Forschung und Entwicklung

Kampf den Kampfmitteln in Nord- und Ostsee

Rund 1,6 Millionen Tonnen Munition und mehr als 5000 Tonnen chemische Kampfstoffe wurden laut der Allianz Meeresforschung in der deutschen Nord- und Ostsee verklappt – der größte Teil nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie konzentrieren sich in bekannten Versenkungsgebieten. Welche Mengen bei Kampfhandlungen, Übungen und Unfällen im Meer verteilt wurden, wurde seit 2011 aufwändig recherchiert und dokumentiert. Verklappte Munition birgt Gesundheitsrisiken für Tiere und Menschen und stellt maritime Bauvorhaben regelmäßig vor Herausforderungen. Eine großflächige Beräumung wird daher immer dringlicher.

Das Fraunhofer Institut für Chemische Technologie ICT in Pfinztal beteiligt sich am Projekt BorDEx („Entwicklung und Bau eines ortsveränderlich betreibbaren Demonstrators zur thermischen Entsorgung von Explosivstoffen aus küstennahen Munitionsaltlasten“). Es soll eine Grundlage dafür schaffen, alte Munition aus Küstenbereichen zu entfernen und sie sicher sowie umweltgerecht zu entsorgen. Projektziel ist die Konstruktion eines mobilen Prototyps, der diese Arbeitsschritte zum ersten Mal in einem geschlossenen Verfahren bündelt.

Bislang wird Munition üblicherweise an Land kiloweise in Verbrennungsöfen mit Rauchgasreinigung unschädlich gemacht. Größere Munitionskörper müssen dafür zerteilt und die Anteile von Spreng- und Fremdstoffen in den Teilstücken manuell an angeglichen werden, damit die aufwändige Rauchgasreinigung der Öfen funktioniert und Grenzwerte eingehalten werden.

Fernzugriff für hohen Durchsatz und hohe Sicherheit
Für die Massenverarbeitung von Munition auf See ist ein neuer Ansatz nötig: Um den angestrebten hohen Durchsatz von 1000 Kilogramm pro Schicht und die nötige Sicherheit zu gewährleisten, wird das Verfahren im Fernzugriff gesteuert. Flexibilität und Ausfallsicherheit der Trennwerkzeuge sind unabdingbar.
Beim Zerteilen von Munitionskörpern durch Robotersysteme sind die einwirkenden Kräfte und Temperaturen zu kontrollieren. Meerwasser schmiert und kühlt die Trennwerkzeuge oder dient beim Wasserstrahlschneiden als Arbeitsmedium. Zusätzlich zu portionierten Munitionsteilen und ausgepresstem Sprengstoff entstehen Sprengstoffsuspensionen mit unterschiedlichen Wasseranteilen in der Bandbreite zwischen sprengstoffkontaminierten Arbeitswässern bis hin zu Sprengstoffpasten sowie eine Reihe von Verunreinigungen aus Meeressediment, Biomasse und den Zuschlagstoffen, mit denen Explosivstoffe gestreckt wurden.
Verbrennungsöfen für Flüssigkeiten stellen Anforderungen an die zugeführte Suspension, weshalb ein bisher nicht erforderlicher Aufarbeitungsschritt nötig wird. BorDEx schließt diese Lücke.

Erfahrung und Expertise des Fraunhofer ICT
Um Sicherheitsrisiken rechtzeitig zu erkennen und ihnen angemessen zu begegnen, bringt das Fraunhofer ICT seine Erfahrung bei der Zerkleinerung von Explosivstoffen in das Projekt BorDEx ein: Die Sprengstoff-Partikel sollen auf weniger als den für TNT kritischen Durchmesser von 2,6 Millimetern zerkleinert werden. Die Techniken, mit denen die Sprengstoff-Wasser-Suspension gepumpt wird, bewertet das Fraunhofer ICT unter Sicherheitsaspekten. Inwieweit sich gealterte Munitionsbestandteile in diesem Zusammenhang von neuen unterscheiden, untersucht und dokumentiert das Fraunhofer ICT detailliert. Die Erkenntnisse fließen in eine umfassende Risikoanalyse für den Offshore-Betrieb des Prototyps und all seiner Systemkomponenten ein, die das Fraunhofer ICT auf Basis der Erfahrungen der Projektpartner erstellen wird. Das Fraunhofer ICT evaluiert ferner die Handhabung und Entsorgung von Explosivstoffen aus Munition im Meer mithilfe des Prototyps und stellt seine Energieeffizienz anderen Verfahren gegenüber.
Eine weitere Aufgabe des Fraunhofer ICT liegt darin, seine Methoden elektrochemischer Analyse auf die Anforderungen des Umweltmonitorings im Zusammenhang mit BorDEx abzustimmen: Es ist essenziell, den zusätzlichen Eintrag von Explosivstoffen in Gewässern und Böden zu erfassen, der bei der Freilegung und Bergung von Munition im Meer entsteht.

Wissenschaftlicher Dialog und Transparenz
Die Aufarbeitung und transparente Darstellung aller Erkenntnisse liegt ebenfalls in den Händen des Fraunhofer ICT, wie der Projektgruppenleiter für Technische Sicherheit Armin Keßler darlegt: „Unser Institut hat in seinen vielen abgeschlossenen Forschungsund Entwicklungsvorhaben national wie international große Erfahrung darin gesammelt, Forschungsthemen nach außen zugänglich zu machen und ihre Bedeutung für gesellschaftliche Belange zu erläutern.“ Dazu gehört, das Projekt in den Gesamtkontext der Forschung zum Thema „Munition im Meer“ einzubinden und seine wirtschaftlichen Erfolgsaussichten zu untersuchen.

Beräumung der Meere ist dringend
Von verklappter Munition und Kampfstoffen finden giftige und krebserregende Substanzen den Weg ins Meerwasser und lagern sich unter anderem in Muscheln sowie im Muskelfleisch von Speisefischen an. In Bereichen, in den bereits Munition in Sprengungen vernichtet wurde, sind an dort lebenden Tieren Krebsgeschwüre erkennbar, die nachweislich auf den Substanzeintrag durch Munition zurückgehen. Die Quellen der Schadstoffe müssen also möglichst rasch aus dem Meer entfernt werden, um den weiteren Eintrag zu reduzieren und die giftigen, krebserregenden Substanzen so weit wie möglich aus der Nahrungskette herauszuhalten. Dazu gehört, Vernichtungen durch Sprengungen ab sofort auf das unvermeidbare Minimum zu beschränken.

Das Fraunhofer ICT übt in diesem Projekt den Schulterschluss mit hochkarätigen Partnern, namentlich der Dynasafe Environmental Systems GmbH, GEOMAR, der GEKA mbH sowie der Dussmann Industrial Automation GmbH, die ihre weltweit führende Expertise in das Projekt einbringen. Auf dem Anlagengelände der GEKA im niedersächsischen Munster wird der Demonstrator gebaut und getestet.

Das Projekt BorDEx wird gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und wird vom Projektträger Jülich koordiniert. Es hat ein Budget von rund 5 Mio. Euro und eine Laufzeit von 3 Jahren

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