Ukraine Support Tracker: Neue Hilfe fällt auf niedrigsten Stand seit Januar 2022
Im Zeitraum August bis Oktober 2023 ist ein deutliches Minus der Unterstützungszusagen im Vorjahresvergleich zu verzeichnen. Der Gesamtwert neuer Pakete belief sich auf nur 2,11 Mrd. Euro, was einem Rückgang von 87 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2022 und dem niedrigsten Betrag seit Januar 2022 entspricht (siehe Abbildung 1). Von den 42 erfassten Gebern haben nur 20 in den letzten drei Monaten neue Hilfspakete zugesagt, der geringste Anteil aktiver Geber seit Beginn des Krieges. Auch die Europäische Union und die USA haben kaum neue Zusagen gemacht.
„Unsere Zahlen bestätigen den Eindruck einer zögerlicheren Haltung der Unterstützer in den vergangenen Monaten. Die Ukraine ist zunehmend von einigen wenigen Kerngebern abhängig, die weiterhin umfangreiche Unterstützung leisten, wie Deutschland, die USA oder die nordischen Länder. Angesichts der Ungewissheit über weitere US-Hilfen kann die Ukraine nur hoffen, dass die EU endlich ihr seit langem angekündigtes 50-Milliarden-Euro-Hilfspaket verabschiedet. Eine weitere Verzögerung würde Putins Position deutlich stärken“, sagt Christoph Trebesch, Leiter des Teams, das den Ukraine Support Tracker erstellt, und Direktor eines Forschungszentrums am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel).
Das vorgeschlagene neue US-Hilfspaket wurde auf nächstes Jahr verschoben, und die Verabschiedung der EU-Fazilität für die Ukraine ist ins Stocken geraten. Die wichtigste verbleibende Gruppe aktiver Geber sind einzelne europäische Länder wie Deutschland, Finnland, Irland, Kroatien, Litauen, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden und die Schweiz sowie NATO-Staaten wie Kanada und Großbritannien. Darüber hinaus kann die Ukraine auf große, bereits zugesagte Mehrjahresprogramme zurückgreifen, die inzwischen den Großteil der tatsächlich geleisteten Hilfe ausmachen. So haben Dänemark, Deutschland und Norwegen in den letzten drei erfassten Monaten 1,2 Mrd. Euro, 1 Mrd. Euro bzw. 662 Mio. Euro an Militärhilfe im Rahmen ihrer bereits zugesagten Mehrjahresprogramme bereitgestellt.
Die Länder der Europäischen Union holen mit der zugesagten Militärhilfe weiter auf und haben die USA inzwischen überholt. Vor allem Deutschland und die nordischen Länder (Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland) haben in den vergangenen Monaten erhebliche neue Hilfen zugesagt. (Abbildung 2 zeigt die kumulierten Hilfszusagen für schwere Waffen für jeden Monat seit Januar 2022. Zu den schweren Waffen zählen insbesondere Artillerie, Kampfpanzer, Mehrfachraketenwerfer, Schützenpanzer, Luftverteidigungssysteme und Kampfflugzeuge).
Von den insgesamt 25 Mrd. Euro an Zusagen für schwere Waffen (Jan. 2022–Okt. 2023) entfallen 43 Prozent auf die USA und 47 Prozent auf alle EU-Länder und -Institutionen zusammen; der Rest kommt von verschiedenen anderen Gebern, insbesondere Großbritannien und Kanada. In den letzten drei erfassten Monaten (Aug., Sept., Okt.) haben die EU-Länder 780 Mio. Euro für schwere Waffen zugesagt, gegenüber 500 Mio. Euro von den USA. Neue Zusagen Deutschlands und der nordischen Länder seit August 2023 stützen diesen Trend, insbesondere durch neue Patriot- und IRIS-T-Flugabwehrsysteme aus Deutschland und 19 F-16-Kampfflugzeuge aus Dänemark als Teil einer gemeinsamen Luftwaffenkoalition mit den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich. Weitere Beispiele für die Zusammenarbeit im Rahmen der EU-Militärhilfe sind neue gemeinsame Beschaffungsvereinbarungen zwischen den Niederlanden, Dänemark und der Tschechischen Republik über die Lieferung von 15 modernisierten Kampfpanzern des Typs T-72EA an die Ukraine sowie eine Reihe gemeinsamer Beschaffungsprogramme der nordischen Länder zur Beschaffung von 155-mm-Munition.
„Generell beobachten wir eine weitere Verschiebung hin zur Militärhilfe, vor allem in der bilateralen Unterstützung“, so Trebesch. Unter den zehn größten Geberländern macht die Militärhilfe inzwischen 58 Prozent der gesamten Hilfe aus (Stand: 31. Oktober). Größter Geber von Militärhilfe sind nach wie vor die USA mit einem Gesamtvolumen von 44 Mrd. Euro. Deutschland holt jedoch mit militärischen Zusagen in Höhe von über 17 Mrd. Euro rasch auf. Kleinere Länder, insbesondere die nordischen Staaten und die Niederlande, spielen ebenfalls eine wachsende Rolle in der Militärhilfe.
Über den Ukraine Support Tracker
Der Ukraine Support Tracker erfasst und quantifiziert militärische, finanzielle und humanitäre Hilfen, die der Ukraine seit dem 24. Januar 2022 (aktuell bis zum 31. Oktober 2023) zugesagt wurden. Berücksichtigt sind 40 Länder, spezifisch die EU-Staaten, die weiteren Mitglieder der G7, Australien, Südkorea, Norwegen, Neuseeland, die Schweiz, die Türkei, China, Taiwan und Indien. Erfasst sind Zusagen, die Regierungen dieser Länder der ukrainischen Regierung gemacht haben; Hilfszusagen der EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank sind separat aufgeführt; private Spenden oder solche internationaler Organisationen wie des IWF sind in der Hauptdatenbank nicht enthalten. Ebenso nicht mitgezählt sind Hilfen an Nachbarländer der Ukraine wie Moldawien oder andere Länder – etwa für die Aufnahme von Geflüchteten.
Datenquellen sind Bekanntgaben offizieller Regierungsstellen und Berichte internationaler Medien. In Sachmitteln geleistete Hilfe wie zum Beispiel Medizingüter, Lebensmittel oder militärisches Gerät werden anhand von Marktpreisen oder Angaben aus früheren Hilfskampagnen geschätzt. In Zweifelsfällen werden die höheren verfügbaren Werte angesetzt.
Der Ukraine Support Tracker wird laufend erweitert, korrigiert und verbessert. Anregungen dazu sind sehr willkommen und können gerne an ukrainetracker@ifw-kiel.de geschickt werden.
Mehr Informationen und die kompletten Daten finden Sie auf der Webseite.
Mehr zur Methodik des Ukraine Support Trackers steht in einem vertiefenden Kiel Working Paper.
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