Wie der aktuelle Geburteneinbruch die Bildungskrise verschärft
Der Negativtrend hat sich im 1. Quartal 2023 fortgesetzt. Wie die Statistiker darstellen, lag die Geburtenzahl noch um 4,8 Prozent niedriger als im 1. Quartal 2022. Im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2019 bis 2021 ist das ein Rückgang um etwa elf Prozent, im Vergleich zum Jahr 2021 sogar von 15 Prozent (2). Das lässt keinen direkten Schluss auf das gesamte Jahr 2023 zu. Wie das Statistische Bundesamt detailliert darstellt, entwickelt sich die Geburtenzahl des Gesamtjahres aber immer recht ähnlich zu der im 1. Quartal (3).
In Ostdeutschland ist der Geburtenrückgang deutlich stärker als in Westdeutschland. Dies hat mit dem Geburteneinbruch in den neuen Ländern („Wendeschock“) in den 1990er Jahren zu tun. Dadurch fehlen jetzt (potenzielle) Mütter. Der Geburtenrückgang insgesamt lässt sich so aber nicht erklären. Denn kurzfristig ist 2022 die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter durch die Fluchtbewegung aus der Ukraine sogar gestiegen.
Es gibt einen klaren Geburtenrückgang, bedingt durch verändertes Verhalten. Das Statistische Bundesamt, sonst zurückhaltend in der Interpretation seiner Zahlen, vermerkt, dass sich die „Verunsicherung der Bevölkerung durch zahlreiche Krisen“ negativ ausgewirkt haben könnte (4). Die Krise ist in den Kreißsälen angekommen, wie bereits der Mai-Newsletter darlegte. Das ist kaum überraschend, schließlich leiden junge Paare und Familien besonders unter der Inflation (vor allem der Lebensmittelpreise), der Wohnungsmarktmisere und den Engpässen in der Kinderbetreuung und der Gesundheitsversorgung.
In dieser Krise könnten nicht wenige Verwaltungsplaner über rückläufige Geburtenzahlen erleichtert sein. Überall fehlt es an Personal für die Kinder, in Kitas, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen. So manch ein Planer oder Finanzdezernent könnte darauf spekulieren, dass der Geburtenrückgang die Lage entspannt. Aber das wäre illusionär. Der Bedarf an Lehrern, Erziehern, Sozialarbeitern, Therapeuten etc. wird weiterwachsen, weil es immer mehr Kinder mit speziellen Betreuungs-, Förder- und Behandlungsbedarfen gibt. Verhaltensauffälligkeiten sowie motorische, kognitive und andere Defizite werden immer häufiger. Die Gründe dafür sind komplex. Elektronische Medien spielen eine Rolle. Auch hat die Schließung von Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen in der Corona-Pandemie Defizite verschärft. Nicht zuletzt ist es ein Problem, dass immer weniger Kinder Deutsch als Muttersprache sprechen (5).
Das hat demografische Gründe, die über die eigentliche Zuwanderung hinausgehen: Zuwandererinnen sind seltener kinderlos und häufiger kinderreich als Frauen, die in Deutschland geboren bzw. aufgewachsen sind. Zuwandererinnen mit niedrigem Bildungsstand haben (in den Geburtsjahrgängen 1973-1977) durchschnittlich 2,4 Kindern pro Frau; Zuwandererinnen insgesamt zwei Kinder. Lediglich 1,5 Kinder haben die in Deutschland geborenen bzw. bis zum Alter von 15 Jahren zugewanderten Frauen (6).
Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund wird also weiterwachsen. Aufgrund der höheren Fertilität der Zuwandererinnen würde er selbst dann wachsen, wenn es keine weitere Zuwanderung mehr gäbe. Es ist daher unausweichlich, dass der Anteil der Kinder nichtdeutscher Muttersprache steigt. Damit verbunden wächst der Anteil von Eltern, die sich mit der deutschen Sprache schwertun und ihren Kindern in der Bildung kaum weiterhelfen können.
Mit dem Geburtenrückgang (und fortgesetzter Zuwanderung) wird sich so die Krise des Bildungssystems verschärfen. Auch wird sich der „Fachkräftemangel“ zuspitzen, den die Regierung durch noch mehr Zuwanderung bekämpfen will. Das ist so, als ob Schreibtischoffiziere von einer Reservearmee träumten, obwohl ihnen die Ausbilder für die Rekruten fehlen. Denn auch die Ausbilder müssten erst einmal geboren und erzogen worden sein.
(1) https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/06/PD23_227_12.html
(2) Siehe hierzu Abbildung unten „Geburtenrückgang im ersten Quartal 2022/2023 im Vergleich zu Vorjahren“
(3) https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/06/PD23_227_12.html
(4) Ebenda, Abbildung „Entwicklung der Geburten im 1. Quartal im Vergleich zu Geburten im Kalenderjahr“
(5) Die Berichte hierzu sind zahllos, hierzu wenige Beispiele aus jüngster Zeit:
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/ludwigshafen/hintergrund-graefenauschule-100.html
Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.
Neckarstr. 13
53757 Sankt Augustin
Telefon: +49 (160) 95791098
http://www.i-daf.org