Kostenbeteiligung verringert unnötige Eingriffe
Prof. Dr. Nicolas Ziebarth, Leiter des Forschungsbereichs „Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen“ am ZEW Mannheim, erklärt dazu:
„Die von Minister Lauterbach angestoßenen Reformen sind zum Großteil zu begrüßen und weisen in die richtige Richtung. Das Erstattungsverbot für homöopathische Leistungen ist jedoch aus meiner Sicht Symbolik, verringert die Wahlmöglichkeiten für die Versicherten und spart kaum Geld ein. Zudem beschert sie einem relevanten Teil von ihnen subjektiv einen hohen Nutzen. Wer dies nicht mitfinanzieren möchte, sollte eine Kasse wählen, die keine alternative Medizin erstattet.
Gleichzeitig werden die geplanten Maßnahmen des Ministers nicht ausreichen, um künftige Beitragssteigerungen abzuwenden. Angesichts der wirtschaftspolitischen Lage ist es jedoch unabdingbar, dass die Beitragssätze der GKV nicht noch weiter steigen. Ansonsten würden die verfügbaren Arbeitseinkommen sinken und die Ausgaben der Arbeitgeber für Personal weiter steigen. Damit gäbe es weniger Anreize zu arbeiten, bzw. Arbeitsplätze zu schaffen.
Im internationalen Vergleich hat Deutschland sehr hohe Gesundheitsausgaben bei mittelmäßigen Ergebnissen, insbesondere im Bereich der Koordination von Gesundheitsleistungen. Hier könnten international weit verbreitete Hausarztmodelle, bei denen Patientinnen und Patienten mit Beschwerden immer zuerst den Hausarzt aufsuchen müssen, Verbesserungen in der Behandlungsqualität zu geringeren Kosten erzeugen. Ein Wahlrecht auf direkte freie Facharztwahl sollte gegeben sein, allerdings zu höheren Beitragssätzen.
Höhere Zuzahlungen sind ein marktwirtschaftliches Instrument, um unnötige Eingriffe zu reduzieren. Beispielsweise ist der Großteil der Rückenoperationen erwiesenermaßen unnötig und für Patienten sogar oft schädlich. Für die Beitragszahlenden sind solche operativen Behandlungen zudem sehr teuer. Gleichzeitig ist wissenschaftlich belegt, dass höhere Zuzahlungen Leistungsinanspruchnahmen verringern. Deshalb ist es die Pflicht des Ministers Lauterbach, sich für eine selektive und transparente Kostenbeteiligung der Patientinnen und Patienten einzusetzen, um die Zahl unnötiger und teurer Operationen zu verringern.“
Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.
Forschungsfelder des ZEW
Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte; Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen; Digitale Ökonomie; Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik; Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik; Marktdesign; Umwelt- und Klimaökonomik; Ungleichheit und Verteilungspolitik; Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft.
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