Energie- / Umwelttechnik

Experimentierklauseln für Moorwiedervernässungen gefordert

Wasser sucht sich seinen Weg, heißt es im Volksmund. Doch das stimmt nicht immer: „Wir greifen seit vielen Jahrzehnten stark in den Wasserhaushalt ein. Wir haben 95 Prozent unserer Moore entwässert, um die Flächen nutzbar zu machen, ohne uns etwa über die Konsequenzen für das Klima im Klaren zu sein. Dabei emittieren entwässerte Moore rund sieben Prozent aller Treibhausgase in Deutschland“, betonte Prof. Dr. Gerald Jurasinski von der Universität Greifswald während des Forums „Gemeinsam Wasser in der Landschaft halten – eine Chance für unseren Wald?“ heute (Mittwoch) auf der Grünen Woche. Die Podiumsgäste der gemeinnützigen Tochtergesellschaft der Deutschen Bundestiftung Umwelt (DBU), des DBU Naturerbes, waren sich einig: Um einen neuen, gemeinsamen Umgang mit der Ressource Wasser zu erproben und Moore schneller wiederzuvernässen, brauche es Experimentierklauseln in Gesetzen und Verordnungen.

Über Professionsgrenzen hinweg gemeinsames Verständnis entwickeln

Susanne Belting, Fachliche Leiterin im DBU Naturerbe, Prof. Dr. Gerald Jurasinski von der Universität Greifswald, Ludwig Stegink-Hindriks, Fachbereichsleiter Innovation bei den Niedersächsischen Landesforsten, und Godehard Hennies, Geschäftsführer vom Wasserverbandstag, beleuchteten in der Waldarena der Messe aktuelle Herausforderungen und ganzheitliche Lösungsansätze rund um die Wiedervernässung von Feuchtgebieten und Mooren. Jurasinski machte klar: „Wir müssen alle unsere Moore wiedervernässen, weil wir sonst die gesetzten Klimaschutzziele nicht erreichen. Die Frage ist nicht ob, sondern wie wir zügig vorankommen.“ Es gebe aber Widersprüche im System. So sei es in der Sache nicht zuträglich, wenn vorab beispielsweise wald- oder naturschutzrechtlich Ausgleich für jeden Baum angeordnet wird, für den die wiedervernässte Fläche zu nass geworden ist. Ludwig Stegink-Hindriks bestätigte: „Es fehlt unter Expertinnen und Experten aus der Forst-, Land- und Wasserwirtschaft sowie aus dem Naturschutz bisher noch ein gemeinsames Systemverständnis, wie wir zukünftig gemeinsam mit dem Wasser umgehen wollen: vom Regentropfen, der auf den Boden fällt, über das Erkennen von Chancen für wirksamen Wasserrückhalt in Wald und Moor, über künftige Entwässerungs- und Wasserbevorratungsbereiche in unseren Landschaften, bis zu einem effektiven Schutz von Menge und Qualität des Grundwassers. – Kohlendioxid heizt unsere Landschaften global auf, doch Wasser kühlt und Biodiversität reguliert das Klima und unsere betrieblichen Perspektiven.“ Dabei sei interdisziplinäres Arbeiten gefragt – und mehr Experimentierfreudigkeit. „Vorbildlich ist in diesem Zusammenhang der Entwurf für ein neues Wassergesetz in Sachsen-Anhalt: Dort ist eine Experimentierklausel vorgesehen, die zeitlich befristet neue Modelle der Gewässerunterhaltung zur Erprobung erlaubt“, erläuterte Godehard Hennies. Entsprechende Klauseln sollten auch im neuen Waldgesetz sowie in der Planungs- und Naturschutzgesetzgebung Einzug erhalten. Das mache es auch für Behörden einfacher, mutig Projekte zu bewilligen, die auf mehr Wasser in der Landschaft abzielen. Zukunftsfähig sei eine integrative Wasserwirtschaft. Der Wasserverbandstag Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt biete konkrete Lösungsansätze für Moorschutz im Wald.

Vereinfachte Genehmigungsverfahren für mehr Moorschutz

Auch im praktischen Naturschutz wären gesetzlich verankerte Experimentierklauseln hilfreich. „Die Genehmigungsverfahren für Wiedervernässungen oder Renaturierungen sind so umfangreich, dass sie oft sehr lange dauern“, betonte Susanne Belting und forderte eine Vereinfachung der Verfahren. Das DBU Naturerbe möchte auf ihren 66 Flächen mit knapp 70.000 Hektar überall da, wo es möglich ist, Moore und Feuchtgebiete im Sinne des Klimaschutzes, aber auch zum Schutz der biologischen Vielfalt wiedervernässen. In der Renaturierung sieht die Fachliche Leiterin auch eine Chance für den Wald: „Wenn wir Gräben verschließen und Grundwasserstände optimieren, hat das positive Auswirkungen auf angrenzende, trockenere Waldabschnitte. Außerdem können feuchte Böden bei Starkregen mehr Wasser aufnehmen und erfüllen auch Funktionen im Hochwasserschutz.“

Mit Ökosystemdienstleistungen Renaturierungsbetriebe aufbauen

Anders als im DBU Naturerbe, die auf Eigentumsflächen in zehn Bundesländern zurückgreifen kann, sei die fehlende Flächenverfügbarkeit in der Regel ein großer Hemmschuh. Stegink-Hindriks: „Wenn wir Ökosystemdienstleistungen ergebnishonoriert zuverlässiger bezahlt bekämen, könnte man innerhalb der Land- und Forstwirtschaft, je nach Lage von Betriebsflächen und Eigentümer-Interessen mit ihnen sogar Renaturierungswirtschaftsbetriebe aufbauen.“ Ein Instrument zur Finanzierung von Wiedervernässungen stellen MoorFutures®-Zertifikate dar – auch in Niedersachsen vertreten durch die Landesforsten. Mit ihrem Kauf können Unternehmen freiwillig ihre klimaschädlichen Aktivitäten kompensieren und so entsprechende Renaturierungsprojekte unterstützen. Belting berichtete von dem Projekt „ToMOORow“. Die Initiative der Umweltstiftung Michael Otto, der Michael Succow Stiftung und des Greifswald Moor Centrums baue Wertschöpfungsketten für sogenannte Paludikultur-Produkte wie Dämmstoffe aus Rohlkolben von der Nachfrageseite her auf. Derzeit formiert sich eine bundesweite Allianz aus Unternehmen, um gemeinsam mit Flächeneigentümern und Bewirtschaftern die Wiedervernässung der Moore voranzutreiben.

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