Bauen & Wohnen

IVD Institut analysiert Entwicklung der Baugenehmigungen in allen bayerischen Regierungsbezirken sowie Stadt- und Landkreisen

Im Landkreis München im ersten Halbjahr 2023 -53 % weniger genehmigte Wohnungen als im 5-Jahres-Mittel, größte Rückgänge mit -90 % bzw. mit -75 % in Landkreisen Neustadt Aisch-Bad Windsheim und Kronach

„Der Bedarf an neuem Wohnraum ist gerade in den prosperierenden Regionen in Bayern ungebrochen hoch und wird in den kommenden Jahren mit steigenden Einwohnerzahlen und tendenziell immer mehr Einpersonenhaushalten weiterwachsen,“ erklärt Prof. Stephan Kippes, Leiter des IVD-Marktforschungsinstituts. „Die in den vergangenen Monaten erteilten Baugenehmigungszahlen hingegen lassen erahnen, dass mittelfristig deutlich zu wenige neue Wohneinheiten entstehen werden. Der ohnehin hohe Nachfrage- und Preisdruck an den Mietmärkten wird somit weiter angetrieben.“

Redaktioneller Hinweis: Das IVD Institut hat diese Analyse für alle bayerischen Stadt- und Landkreise durchgeführt. Im Anhang finden Sie zwei Listen mit allen bayerischen Stadt- und Landkreisen – sowohl in regionaler Sortierung als auch sortiert nach den höchsten Abschlägen.

Zwischen Januar und Juni 2023 wurden in allen sieben bayerischen Regierungsbezirken spürbar weniger Wohneinheiten in neuen Wohngebäuden zum Bau freigegeben als im 5-Jahres-Mittel der vorangegangenen Halbjahre (2018 – 2022). Besonders hoch fielen die Abschläge in Unterfranken aus (-46,4 %), gefolgt von Niederbayern (-37,4 %) und Oberfranken (-34,4 %). Einzig in Mittelfranken lag der Rückgang mit -8,8 % „nur“ im oberen einstelligen Prozentbereich. Im bevölkerungsreichsten Regierungsbezirk Oberbayern, traditionell der Hotspot mit dem größten Bedarf nach neuen Wohnungen, wurden -20,3 % weniger Wohneinheiten genehmigt als im entsprechenden Vergleichszeitraum. Im gesamten Freistaat steht ein Minus von 24,2 % zu Buche.

Von den insgesamt 96 bayerischen Stadt- und Landkreisen wiesen 79 im ersten Halbjahr 2023 eine niedrigere Anzahl an genehmigten Wohnungen auf als im 5-Jahres-Mittel der vorangegangenen Halbjahre (2018 – 2022), in den restlichen 17 Städten/Regionen konnten Anstiege beobachtet werden.

Im Landkreis Neustadt a.d.Aisch-Bad Windsheim wurden die größten Abschläge gemessen (-89,5 %), gefolgt vom Landkreis Kronach (-74,9 %) sowie der Stadt Weiden i.d.OPf. (72,1 %). Auch im einwohnerstärksten bayerischen Landkreis, dem Landkreis München, lag der Rückgang bei deutlichen -52,7 %. Zu den stärksten Zuwächsen kam es in den beiden Städten Erlangen (+143,3 %) und Ansbach (+135,2 %) sowie im Landkreis Ebersberg (+71,2 %).

Auch in der bayerischen Landeshauptstadt München wurden in den ersten sechs Monaten 2023 deutlich weniger Wohnungen zum Bau freigegeben als im 5-Jahres-Mittel der vorherigen Halbjahre (-25,3 %). In den beiden anderen bayerischen Metropolen Nürnberg (+44,3 %) und Augsburg (+36,4 %) entwickelten sich die Genehmigungszahlen gegenüber dem fünfjährigen Mittel hingegen positiv. Hier kam es jedoch im Vergleichszeitraum der vorangegangenen Halbjahre zu großen Schwankungen mit teils äußerst schwachen Werten.

Insgesamt gilt: Je kleiner der betrachtete Markt, desto höher können die Schwankungen bei den Werten im Zeitverlauf ausfallen. Einzelne größere Bauprojekte können die Halbjahreszahlen spürbar beeinflussen, so dass die Anzahl der genehmigten Wohnungen im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zu den vorherigen Halbjahren vereinzelt auch höher liegt. Auf Regierungsbezirksebene, also auf einer relativ großen räumlichen Ebene basierend, sind die deutlich abflauenden Genehmigungszahlen wie beschrieben in allen sieben bayerischen Regierungsbezirken sichtbar.

Gründe für die derzeit starke Zurückhaltung von Bauträgern sind insbesondere die stark angewachsenen Zinsen, strenge Kriterien bei der Kreditvergabe, eine noch immer hohe Inflation, schwer kalkulierbare Projektkosten sowie hohe Anforderungen im Neubau. Es lässt sich bei Neubauvorhaben nur schwer abschätzen, welchen Kaufpreis der Markt bei Fertigstellung einer Immobilie bereit ist zu zahlen. Sind die Genehmigungszahlen ohnehin spürbar zu schwach, so werden zusätzlich immer häufiger bereits genehmigte Projekte zurückgestellt bzw. gestoppt. „Unsicherheiten u.a. in Bezug auf die Zinsentwicklung in den kommenden Monaten, werden den Wohnungsbau im Freistaat zumindest mittelfristig weiter abbremsen,“ befürchtet Prof. Stephan Kippes.

Positiv zu beurteilen ist, dass angesichts der eingebrochenen Neubautätigkeit seitens der Bundesregierung darüber nachgedacht wird, die degressive Abschreibung wieder einzuführen. Diese erlaubt es Investoren, sich durch eine höhere Abschreibung in den Anfangsjahren schneller zu refinanzieren. Negativ bei der angedachten Regelung ist allerdings, dass Eigennutzer hierbei ausgenommen werden sollen. Gerade diese tragen in erheblichem Umfang zur Bautätigkeit bei und leiden ebenso unter den gestiegenen Zinsen. Wenn man die Bautätigkeit spürbar ankurbeln will, sollte man daher auch Eigennutzer mit der degressiven Abschreibung unterstützen.

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