Bildung & Karriere

Auszubildende und Betriebe stärker vernetzen

Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung sind gefragter denn je. Gleichzeitig werden Ausbildungen aber immer häufiger abgebrochen, nicht wenige sogar noch vor dem ersten Arbeitstag. Dem möchten die Mitglieder des Vereins „WiLink – digitale Plattform für Berufsorientierung“ entgegenwirken: In einem von der Klaus Tschira Stiftung ermöglichten Projekt schaffen sie eine Onlineplattform für die Kommunikation zwischen Betrieben und angehenden Auszubildenden. So können Unsicherheiten auf beiden Seiten abgebaut und die Abbruchquote reduziert werden. Wie genau dieses Ziel erreicht werden soll, erklärt Johannes Kellner im Interview. Er ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Vereins und betreut unter anderem das Entwicklungsteam.

Wie ist der Verein WiLink entstanden?

Wir haben uns im Sommer 2021 aus der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt heraus gegründet. Während meines Masterstudiums sind wir dort in einem Forschungsseminar von Professor André Habisch, inzwischen Vorstandvorsitzender des Vereins, zusammengekommen. Ziel war es, etwas im Bereich Berufsorientierung entstehen zu lassen, was auch nach dem Semester und für die Welt außerhalb der Universität einen Nutzen stiftet. Wir luden Expertinnen und Experten aus Schulen, Wirtschafts- und Ausbildungsbetrieben sowie Handelskammern ein, um ein Gefühl für die Nöte bei der Berufsorientierung zu bekommen. Dabei stellte sich heraus, dass es bereits einige Angebote und engagierte Akteure im Bereich Berufsorientierung gibt. Im Prinzip würde es also am meisten helfen, wenn man diese vernetzen würde. Die Lehrkräfte, die mit den Azubis unmittelbar zusammentreffen, müssen einen guten Zugang zu diesen Angeboten haben, um im Schulbetrieb darauf zurückgreifen zu können. Durch einen direkten Kontakt zu den Ausbildungsbetrieben, so die Idee, würden die Lehrkräfte außerdem erfahren, wo auf der anderen Seite Bedarf besteht. So ist das Konzept für die WiLink-Plattform entstanden: Eine Onlineplattform, auf der alle Akteurinnen und Akteure eingeladen sind, ihre Angebote zu teilen und sich miteinander zu vernetzen. Der erste Prototyp wurde bereits in München mit sechs Schulen getestet und diskutiert. Außerdem waren rund 50 Betriebe sowie weitere Institutionen wie Handelskammern und die Agentur für Arbeit involviert. Basierend auf deren Feedback entwickeln wir die Plattform laufend weiter.

Wie sieht die bestehende Onlineplattform aus?

Der bisherige Prototyp ist eine „Progressive Web App“ und ist daher vollständig über den Browser bedienbar. Hier haben wir drei Nutzergruppen:

  1. Schulen mit den Lehrkräften, die zusammen mit den Schülerinnen und Schülern Berufsorientierung machen; dazu gehören auch Vertrauens- und Kontaktlehrkräfte sowie Schulsozialarbeitende.
  2. Ausbildungsbetriebe auf der Suche nach Auszubildenden sowie Praktikantinnen und Praktikanten.
  3. Alle Akteure, die etwas im Bereich Berufsorientierung zur Verfügung stellen wollen, darunter die Agentur für Arbeit, Handwerkskammern, private Anbieter, aber auch die Ausbildungsbetriebe selbst. Das können beispielsweise Vorträge, Betriebsführungen oder Kontaktmessen sein.

In unserem neuen Projekt wollen wir für die bestehende Onlineplattform ein Format entwickeln, mit dem wir auch auf die Schülerinnen und Schüler eingehen können.

Was ist das Ziel des bewilligten Förderprojektes?

Viele angehende Azubis springen in der Periode zwischen Unterzeichnung des Ausbildungsvertrags und Ausbildungsbeginn ab. Das stellten wir im Rahmen einer Masterarbeit fest. Sie kriegen kalte Füße oder können sich unter der Ausbildung nichts vorstellen. Entweder sie tauchen am ersten Ausbildungstag gar nicht erst auf oder sie stellen nach wenigen Tagen oder Wochen fest, dass es nicht das ist, was sie erwartet haben und brechen die Ausbildung ab. Die Abbruchquote liegt bei etwa einem Viertel.

Das Nichterscheinen von Auszubildenden zu kompensieren, ist gerade für kleine Handwerksbetriebe schwer. Deshalb wollen wir diese Quote verringern, indem wir in die bestehende Onlineplattform ein zusätzliches Format integrieren. Sie soll den Betrieben ermöglichen, mit den Azubis während und insbesondere vor Beginn der Ausbildung so zu kommunizieren, dass sie sich willkommen fühlen, sie vielleicht auch eine Beziehung zu ihrem zukünftigen Team aufbauen können und ihre Sorgen sowie Ängste aus dem Weg geräumt werden.

Was soll das neue Format leisten?

Mit dem neuen Format wollen wir Ausbildungsbetriebe und angehende Azubis enger vernetzen. Es soll ab dem Zeitpunkt unterstützen, an dem sich beide Parteien bereits gefunden haben und einen Ausbildungsvertrag aufsetzen. Sowohl für den Azubi als auch für den Ausbildungsbetrieb möchten wir einen möglichst intuitiven Kommunikationskanal schaffen, der sich an bereits bekannter Software orientiert, beispielsweise WhatsApp oder Instagram für die Auszubildenden. So wollen wir sicherstellen, dass sich beide Seiten nicht erst in eine neue Software einarbeiten müssen.

Was begeistert Sie an der Projektidee?

Dass wir an etwas arbeiten, das Menschen wirklich weiterbringt. Wir helfen angehenden Azubis dabei, gut in ihren neuen Lebensabschnitt zu starten und können dafür sorgen, dass sie sich in den Betrieben von Anfang an wohl fühlen. Gleichzeitig helfen wir aber auch den Unternehmen, gerade kleinen und mittelständischen, die in der heutigen Zeit ohnehin Schwierigkeiten haben, Auszubildende zu finden. Dass wir das mit relativ einfachen Methoden erreichen können, finde ich toll. Zusätzlich motiviert der fortwährende Austausch mit den Zielgruppen. Wir bekommen direkte Rückmeldungen und können uns so am Ende sicher sein, dass das Ergebnis tatsächlich auch weiterhilft.

Können Sie an einem konkreten Beispiel erklären, wie Ihr Projekt angehende Azubis unterstützt?

Alois ist in der 9. Klasse einer Mittelschule und macht bald seinen Abschluss. Er hat schon mehrere Praktika im Handwerk absolviert und dabei gemerkt, dass er grundsätzlich geschickt ist und lieber mit Holz arbeitet als beispielsweise mit Metall. Schreiner ist deshalb der Beruf, den er gerne lernen würde. In einem seiner Praktika hat er auch bereits einen Ausbildungsbetrieb gefunden: Schreinerei Müller. Herr Müller ist begeistert von Alois und hält ihn für den richtigen Kandidaten für seine Azubi-Stelle. Deshalb setzen sie im Frühjahr einen Ausbildungsvertrag auf und unterschreiben ihn. Die Schule ist zu dem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, der Ausbildungsbeginn ist noch Monate entfernt. Unter normalen Umständen hätte Alois Herrn Müller und seine Schreinerei wieder ein bisschen vergessen, aber Herr Müller hat unsere Plattform: AzubiPro. Zwar ist er schon knapp 60 Jahre alt und hat mit den neuen Kommunikations-Apps nichts am Hut, aber AzubiPro kann er ohne Probleme bedienen und nutzt es, um Alois zu kontaktieren und ihm wichtige Hinweise zu geben. So schreibt er ihm, dass er noch Alois‘ Sozialversicherungsnummer benötigt. Dabei erklärt er ihm auch, was das überhaupt ist und wo er sie findet. Hier unterstützt die Plattform auch Herrn Müller, indem es ihn regelmäßig an solche Formalia erinnert. Auch Alois bekommt kein neues Kommunikationsformat aufgezwängt. Nach Möglichkeit erhält er die Nachricht zur Sozialversicherungsnummer beispielsweise direkt über WhatsApp auf sein Handy.

Zwei Wochen später empfängt er wieder eine Nachricht mit einem Video, in dem die andere Azubi Paula sich vorstellt und ihre Freude über Alois Ausbildungsstart ausdrückt. Vier Wochen vergehen und Alois erhält erneut eine Nachricht: Wieder ist es ein kleines Video. Diesmal geht Herr Müller durch die Werkstatt und stellt ein paar wichtige Werkzeuge wie den Hobel schon mal vor. Bald ist die Übergangszeit vorüber und Alois fängt schließlich seine Ausbildung an. Zu dem Zeitpunkt ist er bereits kein Fremder mehr im Betrieb, seine Kolleginnen und Kollegen kennt er bereits. Herr Müller hingegen konnte sich sicher sein, dass Alois am ersten Ausbildungstag auch erscheint. Andernfalls hätte er das an ausbleibenden Rückmeldungen bemerkt und entsprechend reagieren können.

Über Klaus Tschira Stiftung gGmbH

Die Klaus Tschira Stiftung (KTS) fördert Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik und möchte zur Wertschätzung dieser Fächer beitragen. Sie wurde 1995 von dem Physiker und SAP-Mitgründer Klaus Tschira (1940–2015) mit privaten Mitteln ins Leben gerufen. Ihre drei Förderschwerpunkte sind: Bildung, Forschung und Wissenschaftskommunikation. Das bundesweite Engagement beginnt im Kindergarten und setzt sich in Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen fort. Die Stiftung setzt sich für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ein. Weitere Informationen unter: www.klaus-tschira-stiftung.de.

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Ansprechpartner:
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Telefon: +49 (176) 52179806
E-Mail: johannes.kellner@wilink.de
Kevin Pierre Hoffmann
Volontär Kommunikation
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E-Mail: kevin.hoffmann@klaus-tschira-stiftung.de
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