Energie- / Umwelttechnik

»BW-Stromstudie« zeigt: Steigender Strombedarf benötigt viel Erneuerbare Energien in Baden-Württemberg

Baden-Württemberg plant bis zum Jahr 2040 klimaneutral zu sein. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien muss in dem Bundesland allerdings schneller vorankommen, um den bis zum Jahr 2040 stark steigenden Strombedarf zu decken. Doch selbst wenn die aktuellen Ziele der Landesregierung für den Erneuerbaren-Ausbau umgesetzt werden sollten, bleibt ein erheblicher Importbedarf für Strom. Das sind zentrale Ergebnisse der »BW-Stromstudie«, die im Auftrag der Industrie- und Handelskammern (IHKs) in Baden-Württemberg durch das Frauhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg erstellt wurde.

In der Studie wurde die Versorgungssituation für den Energieträger Strom in Baden-Württemberg bis zum Jahr 2040 untersucht, wobei die Forschenden die potenzielle Entwicklung von Stromangebot und -bedarf analysierten. Um den zukünftigen Bedarf abzuschätzen, wurden drei Szenarien für die mögliche Bandbreite des Strombedarfs bis 2040 entwickelt. Zur Reduktion der CO2-Emissionen und zur Erreichung der Klimaneutralität ist eine überwiegende Elektrifizierung der Industrie sowie der anderen Sektoren unumgänglich, um Erneuerbare Energien anstatt fossiler Energieträger einzusetzen. Der Strombedarf für die Sektoren Haushalte, Verkehr, Industrie und Gewerbe/Handel/Dienstleistungen wurde auf Landkreisebene im IST-Stand erfasst und in die Zukunft fortgeschrieben. Das Fraunhofer ISE erfasste in dem Projekt auch das Zubaupotenzial für Photovoltaik (PV) und Windkraft mit einer detaillierten Flächenanalyse auf Landkreisebene.

Industrie kann in vielen Branchen Strom stärker einsetzen

»Der Stromverbrauch in Baden-Württemberg wird von heute etwa 64 Terawattstunden pro Jahr bis zum Jahr 2040 auf 109 bis 161 Terawattstunden ansteigen, je nach zugrunde gelegtem Szenario. Dies entspricht einer Steigerung von rund 73 bis 156 Prozent. Ein Haupttreiber hierfür ist die Industrie, die ihre Dekarbonisierung im Wesentlichen durch Elektrifizierung erreicht. Durch die damit erhöhte Effizienz senkt sie den Bedarf an Primärenergie«, erläutert Studienautor Dr. Christoph Kost von der Abteilung Energiesystemanalyse des Fraunhofer ISE. In der Industrie liegt die Steigerung je nach Szenario bei 5 bis 65 Prozent, wobei vor allem in Grundstoffchemie, Metallindustrie und Papiergewerbe ein hoher Bedarf erwartet wird. Prozentual wird in der Branche »Glas, Keramik und Zement« der größte Anstieg mit 110 Prozent erwartet. In den übrigen Branchen liegt der erwartete Anstieg im Basisszenario zwischen 22 und 89 Prozent. Der Strombedarf für Gewerbe/Handel/Dienstleistungen steigt schwächer, um 2 bis 41 Prozent im Vergleich zu heute.

Ausbaupotenziale und Strombedarfe ungleich verteilt

Das Team des Fraunhofer ISE beziffert das gut verfügbare Stromerzeugungspotenzial aus Erneuerbaren Energien auf 306 Terawattstunden (TWh). Dabei wurde für PV-Freiflächen nicht das technische Potenzial, sondern das Potenzial auf 2 Prozent der Landesfläche und für die Windkraftanlagen nur das Potenzial auf generell geeigneten Flächen aufgelistet. Die aktuelle politische Zielsetzung von 30,7 Gigawatt PV-Leistung auf Dächern entspricht beispielsweise etwa 40 Prozent des gut verfügbaren Potenzials. Bei der Windkraft wird vom aktuellen Ziel der Nutzung von 1,8 Prozent der Landesfläche ausgegangen, was etwa 25 Prozent des gut verfügbaren Potenzials entspricht.

Das Potenzial erneuerbarer Energien ist, wie die Nachfrage auch, in den Landkreisen Baden-Württembergs unterschiedlich verteilt. »Insbesondere in den Stadtkreisen ist das Potenzial nicht ausreichend für die berechneten Strombedarfe. In ländlich geprägten Landkreisen kann wiederum das Potenzial erneuerbarer Energien den Strombedarf weit übersteigen. Ein starker Austausch zwischen den Regionen wird daher unerlässlich sein«, sagte Dr. Verena Fluri, die das Projekt koordiniert hat.

Baden-Württemberg ist 2040 auf Importe von bis zu 69 TWh angewiesen

Vom gut verfügbaren Stromerzeugungspotenzial aus Erneuerbaren (306 TWh) sind derzeit nur rund 92 TWh anvisiert. Diese 92 TWh stellen eine Vervierfachung der heutigen Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien dar und ließen sich nur mit sehr hohen Zubauraten bei Photovoltaik und Windkraft erreichen. »Baden-Württemberg wird daher voraussichtlich selbst bei einer Vervierfachung der heutigen Stromerzeugung aus Erneu-erbaren Energien auf Stromimporte angewiesen bleiben«, bilanzierte Kost.

Laut der Analyse könne das Land unter Berücksichtigung der landesspezifischen Ziele in 2040 nicht genug erneuerbaren Strom lokal erzeugen, um den Strombedarf jahresbilanziell zu decken. Beim Ausbau der Erneuerbaren entsprechend der aktuellen politischen Zielsetzung ergibt sich für 2040 ein bilanzieller jährlicher Importsaldo aus Nachbarbundesländern oder -ländern von 16 TWh (Effizienzszenario) bis 69 TWh (Elektrifizierungsszenario). Weitere Kraftwerke wie Wasserstoffkraftwerke werden zur Stromerzeugung beitragen und die bilanzielle Lücke reduzieren, allerdings nur im Umfang von ca. 10 TWh.
Ein starker Zubau von Solar- und Windkraftanlagen reduziere die Abhängigkeit und stärke die Resilienz im Stromsystem, schlussfolgert die Studie.

Für das Gelingen des Ausbaus müssten mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, so Wolfgang Grenke, Präsident der IHK Karlsruhe, welche die Studienerstellung federführend begleitet hat: »Wir brauchen ein politisches und gesellschaftliches Klima, das den notwendigen Beitrag der Wirtschaft zur Dekarbonisierung anerkennt und unterstützt.« Denn die baden-württembergischen Unternehmen selbst zeigten sich aktiv und anpassungsbereit. 84 Prozent engagierten sich in Energieeffizienz-Maßnahmen, für 63 Prozent der Unternehmen ist Energieeinsparung gegenüber dem Vorjahr wichtiger geworden. »Die Zahlen belegen, dass die BW-Wirtschaft Herausforderungen von Energiewende und Klimaschutz gleichermaßen angenommen hat und mit dem eigenen Betrieb aktiv unterstützt, insbesondere die hiesigen Industriebetriebe. Weiter ist die Politik am Zug, um auf dem Feld der Regulatorik alle Hürden zu beseitigen, die den Klimaschutzaktivitäten der Unternehmen und dem Ausbau der Erneuerbaren im Wege stehen.«

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