ZVO 2.0 im Gespräch mit TBK Solingen
ZVO 2.0: Wie ist die aktuelle Situation in der Ausbildung von Oberflächenbeschichtern (m/w/d) bei Ihnen?
Tischlinger: Das Technische Berufskolleg in Solingen spielt hier eine zentrale Rolle. Derzeit unterrichten wir etwa 125 Auszubildende zum Oberflächenbeschichter aus 95 Betrieben. Die dreijährige Ausbildung besteht aus zwei Blöcken pro Jahr, jeder mit 12 bis 14 Schulwochen. Das Bildungspersonal, das alle nötigen Fachkompetenzen besitzt, unterrichtet schon seit Jahren in diesem Bildungsgang. Um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden, wurden vier neue Unterrichtsräume mit modernster medialer Ausstattung geschaffen.
ZVO 2.0: Die Zahl der Fächer wurde von bis zu zehn auf nunmehr zwei reduziert, um die Fachbereiche Anlagen und Fertigungstechnik sowie Beschichtungstechnik zu fokussieren. Diese Anpassung ermöglicht unseres Erachtens eine gezieltere Ausrichtung auf die Schlüsselaspekte der Oberflächentechnik.
Becker: Das stimmt. Die ständige Modernisierung des Lehrplans und die Integration neuer Technologien spiegeln die kontinuierlichen Bemühungen des Berufskollegs und insbesondere des Bildungsgangs wider, mit den sich wandelnden Anforderungen der Branche Schritt zu halten.
ZVO 2.0: Die neue Schulgalvanik ist „State of the Art“ und verdeutlicht Ihr Bekenntnis zur Spitzenausbildung. Was versprechen Sie sich von dieser Investition in der praktischen Ausbildung?
Becker: Die Investition von über zehn Millionen Euro in die neue Schulgalvanik revolutioniert die praktische Ausbildung. In der vorherigen Galvanik hatten wir Platzprobleme und sie reichte nur für eine begrenzte Teilnehmerzahl. Die neue Anlage ermöglicht jetzt eine zeitgemäße Umsetzung aller vorgeschriebenen Verfahren und Techniken. Sie können nun in parallelen Bädern durchgeführt werden, was Eigenverantwortung, Nachvollziehbarkeit und Dokumentation fördert – eine essenzielle Erfüllung der Ausbildung für die Unternehmen (und die Auszubildenen). Die neue Schulgalvanik stellt nicht nur eine Verbesserung der Ausbildungseinrichtungen dar, sondern auch eine strategische Investition in die Zukunft der Oberflächentechnik. Dieses finanzielle Engagement spiegelt die Innovationsbereitschaft des Berufskollegs wider und positioniert es als Vorreiter in der Ausbildung hochqualifizierter Fachkräfte.
ZVO 2.0: Neben der Hardware ist ja auch ausreichend Fachpersonal erforderlich…
Becker: Die personelle Betreuung stellen wir derzeit oft durch externe Dozenten sicher. Die demografische Entwicklung könnte jedoch zu Engpässen führen.
ZVO 2.0: Hier könnten wir uns monetäre Unterstützungs- und Anreizmaßnahmen seitens des Verbands vorstellen, um den Dozentennachwuchs zu fördern.
Auch Digitalisierung kann hier unterstützen. Wir waren angenehm überrascht von der fortschrittlichen digitalen Infrastruktur, die nicht nur den Unterricht, sondern auch verschiedene Aspekte des Bildungsgangs abdeckt: durchgängige Nutzung von Microsoft 365, Teams und OneNote, WLAN in Unterrichtsräumen, Laboren und im Wohnheim und digitale Endgeräte wie iPads mit Tastatur und Stift für alle Schüler. Wie bzw. wann haben Sie digitalen Unterricht integriert?
Tischlinger: Wir haben schon vor Corona digitale Plattformen genutzt, was einen reibungslosen Übergang zum digitalen Unterricht ermöglichte. Während der Pandemie wurde die Unterstufe drei Tage eingeführt und arbeitete dann auf Distanz. Es gab auch Phasen mit Hybridunterricht, bei dem Lehrermikrofone und Lautsprecher eingesetzt wurden. Der Unterricht wurde vollständig digitalisiert, einschließlich der Bereitstellung aller Unterlagen in digitaler Form, was die Medienkompetenz der Schüler stärkte. Die digitale Transformation des Unterrichts demonstriert nicht nur das Engagement des Berufskollegs für innovative Lehrmethoden, sondern auch die proaktive Anpassung an die Anforderungen der modernen Arbeitswelt. Diese digitalen Werkzeuge bieten den Schülern nicht nur ein flexibles Lernumfeld, sondern fördern auch ihre technologische Kompetenz, die in der Oberflächentechnik zunehmend an Bedeutung gewinnt. Die Fähigkeit, digitale Tools effektiv zu nutzen, wird zu einem wertvollen Vorteil für die Absolventen, wenn sie in die sich ständig verändernde Arbeitswelt eintreten.
ZVO 2.0:Neben der technischen Infrastruktur gilt es auch die (digitale) Qualifikation der Lehrkräfte im Blick zu behalten, um eine nachhaltige digitale Bildung zu gewährleisten. Insbesondere wenn eine Ausweitung zum Beispiel auf Prüfungen und Leistungsbewertungen geplant ist!?
Tischlinger: Es gibt derzeit keine Pläne, den Unterricht vermehrt in Hybridform durchzuführen, und Prüfungen vor Ort sind fest etabliert. Einzelne Konzepte können jedoch bei besonderen Umständen wie Krankheit in Betracht gezogen werden. Die Diskussion um digitale Prüfungen und die stetige Bewertung von Leistungen verdeutlicht den ständigen Anpassungsbedarf von Bildungseinrichtungen. Die Bereitschaft, sich auf neue Methoden einzulassen und gleichzeitig die regulatorischen Rahmenbedingungen zu beachten, ist entscheidend für die Entwicklung von zeitgemäßen Lehr- und Prüfungsverfahren.
ZVO 2.0: Die deutsche Bürokratie und Datenschutzbestimmungen stellen echte Herausforderungen für Innovationen im digitalen Unterricht dar. Insofern freut uns Ihre Motivation und positive Einstellung gegenüber der weiteren Digitalisierung, grade in Hinblick auf flexible Modelle für den Blockunterricht.
Welche weiteren Visionen haben Sie?
Becker: Die Vision des Berufskollegs beinhaltet den weiteren Ausbau der Infrastruktur, die Verstetigung praktischer Elemente und die baldige Einweihung der neuen Galvanik Mitte 2024. Sie markiert einen Meilenstein in unserer Entwicklung und stärkt unsere Position als führende Ausbildungsstätte in der Oberflächentechnik.
ZVO 2.0: Damit ist das TBK quasi ein zentraler „Galvano-Ausbildungshub“ nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. Das zeigt auch die geografische Diversität der Auszubildenden.
Jeder, der die Möglichkeit hat, sollte sich zum Beispiel bei der Einweihung vor Ort ein Bild von den Möglichkeiten machen.
Welchen Beitrag können Unternehmen und Verband noch leisten?
Becker: Der Verband könnte uns bei digitalen Bibliotheken und Schulungsmaterial für neue Prozesse wie Elektromobilität unterstützen. Ein „Fond“ zur flexiblen Nutzung sowie standardisierte Musterteile, die derzeit fehlen, wären gut.
Die Partnerschaft zwischen dem Berufskolleg und dem Verband verdeutlicht das gemeinsame Ziel, nicht nur hochqualifizierte Fachkräfte auszubilden, sondern auch die Branche als Ganzes voranzubringen. Die Förderung von Innovation und praxisnaher Ausbildung wird durch die Zusammenarbeit mit externen Partnern weiter gestärkt.
ZVO 2.0: Wir werden die Ideen mit dem ZVO-Vorstand besprechen! Vielen Dank für das interessante und konstruktive Gespräch!
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