „Herzstück des Programms“ bezeichnet Elena Schwarz das zuvor erklingende Oboenkonzert von Richard Strauss. Inspiriert wurde er dazu durch die Bekanntschaft mit dem amerikanischen GI John de Lancie, der 1945 in der Nähe von Strauss´ Wohnort in Garmisch stationiert war. De Lancie war als Oboist beim Pittsburgh Symphony Orchestra bestens mit dem Werk von Richard Strauss vertraut und fragte ihn, ob er nicht auch mal ein Oboen-Konzert komponieren möchte. Nach einem anfänglichen, kategorischen Nein schuf der Komponist schließlich doch ein Werk, das heute zu den schönsten für dieses Instrument zählt und alles bietet, was Strauss-Liebhaber suchen: lyrische, schwebende Linien, kühne harmonische Wendungen, virtuoses Solospiel und Reste der großen deutschen klassischen und romantischen Tradition – für ihn jedoch lediglich eine „Handgelenksübung, um die Langeweile müßiger Stunden zu vertreiben“.
Das Programm
Lotta Wennäkoski (*1970)
Hava
Uraufführung am 11. Januar 2008 in Espoo
Richard Strauss (1864–1949)
Konzert für Oboe und kleines Orchester D-Dur AV 144
– Allegro moderato
– Andante
– Vivace – Allegro
Uraufführung am 26. Februar 1946 in Zürich
Jean Sibelius (1865–1957)
Lemminkäinen-Suite op. 22 (Vier Legenden)
– Lemminkäinen und die Mädchen auf der Insel
– Der Schwan von Tuonela
– Lemminkäinen in Tuonela
– Lemminkäinen zieht heimwärts
Uraufführung am 13. April 1896 in Helsinki
Elena Schwarz, Dirigat
Ivan Podyomov, Oboe
Informationen zu Künstlern und Programm / Auszüge aus dem Programmheft
Elena Schwarz
Dirigat
Elena Schwarz wird regelmäßig von Orchestern wie dem WDR Sinfonieorchester und dem BBC Philharmonic eingeladen. Zu ihren Wiedereinladungen in der Saison 2022/23 gehören außerdem das Royal Liverpool Philharmonic, das National Symphony Orchestra of Ireland und das South Netherlands Philharmonic. Zu den Höhepunkten der Saison 2022/23 gehören Debüts mit dem Philharmonia Orchestra, dem City of Birmingham Symphony Orchestra, den Bremer Philharmonikern, dem Royal Philharmonique de Liège, dem Orchestre National de Lille, der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz sowie dem San Diego Symphony und dem Melbourne Symphony Orchestra. Elena Schwarz‘ Opernarbeit umfasst Produktionen an der Norwegischen Oper, der Opéra de Lyon und dem Festival d‘ Aix-en-Provence. Zukünftige Produktionen sind an der Opéra de Lyon und der Opéra de Nice in Planung. Sie arbeitet regelmäßig mit spezialisierten zeitgenössischen Ensembles wie dem Ensemble Modern, der Musikfabrik, dem Klangforum Wien, dem Ensemble Intercontemporain und dem Luzern Festival Contemporary Orchestra zusammen und dirigierte dabei u.a. Werke von George Benjamin, Thomas Adès, Arnulf Herrmann, Olga Neuwirth, Lisa Streich und Francesco Filidei. Schwarz studierte Dirigieren am Genfer Konservatorium und am Conservatorio della Svizzera Italiana, weitere Studien führten sie zu Peter Eötvös und Matthias Pintscher sowie zu Meisterkursen bei Bernard Haitink und Neeme Järvi. Sie war ferner Assistentin von Mikko Franck beim Orchestre Philharmonique de Radio France, von Marko Letonja beim Tasmanian Symphony Orchestra und von Asher Fisch beim West Australian Symphony Orchestra, wo sie später zum Associate Conductor ernannt wurde.
Ivan Podyomov
Oboe
Ivan Podyomov begann seine musikalische Ausbildung an der Gnessin School of Music in Moskau bei Ivan Pushetchnikov. Von 2006 bis 2011 studierte er bei Maurice Bourgue am Genfer Konservatorium. Während seines Studiums in Genf hat Podyomov eine Reihe von wichtigen Oboenwettbewerben gewonnen: u.a. den Internationalen ARD-Wettbewerb in München 2011, den Genfer Wettbewerb, den Markneukirchen-Wettbewerb 2010 sowie den Sony-Oboenwettbewerb in Karuizawa, Japan, 2009 und den Internationalen Wettbewerb Prager Frühling 2008. Diese Erfolge führten zu zahlreichen Konzerten in den großen Konzertsälen der Welt. Im Jahr 2009 gab Ivan Podyomov sein Solodebüt mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin in der Berliner Philharmonie. Als Solist trat er unter anderem mit dem Royal Concertgebouw Orchestra, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, den Bamberger Symphonikern, dem Tokyo Philharmonic Orchestra, dem Stavanger Symphony Orchestra, dem Akademischen Symphonieorchester der St. Petersburger Philharmonie, dem Münchner Kammerorchester, dem Stuttgarter Kammerorchester, der Kammerakademie Potsdam, dem Genfer Kammerorchester und der Tschechischen Kammerphilharmonie auf. Ivan Podyomov trat ferner beim Lucerne Festival, den Salzburger Festspielen, dem Prager Frühling, dem Festival von Radio France in Montpellier und den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern auf. Zu seinen Kammermusikpartnern gehörten das Hagen Quartett, Trevor Pinnock, Lars Vogt, Sabine Meyer, Maurice Bourgue, Jacques Zoon, Leonardo García Alarcón, Dmitry Sinkovsky, Olga Paschenko und andere. Podyomov ist seit 2016 Solo-Oboist des Royal Concertgebouw Orchestra, Amsterdam. Er unterrichtet an der Hochschule Luzern.
Lotta Wennäkoski (*1970)
Hava
„Als ich über Hava nachdachte, spielte ich spielte ich vor allem mit dem Gedanken, dass Musik ein Thema auf dieselbe Weise behandeln kann, wie ein Roman mit seinem Thema umgeht: aus verschiedenen Blickwinkeln, in immer neuem Licht, in einer eigenen Sprache. Der einfache Ausgangspunkt für Hava ist das Fallen oder Absteigen; natürlich muss man manchmal erst aufstehen, um zu fallen“, so beschreibt Lotta Wennäkoski ihr Werk Hava. Auf Ungarisch – Wennäkoski studierte u.a. ein Jahr in Budapest – bedeutet Hava Schnee. Die wirbelnden Bewegungen der ersten Abschnitte etwa, die das Bild von Schnee in einem Wirbelsturm hervorrufen, sind ein Beispiel hierfür. Nach der atemlosen, aufgewühlten Eröffnung folgt eine Reihe langsamerer Abschnitte, in denen die Vorwärtsbewegung fast zum Erliegen kommt und verschiedene Soloinstrumente eine ätherische Atmosphäre schaffen. Lotta Wennäkoskis Werke sind Beispiele für jüngere Arbeiten, in denen sie physikalische Phänomene wie Auftrieb und Fließverhalten, Texturen und Empfindungen durch das Medium des Klangs erforscht. Sie sind oft von transparenten Klangfarben und surreal anmutenden Glissandi geprägt. Ihre Werke sollen etwas aussagen, und es ist ihr wichtig, dass ihre Musik in einen Dialog mit der Gesellschaft tritt. In einem Interview aus dem Jahr 2017 beschrieb Wennäkoski ihre Musik als „navigierend in einem Bereich zwischen aufregenden klanglichen Qualitäten und konventionelleren Gesten wie melodischen Fragmenten. Ein Gefühl von Luft, Raum und Klarheit sind wichtig, und ich hoffe auch, dass meine Musik immer etwas emotional ist.“
Richard Strauss (1864–1949)
Konzert für Oboe und kleines Orchester D-Dur AV 144
Richard Strauss hatte ein langes und äußerst produktives Leben. Er war der Sohn eines prominenten Musikers (einer der größten Hornisten seiner Zeit), heiratete eine angesehene Sopranistin, rühmte sich damit, auch Speisekarten vertonen zu können und schuf Tondichtungen wie Don Juan, Also sprach Zarathustra, Till Eulenspiegel oder Tod und Verklärung sowie Opern, die im Standardrepertoire nach wie vor eine zentrale Rolle spielen. Nur die Rolle, die Strauss in der Nazizeit gespielt hatte, sorgte in der Nachkriegszeit immer wieder für Diskussionen. Kurzzeitig hatte er als Präsident der Reichsmusikkammer fungiert, sich jedoch später in seine Garmischer Villa zurückgezogen, wo er eine bemerkenswerte Erneuerung seiner Kreativität erlebte und sich verstärkt der Instrumentalmusik zuwandte. Aus dieser Zeit stammt auch das Oboenkonzert, ein Instrument, an dem er bislang kein besonderes Interesse gezeigt hatte. Die Uraufführung fand am 26. Februar 1946 in Zürich statt, gespielt von Marcel Saillet. Das Konzert wurde bald zu einem zentralen Bestandteil des Repertoires für alle fortgeschrittenen Oboisten. Es beginnt, nach einem kleinen Tremolo in den Celli, mit einem berüchtigten Oboensolo – über fünfzig Takte ohne auch nur eine winzige Pause! Im unmittelbar anschließenden zweiten Satz entspinnt der Solist ein langes, schwebendes Solo mit reichlich Gelegenheit für lyrische Phrasen sowohl im Orchester als auch in der Solo-Oboe. Der 3. Satz ist ein fröhliches, energiegeladenes Finale, das aufgeräumt dahinplätschert, bis in der Mitte des Satzes eine weitere virtuose Kadenz für den Solisten folgt und ein paar walzerartige Ausflüge dieses einnehmende Konzert zu Ende bringen. Das Konzert ist geprägt von einer Mozartischen Leichtigkeit, von einer Faszination an der unendlichen Melodie und auch einer gewissen Freude an der Burleske – all das zusammen ergibt eine durchaus ungewöhnliche Mixtur.
Jean Sibelius (1865–1957)
Lemminkäinen-Suite op. 22 (Vier Legenden)
Sibelius wird gerne als finnischer Nationalkomponist betrachtet, ein Etikett, mit dem er selbst wohl am wenigsten anfangen konnte. Er war allerdings der erste Komponist aus Finnland, der internationale Berühmtheit erlangte. Seine Lemminkäinen-Suite basiert auf dem finnischen National-Epos Kalevala. Man kann sich nun darüber streiten, ob Sibelius so etwas wie einen „Finnischen Ton“ in der Musik etabliert oder eine finnische Schule begründet hat. Tatsache ist jedenfalls, dass Geschichte und Identität seiner Nation wesentliche Inspirationsquellen für ihn waren.
Die Lemminkäinen-Suite ist eine Sammlung von vier symphonischen Gedichten, die ursprünglich 1893-95 geschrieben, mehrfach überarbeitet und erst 1954 als Ganzes veröffentlicht wurde. Drei der Gedichte basieren auf einer Legende aus dem Kalevala, die die Abenteuer des Schamanen Lemminkäinen schildert. Das vierte Gedicht, „Der Schwan von Tuonela“, geht auf eine Ouvertüre zurück, die Sibelius für seine geplante aber nie vollendete Oper „Der Bootsbau" schrieb. Der erste Satz (Lemminkäinen und die Mädchen auf der Insel) fängt mit nebelhornartigen Signalen der Waldhörner an. Die Streicher imitieren dazu das Spiel der Wellen. Es handelt sich hier jedoch nicht um Programmmusik im engeren Sinne, es ist dennoch leicht, das tänzerische Thema der Holzblasinstrumente mit „den Mädchen der Insel“ zu assoziieren, ebenso die darauffolgende lange Melodie mit dem leidenschaftlichen Lemminkäinen zu verbinden. Der zweite Satz (Der Schwan von Tuonela) wirkt düster und verhangen, der sonore Klang des Englischhorns charakterisiert den Gesang des Schwans, der auf einem das Reich des Totengotts Tuoni begrenzenden Fluß seine Kreise zieht und die Seelen der Verstorbenen anlockt. Im dritten Satz (Lemminkäinen in Tuonela) wird Lemminkäinen von einem Hirten getötet und zerstückelt. Seine Mutter sammelt seine Überreste ein, setzt sie zusammen und erweckt ihn wieder zum Leben. Dies ist der opernhafteste Satz der Suite mit einer zuweilen infernalisch anmutenden Stimmung. Die Musik des vierten Satzes (Lemminkäinens Rückkehr) ist lebhaft und feurig. Lemminkäinen ist des Kämpfens müde und reitet in atemlosem Galopp heim zu seiner alten Mutter. Mit einer fast durchgehenden Sechzehntelbewegung wird die Ruhelosigkeit des Helden symbolisiert, der schließlich in einem triumphalen Finale die Heimat erreicht. Die Abfolge der vier Sätze der Lemminkäinen-Suite folgt nicht der Abfolge der Ereignisse im Kalevala. Es ist auch eher Zufall, dass die einzelnen Gedichte und ihre Abfolge in etwa den Sätzen einer Symphonie entsprechen: Lemminkäinen und die Mädchen auf der Insel einem Sonatenallegro, Der Schwan von Tuonela einem langsamen Satz, Lemminkäinen in Tuonela einem Scherzo und Lemminkäinens Rückkehr einem Rondo-Finale. Aber im Gegensatz zu den Sätzen einer Symphonie kann jeder von ihnen ohne die anderen gespielt werden.
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