„Fußnote“: Das gierige Biest ist handzahm geworden
Ein Blick auf den KMU-Anleihemarkt von Markus Knoss, BankM AG:
Hohe Inflationsraten, inverse Zinskurve und restriktive Geldpolitik. Das Umfeld für den KMU-Anleihemarkt war in den vergangenen 12 Monaten nicht einfach. Doch der Schrecken könnte bald ein Ende haben. Damit Emittenten aber tatsächlich von sinkenden Zinsen profitieren, braucht es die richtige Struktur.
„Das gierige Biest?“ Was ist das nun schon wieder? Keine Sorge, ich bin nicht unter die Horror-Autoren gegangen. Regelmäßige Leser dieser Kolumne kennen mich anders. Das Biest ist die Inflation und das Zitat stammt von keinem geringeren als von Bundesbankpräsident Joachim Nagel. Im vergangenen November zeichnete er das Bild eines Monsters, das sich in die Wirtschaft frisst und kein Erbarmen mit Einkommen und Sparern hat. Drei Monate später hört sich das ganz anders an: „Jetzt bin ich davon überzeugt, dass wir dieses gierige Biest gezähmt haben. Es ist mittlerweile handzahm geworden“, so Nagel anlässlich eines Empfangs kürzlich in Berlin.
WOW! Wenn das nicht Balsam für unsere geschundenen Seelen ist! Umso mehr, als die jüngsten Inflationszahlen die Einschätzung bestätigen. Im Januar lag die Teuerung nach vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes nur noch bei 2,9%. Das ist so niedrig wie seit Juni 2021 nicht mehr, noch im Dezember 2023 waren es 3,7%. Sogar die sogenannte Kerninflationsrate, also die Inflationsrate ohne die meist sehr volatilen Bereiche Nahrungsmittel und Energie, ist mit nunmehr 3,4% stabil bis leicht rückläufig.
Zinssenkung in Sicht
Wobei die Energiepreise entgegen allen Unkenrufen und Schätzungen zuletzt sowieso rückläufig waren. Minus 2,8% bemaß die Entwicklung im Januar, um genau zu sein. Und das trotz des Wegfalls von Preisbremsen für Strom und Gas sowie der CO2-Preiserhöhung. Langsam, aber sicher kommt das von der Europäischen Zentralbank (EZB) für den Euro-Raum vorgegebene Inflationsziel von 2,0% am Horizont wieder in Sicht. Glaubt man der Mehrheit der Volkswirte, könnte der Zielwert spätestens 2025 wieder erreicht werden.
Doch ist damit alles wieder im grünen Bereich? Der Weg kurzfristig frei für die erwartete Absenkung des Leitzinses im Frühjahr? Nicht ganz. Die Konjunkturlage in Deutschland bleibt angespannt – der Internationale Währungsfonds erwartet für 2024 lediglich ein Wirtschaftswachstum von 0,6%. Darunter leidet auch der Euroraum insgesamt, die Konjunkturentwicklung wird hier im laufenden Jahr wohl ebenfalls unter ihrem Potential liegen.
So erfolgreich die geldpolitische Straffung der EZB die Inflation eingedämmt hat, so sehr kämpft die Wirtschaft. Und so lange diese weiter stagniert, so lange werden die Banken bei der Kreditvergabe restriktiv bleiben. Zeit also, in den sanften Gleitflug der Normalisierung zurückzukehren. Gegen Mitte des Jahres rechnen die meisten Experten mit der ersten Zinssenkungsrunde. Bis Jahresende wird eine Senkung um 150 bis 200 Basispunkte erwartet. Kommend von 4,5% also ein Rückgang auf 3,0% bis 2,5%.
KMU-Anleihen als Gewinner?
Für den deutschen Mittelstand ist das definitiv eine sehr gute Nachricht. In den Gewinn- und Verlustrechnungen der meisten Unternehmen sollte sich die Zinsentlastung positiv niederschlagen. Und natürlich auch die Refinanzierung vereinfachen, gerade über den Kapitalmarkt. Dies gilt insbesondere für den Laufzeitbereich 5 bis 10 Jahre. Hier merken wir die verbesserte Stimmung in diversen Mandantengesprächen aktuell ganz deutlich. Die Unternehmensanfragen häufen sich und auch auf Anlegerseite ist die Investitionsbereitschaft höher als noch Mitte 2023. Es werden wieder mehr Chancen als Risiken gesehen, das Sentiment dreht langsam, aber sicher ins Positive.
Schlüsselfaktor zur erfolgreichen Finanzierung bleibt aber eine marktfähige Strukturierung. Einen Trend zurück zu unbesicherten Anleihen wird es nicht geben. Stattdessen werden Asset Backed Anleihen (ABS-Strukturen) dominieren. Eine durchdachte Sicherheitenstruktur ist für Investoren dabei nicht nur wichtig, um das Vertrauen in Mittelstandsanleihen zurückzugewinnen, sondern auch, um aus regulatorischer Sicht überhaupt investieren zu können.
Passt die Struktur, eröffnen sich vielleicht schon bald neue Möglichkeiten für KMU-Anleihen. Aktuell sind die Zinsen im kurzen Laufzeitbereich immer noch höher als bei langlaufenden Staatsanleihen und Jumbo Bonds. Diese inverse Zinskurve führt dazu, dass Gelder eher in bonitätsstarke Titel mit sehr kurzer Laufzeit fließen. Löst sich diese Inversion Mitte 2024 tatsächlich auf, könnten Gelder vermehrt ein neues Zuhause in den längeren Durationsbereichen suchen. Gut besicherte High-Yield Bonds des Mittelstandssegments dürften davon profieren.
Markus Knoss, BankM AG
Markus Knoss ist zugelassener Börsenhändler und Certified Investor Relations Officer und verfügt über jahrelange Erfahrung in verschiedenen leitenden Positionen im Aktienhandel, Salestrading und Portfoliomanagement. Der ausgewiesene Experte für Nebenwerte im deutschsprachigen Raum ist seit 2013 für die BankM AG tätig und verantwortlich für den Bereich Business Development DACH.
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