Datenschützer plädieren für Datenteilen
Geteiltes Glück ist doppeltes Glück, sagt der Volksmund. Auch für Daten lässt sich diese Formel ableiten: Wissen, Nutzen und Wertschöpfung multiplizieren sich, wenn Informationen geteilt werden. Doch die Glücksformel beim Data Sharing bedarf der Regeln und Regulierung, damit am Ende alle profitieren und nicht nur einige wenige. Hierfür Lösungswege aufzuzeigen, war das Ziel der Jahreskonferenz der Plattform Privatheit zum Thema: Data Sharing – Datenkapitalismus by Default?
Mario Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, machte in seiner Begrüßungsrede zur Eröffnung der Konferenz deutlich, dass das Teilen von Daten ein wesentlicher Treiber für Fortschritt und Innovation sei: “Im Gesundheitssektor können wir dank Data Sharing wirksame Diagnoseverfahren entwickeln und die Versorgung verbessern.“ Auch die Energiewende oder die Entwicklung Künstlicher Intelligenz könne durch Data Sharing beflügelt werden. “Unstrittig ist aber, dass viele Daten schützenswert sind. Daher ist es wichtig, Innovation, Fortschritt und Geschäftsmodelle zu ermöglichen, ohne die individuelle Freiheit und das Recht auf Privatheit einzuschränken“, so Brandenburg.
Ein legitimes Verarbeitungsinteresse besteht nur an probaten Daten
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Prof. Ulrich Kelber plädierte in seiner Keynote für einen wertebasierten und menschenzentrierten Rechtsrahmen für das Datenteilen. Deshalb sei es notwendig, “Aspekte der Datenökonomie und des Datenkosmos nicht allein marktwirtschaftlich, sondern auch sozial-, grundrechts- und demokratieorientiert zu denken“, so Kelber. Er betonte, dass “das Teilen von Daten wirtschaftlich, gesellschaftlich und entwicklungszivilisatorisch erhebliche Vorteile“ bringen könne. Der breite und wechselseitige Zugang zu Daten biete Transparenz und schaffe Kontrolle in Prozessen und gegenüber Akteuren. “Etwas, das wir Datenschützer uns immer wieder wünschen.“ Der zweite Vorteil im Teilen von Daten bestehe darin, gleiche Informationen nicht immer wieder neu erheben zu müssen. “Dies ist in gewisser Weise ein Beitrag zur Datensparsamkeit, jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung doppelter Datenerhebung und -haltung“, führte Kelber aus. Unbestreitbar sei auch, dass eine breite Datenbasis mit Zugriff auf umfassende Informationen verschiedener Quellen oft fundiertere Entscheidungen ermögliche. “Ein legitimes Verarbeitungsinteresse besteht dabei jedoch nur an probaten Daten, nicht aber an einer “willkürlichen Verarbeitung ‚ins Blaue‘ hinein“, so Kelber.
Paul Nemitz, Chefberater der Europäischen Kommission in der Generaldirektion für Justiz und Verbraucherschutz zeichnete in seiner Keynote zur praktischen Konkordanz und Kohärenz von Individualrechten und öffentlichem Interesse im EU-Recht der persönlichen Daten aus juristischer Perspektive nach, dass der Datenkapitalismus die Dynamik von Macht und Profit verstärke. Große Plattformen wie die Big Five Alphabet, Apple, Amazon, Meta und Microsoft würden immer ertrag- und einflussreicher und sähen den Menschen als reines Verarbeitungsobjekt für ihre wirtschaftlichen Interessen. Er plädierte für einen Weg der Datenverarbeitung mit europäischem Grundrechteschutz.
Auf ihrer Suche nach einem europäischen Weg im Umgang mit der Begrenzung des Datenkapitalismus stellte Astrid Mager, Senior Researcher an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in ihrer Keynote Europäische Suche? Vom Datenkapitalismus zur Suchmaschinen-Diversität heraus, dass mit der Gestaltung von europäischen Suchmaschinen unterschiedliche Werte und Vorstellungen von Europa verknüpft seien. Der Weg zu einem pluralistischen Europa mit technologischer Diversität ließe sich durch drei Aspekte ebnen: Aufbau von Finanzierungsstrukturen, kontinuierliche Auditierung der Governance von digitalen Technologien und die Schaffung von kollektiven Datenpools.
Gamification-Ansatz und anonymisierte Daten hilfreich bei zukünftigen Pandemien
Gleich mehrere Vorträge konzentrierten sich auf die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung und Entwicklung: Stefanie Brückner (TU Dresden) stellte die Entwicklung einer datenschutzkonformen Plattform, die Gesundheitsdaten aus Patientenakten mit denen aus Gesundheits- und Wellness-Apps verknüpfen wird, vor. Hierbei werden auch Open-Source-Module für die Einholung und Verwaltung von Einwilligungen entwickelt, die einer Einwilligungsmüdigkeit (consent fatigue) entgegenstehen sollen. Henrik Graßhoff (Uni Kassel) warf die Frage auf, welche datengestützten Instrumente für die Eindämmung zukünftiger Pandemien infrage kommen. Eine App mit Gamifaction-Ansatz (Simulationsspiel) zur Sammlung anonymisierter Daten könnte schon heute für zukünftige Pandemien hilfreich sein.
Über die “Plattform Privatheit“
In der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Plattform Privatheit untersuchen Expertinnen und Experten interdisziplinär, kritisch und unabhängig Fragestellungen zu Privatheit und Datenschutz in der digitalen Welt. Die Plattform Privatheit wird vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung und dem Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnik-Gestaltung an der Universität Kassel koordiniert. Weitere Informationen
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