Verbraucher & Recht

Selbstbestimmung für den Ernstfall

Eine Patientenverfügung ist ein wichtiges Dokument für den Fall, dass man selbst nicht mehr in der Lage ist, medizinische Entscheidungen zu treffen. Sie ermöglicht es, im Voraus festzulegen, welche medizinischen Maßnahmen gewünscht oder abgelehnt werden, wenn man schwer erkrankt oder ins Koma fällt. ARAG Experte Tobias Klingelhöfer erläutert die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Patientenverfügung, wie man sie korrekt erstellt und welche Unterschiede es zu Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung gibt.

Was ist eine Patientenverfügung?
Tobias Klingelhöfer: Die Patientenverfügung hält die Wünsche für die medizinische Versorgung fest. Sie wahrt im Prinzip das Selbstbestimmungsrecht, wenn man schwer krank, dauerhaft pflegebedürftig wird oder ins Koma fällt. Mit dieser Verfügung entscheidet man beispielsweise, ob man mit Hilfe der Apparatemedizin künstlich am Leben gehalten werden möchte oder bestimmt jemanden, der für einen handelt und entscheidet, wenn man es selbst nicht mehr kann. Und tatsächlich unterzeichnen Verwandte oftmals Krankenhaus- und Heimverträge, Wohnungskündigungen, Einwilligungen in schwere Operationen und andere Erklärungen, da sie sich fälschlicherweise für vertretungsberechtigt halten.

Was geschieht, wenn klar wird, dass Handelnde gar nicht befugt waren, irgendwelche Entscheidungen zu treffen?
Tobias Klingelhöfer:
 Häufig bleiben diese Fehler in der Praxis ohne Folgen. Doch sie bergen Risiken: Nach dem Gesetz dürfen rechtsverbindliche Entscheidungen und Erklärungen lediglich von Eltern für ihre minderjährigen Kinder abgegeben werden, nicht aber von Kindern für die Eltern. Auch Ehegatten durften sich bislang nicht qua Gesetz gegenseitig vertreten. Hier gibt es allerdings seit Anfang 2023 eine Erleichterung: Das neue Notvertretungsrecht für Ehegatten. Damit können zukünftig im Ernstfall auch Eheleute für den Partner entscheiden, sofern dies vorher nicht ausdrücklich abgelehnt wurde. Ansonsten können Angehörige für einen Volljährigen nur in zwei Fällen entscheiden oder Erklärungen abgeben: entweder aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht oder wenn sie gerichtlich bestellter Betreuer sind. Handelt jemand unbefugt, haftet er für die eingegangenen Verpflichtungen, wenn der Betroffene hierfür nicht aufkommen kann oder ein anschließend bestellter Betreuer die Maßnahmen nicht genehmigt.

Wie geht man vor, wenn man eine Patientenverfügung erstellen möchte?
Tobias Klingelhöfer:
 Ein allgemein gültiges Musterformular ist für die Patientenverfügung nicht vorgeschrieben. Sie muss aber laut Gesetz schriftlich abgefasst und mit einer Unterschrift oder einem vom Notar beglaubigten Handzeichen versehen sein. Ob man die Patientenverfügung handschriftlich oder am Computer anfertigt, steht jedem frei. Auf jeden Fall sollten Vor- und Familienname, Geburtsdatum, Anschrift und Datum enthalten sein.

Ich rate außerdem dazu, die Situationen genau zu beschreiben, für die die Patientenverfügung gelten soll. Ebenso müssen die medizinischen Maßnahmen, die in diesen Situationen gewünscht oder abgelehnt werden, genau beschrieben sein. Dabei kann man auch festlegen, dass bestimmte Maßnahmen, wie etwa die künstliche Beatmung, nur kurzfristig angewendet und abgebrochen werden, wenn es keine Aussicht auf Verbesserung gibt.

Muss eine Patientenverfügung notariell beglaubigt werden?
Tobias Klingelhöfer:
 Nicht zwingend. Es kann aber sinnvoll sein, eine Patientenverfügung durch einen Notar aufsetzen und beurkunden zu lassen, wenn man sich selbst unsicher ist, welche Formulierungen man wählen sollen. Verpflichtend ist die hingegen die Beurkundung bei einer Vorsorgevollmacht, die auch zum Erwerb oder zur Veräußerung von Grundstücken oder zu einer Darlehensaufnahme berechtigen kann. Soll der Bevollmächtigte berechtigt sein, im eigenen Namen eine Erbausschlagung zu erklären, muss die Vorsorgevollmacht zumindest öffentlich beglaubigt sein.

Muss eine Patientenverfügung vom Arzt unterschrieben werden?
Tobias Klingelhöfer:
 Nein, die Patientenverfügung ist sofort durch die Unterschrift des Verfassers gültig. Auch wenn eine Patientenverfügung ohne ärztliche Beratung verständlich sein sollte, kann das Gespräch dennoch hilfreich sein. Zwar ist die Patientenverfügung nicht kompliziert, trotzdem kann das Gespräch mit jemandem aus der Medizin und eine anschließende Unterschrift ein besseres Gefühl und mehr Sicherheit geben. Schließlich ist das Aufsetzen einer Patientenverfügung ohnehin eine emotionale Angelegenheit und kann mitunter zu Missverständnissen führen.

Was kostet eine Patientenverfügung bei Notar oder Hausarzt?
Tobias Klingelhöfer:
 Die Notargebühren sind im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) festgelegt. Im Regelfall wird dabei ein Geschäftswert von 5.000 Euro angesetzt. Da für Entwurf und Beurkundung einer Patientenverfügung eine 1,0 Gebühr fällig wird, ergeben sich daraus Kosten von 45 Euro.

Wer einen Arzt konsultiert, kann auch dafür eine Rechnung erhalten. Grundsätzlich sind Beratungen zur Patientenverfügung aber nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten. Deshalb sind Ärzte dazu berechtigt, ihre Beratungsleistung in Rechnung zu stellen. In den meisten Fällen liegen die Kosten für eine Patientenverfügung beim Hausarzt bei 25 bis 75 Euro. Viele Ärzte beraten aber auch unentgeltlich.

Wie lange ist eine Patientenverfügung gültig und wie kann ich sie widerrufen?
Tobias Klingelhöfer:
 Damit eine Patientenverfügung überhaupt Gültigkeit erlangt, muss die betroffene Person beim Ausstellen volljährig und einwilligungsfähig sein. Sofern formelle Anforderungen erfüllt sind, erhält die Patientenverfügung ihre Gültigkeit mit der Unterschrift. Ab diesem Moment gilt sie ohne jegliche zeitliche Einschränkung – theoretisch bis zum Lebensende, es sei denn, sie wird vom Aussteller widerrufen. Dieser muss auch zum Zeitpunkt des Widerrufs einwilligungsfähig sein. Ein Widerruf kann auch mündlich oder ohne Worte durch entsprechendes Verhalten erfolgen (Bürgerliches Gesetzbuch, Paragraf 1827 Absatz 1 Satz 3). Allerdings muss erkennbar sein, dass sich der Wunsch des Patienten geändert hat. Generell rate ich, eine Patientenverfügung in bestimmten Zeitabständen dahingehend zu überprüfen, ob die getroffenen Regelungen noch Gültigkeit haben. Falls ja, sollten man dies auf der Patientenverfügung mit Datum und Unterschrift bestätigen. Eine Beglaubigung der Aktualisierung ist nicht notwendig.

Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung: Worin liegt ist der Unterschied?
Tobias Klingelhöfer:
 Mit der Vorsorgevollmacht dürfen alle oder bestimmte Teile der vermögensrechtlichen und persönlichen Belange geregelt werden. Hierzu gehören beispielsweise Wohnungsangelegenheiten, Vertretung bei Gericht oder das Annehmen der Post. Wer Bevollmächtigter ist, muss den in der Patientenverfügung niedergelegten Willen gegenüber den behandelnden Ärzten durchsetzen. Wann der Bevollmächtigte die Vollmacht tatsächlich einsetzt, kann gesondert abgesprochen werden. Gibt es niemanden, der bevollmächtigt ist, wird vom Gericht bei Bedarf ein Betreuer bestellt, der dem in der Patientenverfügung dokumentierten Willen Geltung verschafft.

Wer niemanden hat, dem er genug Vertrauen für eine Vorsorgevollmacht entgegenbringt, kann eine Betreuungsverfügung ausstellen. Damit legt man fest, wen das Gericht als Betreuer auswählen soll. Beide Erweiterungen der Patientenverfügung helfen dabei, sich weiter abzusichern. Eine richtige oder falsche Kombination gibt es per se also nicht.

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