Pandemien verhindern und wirksam vorbeugen
Plötzlich war alles anders: der Alltag eingeschränkt, das Gesundheitssystem überlastet, die Wirtschaft stockend und Millionen Menschen innerhalb kurzer Zeit erkrankt. Schuld war ein Erreger, der ursprünglich von Wildtieren stammt – eine Zoonose, wie Fachleute sagen. „COVID-19 hat gezeigt, wie dringend es ist, nachhaltige Strategien zur Pandemievorsorge und -prävention zu entwickeln", sagt Professor Dr. Joacim Rocklöv vom Heidelberger Institute for Global Health am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) und Interdisciplinary Centre for Scientific Computing (IWR) der Universität Heidelberg. Der Experte für Infektionsepidemiologie und Modellierung leitet das Projekt „Preventing pandemic risk by improving pandemic literacy among communities at the frontline of disease emergence in Southeast Asia", kurz PANDA. Die Forschungsarbeit wird von der Volkswagen Stiftung mit knapp 1,5 Millionen Euro über einen Zeitraum von vier Jahren gefördert. In Gemeinden entlang der nördlichen thailändisch-laotischen Grenze, einem Hotspot-Gebiet für das Auftreten von Zoonosen, wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Übergang von Krankheitserregern von Tieren auf den Menschen untersuchen und Präventionsmaßnahmen entwickeln und testen.
Fachleute sind sich einig, dass Zoonosen jederzeit das Potenzial haben, Pandemien auszulösen und damit die globale Gesundheit sowie Wirtschaft zu bedrohen. „Die derzeitigen Ansätze, die den Ursprung solcher vom Tier übertragenen Infektionskrankheiten erforschen, können die Mechanismen der Erregerübertragung nicht umfassend darstellen. Dies ist aber notwendig, um wirksame und nachhaltige Strategien zur Prävention zu entwickeln", erklärt der Humboldt-Professor Rocklöv.
Im Fokus stehen Regionen an der thailändisch-laotischen Grenze, weil dort Übertragungen von Erreger vom Tier auf den Menschen regelmäßig stattfinden. Das liegt unter anderem daran, dass die wachsende Weltbevölkerung neue Siedlungsgebiete und landwirtschaftliche Nutzflächen erschließt, etwa durch das Abholzen von Urwäldern. Auf diese Weise verschwinden die natürlichen Barrieren, wodurch die Interaktionen zwischen Wildtiere und Menschen zunehmen. In vielen Regionen der Erde verwerten die Menschen außerdem jegliche Proteinnahrung, weshalb häufig das Fleisch von exotischen Tieren auf dem Speiseplan steht.
Die Untersuchungen in Thailand und Laos führt ein Forscherteam der Universitäten beider Länder durch. In ausgewählten Dörfern werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die virologischen und ökologischen Zusammenhänge ebenso wie die gesellschaftlichen Faktoren studieren. Das Heidelberger Team um Prof. Rocklöv koordiniert das Projekt, plant Studien, wertet Daten aus und leitet Präventionsstrategien ab.
Was erhöht die Gefahr für eine Virenübertragung von Tier zu Menschen?
Die Forschenden wollen unter anderem von Wildtieren als potenziellen Virusträgern Abstriche und Blutproben entnehmen. Mit gentechnischen Methoden sollen diejenigen Erreger identifiziert werden, die in den tierischen Wirten und deren Gewebe vorkommen und für den Mensch durch Verzehr des Fleisches dieser Tiere gefährlich werden könnten. Daneben sucht das Projekt nach Antworten auf folgende Fragen: Wie wirkt sich die intensive Landnutzung durch den Menschen auf die Wildtiere aus? Welches Verhalten der dort lebenden Menschen begünstigt zoonotische Infektionen? Wo und wie kommt es zu Übertragungen?
Um mehr über Risikoverhalten herauszufinden, werden Interviews und Beobachtungsstudien durchgeführt. „Damit möchten wir besser verstehen, was die Menschen vor Ort über Ansteckungsrisiken wissen beziehungsweise nicht wissen und wie kulturelle Faktoren ihr Verhalten beeinflussen", erklärt Dr. Marina Treskova Epidemiologin und Ko-Leiterin von PANDA. „Sämtliche Informationen über mögliche tierische Wirte, die hochgefährliche Viren beherbergen, und die Ergebnisse der Interviews und Beobachtungsstudien werden in die Entwicklung und Durchführung einer Maßnahme zur Pandemievorbereitung und -prävention einfließen. PANDA wird die Umsetzung und Wirksamkeit dieser Maßnahme bewerten", erklärt Professor Till Bärnighausen, Direktor des Heidelberg Institute of Global Health und ebenfalls PANDA-Projektleiter. „Unser Ziel sind nachhaltige Strategien auf Basis all dieser Erkenntnisse, die sich auch über die lokalen Gemeinschaften hinaus anwenden lassen."
Weitere Informationen im Internet
Profilbereich gesellschaftliche Transformationen der Volkswagenstiftung
Heidelberg Institute of Global Health
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für Patientinnen und Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 14.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit rund 2.500 Betten werden jährlich circa 86.000 Patientinnen und Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.100.000 Patientinnen und Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Deutschen Krebshilfe (DKH) hat das UKHD das erste Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) in Heidelberg etabliert. Ziel ist die Versorgung auf höchstem Niveau als onkologisches Spitzenzentrum und der schnelle Transfer vielversprechender Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik. Zudem betreibt das UKHD gemeinsam mit dem DKFZ und der Universität Heidelberg das Hopp Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), ein deutschlandweit einzigartiges Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) rund 4.000 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion. www.klinikum.uni-heidelberg.de
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
69120 Heidelberg
Telefon: +49 (6221) 56-5052
Telefax: +49 (6221) 56-5999
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de
Komm. Pressesprecherin
Telefon: +49 (6221) 56-7071
Fax: +49 (6221) 56-4544
E-Mail: julia.bird@med.uni-heidelberg.de
Alexander von Humboldt Professor Heidelberg Institute of Global Health (HIGH), Universitätsklinikum
E-Mail: joacim.rockloev@uni-heidelberg.de