Verkehrswende mit Investitionen in die Infrastruktur der Kommunen vorantreiben
Die notwendige Verkehrswende stellt Kommunen vor eine doppelte Herausforderung: Um Treibhausgasemissionen substanziell zu senken, muss eine Transformation zu einem nachhaltigen Verkehrssystem vollzogen werden. Gleichzeitig gilt es, ein funktionierendes und leistungsfähiges Straßen- und Schienennetz vorzuhalten. Die im laufenden Jahrzehnt ohnehin anstehenden hohen kommunalen Investitionen eröffnen die Möglichkeit, durch veränderte Schwerpunktsetzungen bestehende Abhängigkeiten zu lösen. Denn nach Schätzungen des Difu beträgt der Investitionsbedarf für den Erhalt und die Erweiterung von Schienennetzen, Straßen und Wegen in deutschen Städten, Landkreisen und Gemeinden bis 2030 voraussichtlich rund 372 Mrd. Euro.
Ein effektives Verkehrswegenetz ist eine zentrale Voraussetzung für das Funktionieren von Gesellschaft und Wirtschaft. Der heutige motorisierte Individual- und Güterverkehr verursacht jedoch rund ein Fünftel der durch Deutschland verursachten Treibhausgasemissionen. In der Vergangenheit wurden hier keine Einsparungen erzielt, obwohl das Klimaschutzgesetz signifikante Einsparungen zwingend vorsieht.
Als Baulastträger stehen die Kommunen vor der großen Herausforderung, eine gut funktionierende Infrastruktur zu gewährleisten und gleichzeitig den Wandel zu einem nachhaltigen Verkehrssystem voranzutreiben. Angesichts des Umfangs der Aufgaben wird klar: Ohne eine kluge, zielgerichtete Priorisierung von Maßnahmen sowie ohne die Unterstützung der jeweiligen Länder und des Bundes wird es nicht gehen.
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) hat eine Studie erarbeitet, die einen bisher einzigartigen Blick auf die Verkehrsnetze der Kommunen in Deutschland ermöglicht. Die Untersuchung „Investitionsbedarfe für ein nachhaltiges Verkehrssystem“ wurde im Auftrag des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, des Verbands der Deutschen Verkehrsunternehmen und des ADAC durchgeführt. Auf der Grundlage dieser Erhebung wurden Umfang, Zustand und die bis 2030 zu erwartenden Investitionsbedarfe ermittelt.
Die Auswertungen ergaben für die Straßen in den Kommunen eine Länge von knapp 714.000 km. Die Länge der Straßenbrücken in Kommunen beträgt rund 3.600 km und die der kommunalen Straßentunnel knapp 1.400 km. Die Länge der U-Bahn-Gleise beträgt rund 900 km und die der Straßenbahnen 6.320 km, davon verlaufen 451 km Gleise unterirdisch.
Mit Blick auf den baulichen Zustand bewerten die Kommunen immerhin ein Drittel ihrer bestehenden Streckennetze für alle Verkehrsträger mindestens mit „gut“. Allerdings weist ebenfalls ein Drittel der Straßen größere Mängel auf. Fast jede zweite Straßenbrücke in den Kommunen ist in keinem guten Zustand.
Auch bei den ÖPNV-Netzen verursacht der schlechte Zustand von 15 Prozent der Strecken Handlunsgsbedarf. Allerdings sind zumindest die ÖPNV-Brücken und -Tunnel im Vergleich besser erhalten. Etwa zwei Drittel davon sind neuwertig oder in einem guten Zustand.
Für alle untersuchten Infrastrukturbereiche zusammen ermittelte das Difu bis zum Jahr 2030 Investitionsbedarfe von insgesamt rund 372 Mrd. Euro. Dabei entfällt der mit rund 283 Mrd. Euro deutlich größte Teil auf den Nachhol- und Ersatzbedarf bei der Straßenverkehrsinfrastruktur der Kommunen.
Bei der ÖPNV-Infrastruktur lässt sich der Nachhol- und Ersatzbedarf bis zum Jahr 2030 auf 64 Mrd. Euro beziffern. Der größte Teil der voraussichtlich erforderlichen Investitionen entfällt auf U-Bahn- sowie Stadt-/Straßenbahnstrecken in Tunnellage.
Für die Erweiterung der Straßen- und ÖPNV-Infrastruktur – insbesondere bei wachsenden Städten – ergibt die Difu-Modellschätzung einen Bedarf von rund 25 Mrd. Euro. Mit Blick auf die Notwendigkeit der Entwicklung eines nachhaltigen Verkehrssystems wird hierbei insbesondere die Erweiterung der ÖPNV-Infrastruktur zusätzliche Relevanz gewinnen.
Um weitere Anforderungen des notwendigen Umbaus zu einem nachhaltigen Verkehrssystem zu berücksichtigen, wurden im Rahmen der Studie zentrale Elemente einer nachhaltigen Mobilität identifiziert: der Ausbau des ÖPNV, die Schaffung von Mobilitätsstationen mit Sharingangeboten, digitale Informationssysteme und sichere Stellplätze für Fahrräder sowie die Elektrifizierung des Verkehrs – insbesondere durch den Ausbau öffentlicher Ladeinfrastruktur. Insgesamt werden hierfür bis 2030 – abhängig von der konkreten Ausgestaltung – zusätzliche Investitionen im Umfang von rund 39 bis 63 Mrd. Euro zur Realisierung der Verkehrswende geschätzt. Gleichzeitig könnten – bei einer konsequenten Umsetzung der Verkehrswende – Einsparungen bei Straßen und Stellplätzen (Ersatz, Erweiterung, Unterhalt) in Höhe von rund 21 bis 63 Mrd. Euro realisiert werden.
Vor dem Hintergrund der im laufenden Jahrzehnt ohnehin anstehenden Investitionen muss die Verkehrswende die Kommunen nicht zusätzlich finanziell belasten. Voraussetzung dafür ist der Mitteleinsatz hin zu einem neu ausgerichteten, nachhaltigen Verkehrssystem.
Methodische Grundlagen der Schätzung:
Erstmals wurde die Länge des Straßennetzes, inkl. Fuß- und Radwege und auch der ÖPNV-Netze in den Kommunen systematisch durch die Auswertung von GIS-Daten ermittelt. Darüber hinaus wurden der bauliche Zustand dieser Verkehrsinfrastrukturen durch eine Befragung von Kommunen erfasst und die sich daraus ergebenden Nachhol-, Ersatz- und Erweiterungsbedarfe für den Erhalt der vorhandenen Infrastrukturausstattung abgeschätzt. Für die Schätzung hat das Difu eine Methodik entwickelt, die insbesondere das Alter und den Zustand der vorhandenen Infrastruktur berücksichtigt. Mit Blick auf die notwendige Verkehrswende wurde auch der bis 2030 zu erwartende Umbaubedarf auf Basis vorliegender Schätzungen und Projektionen abgeleitet und an einem Referenzszenario gespiegelt, das einer Fortschreibung des Status quo ohne besondere transformative Elemente entspricht.
Die Rücklaufquote der Kommunalumfrage weist eine relativ gleichmäßige Verteilung über sämtliche kommunale Größenklassen und Regionen in Deutschland auf. So standen für alle Regionen und Einwohnergrößenklassen Nettostichproben zur Verfügung, die valide statistische Auswertungen und Hochrechnungen erlaubt haben.
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) ist als größtes Stadtforschungsinstitut im deutschsprachigen Raum die Forschungs-, Fortbildungs- und Informationseinrichtung für Städte, Kommunalverbände und Planungsgemeinschaften. Ob Stadt- und Regionalentwicklung, kommunale Wirtschaft, Städtebau, soziale Themen, Umwelt, Verkehr, Kultur, Recht, Verwaltungsthemen oder Kommunalfinanzen: Das 1973 gegründete unabhängige Berliner Institut – mit einem weiteren Standort in Köln – bearbeitet ein umfangreiches Themenspektrum und beschäftigt sich auf wissenschaftlicher Ebene praxisnah mit allen Aufgaben, die Kommunen heute und in Zukunft zu bewältigen haben. Der Verein für Kommunalwissenschaften e.V. ist alleiniger Gesellschafter des in der Form einer gemeinnützigen GmbH geführten Forschungsinstituts.
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