2,45 Millionen Euro zur Erforschung von Ursachen und Therapie bei Leukämie
Gemeinsame Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie
Leukämiestammzellen gelten als Ausgangspunkt einer Leukämie; ihre Eliminierung ist Grundvoraussetzung für eine langfristig erfolgreiche Therapie. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD), des Heidelberger Instituts für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin im Deutschen Krebsforschungszentrum (HI-STEM/DKFZ) und des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) konnten nun im Rahmen des Junior-Verbundes LeukoSyStem eine Forschungsförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Höhe von 2,45 Millionen Euro einwerben. Ziel ihres Projektes ist es, die Ursprungszellen der akuten myeloischen Leukämie (AML) zu erforschen und auf diese Weise das Übel sozusagen „bei der Wurzel" zu packen. Die Wissenschaftler wollen anhand von isolierten Einzelzellen aus Patientenproben charakteristische Marker, Mutationen, Funktionsdaten und Stoffwechselwege untersuchen, um Leukämiestammzellen und ihre Umgebung im Knochenmark besser verstehen zu können. Die gesammelten Daten sollen mithilfe neu zu entwickelnder Computer-Algorithmen übergreifend ausgewertet werden.
Leukämische Stammzellen als Ursache einer häufig tödlich verlaufenden Krankheit
Die Entwicklung normaler, gesunder Blutzellen geht von hämatopoetischen Stammzellen im Knochenmark aus und verläuft über verschiedene Stadien sogenannter Vorläuferzellen. Dabei kann es in jedem dieser Stadien durch Anhäufung von Mutationen zur Entartung von Zellen und der Entwicklung von Blutkrebs (Leukämie) kommen.
Die akute myeloische Leukämie (AML) ist die häufigste Form der Leukämie im Erwachsenenalter, bei der mutierte, funktionslose Blutzellen, sogenannte Blasten, die anderen Knochenmarkszellen überwuchern. In Europa erkranken jährlich drei bis fünf Patienten je 100.000 Einwohner an AML. Trotz Therapiemöglichkeiten wie Chemotherapie und Stammzelltransplantation kommt es häufig zu Rückfällen und die Fünf-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit für Patienten bis 60 Jahre liegt bei 35 bis 40 Prozent und für Patienten über 60 Jahren bei nur fünf bis zehn Prozent.
Als Grundvoraussetzung für eine effektive Heilung der Patienten gilt die gezielte Eliminierung der Ausgangszellen der Leukämie. „Zur Therapie müssen wir die Ursache des Problems finden und die leukämischen Stammzellen angehen", sagt Dr. Simon Raffel, Projektpartner von der Medizinischen Klinik für Hämatologie, Onkologie, Rheumatologie (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Carsten Müller-Tidow) des Universitätsklinikums Heidelberg. Die Leukämiestammzellen befinden sich wie die gesunden Stammzellen auch in der Stammzellnische im Knochenmark und sind in der Lage, ständig neue Leukämiezellen (Blasten) zu bilden. Das Zusammenspiel von Leukämiestammzellen mit anderen Faktoren und Zellen der Stammzellnische ist noch nicht ausreichend geklärt. Hier setzt das aktuell bewilligte Juniorverbund-Projekt an, das drei Teilprojekte umfasst: die Einzelzellanalyse leukämischer Stammzellen, eine Untersuchung der Stammzellnische im Knochenmark und eine systemmedizinische, übergreifende Auswertung der gesammelten Daten.
In der Stammzellnische gedeihen gesunde und funktionslose Blutzellen gleichermaßen
Simon Raffel vom Universitätsklinikum Heidelberg wird in Kooperation mit Dr. Lars Velten (Centre for Genomic Regulation, Barcelona, Spanien) Charakteristika von Leukämiestammzellen von AML-Patienten im Vergleich zu gesunden Blutzellen untersuchen. Hierzu werden Patientenzellen isoliert, vereinzelt und Oberflächenmarker, spezifische Mutationen, Zellfunktionen sowie spezielle Stoffwechseleigenschaften der kranken im Vergleich zu den gesunden Zellen betrachtet.
Die Leukämiestammzellen befinden sich im Knochenmark des Patienten in der so genannten Stammzellnische, deren Milieu durch weitere Zellen wie Immun-, Blutgefäß- und Bindegewebszellen geprägt ist. Um deren Beitrag an der Entstehung und Therapieresistenz von Leukämien genauer zu erforschen, wird der Projektkoordinator und Teilprojektleiter Dr. Simon Haas (HI-STEM/DKFZ) neuartige Einzelzell- und räumlich-aufgelöste Analysemethoden entwickeln und mit Hilfe dieser das AML Mikromilieu systemisch untersuchen. „Mit unseren Arbeiten möchten wir die Pathogenese und Therapieresistenzmechanismen der AML in ihrer Gesamtheit besser verstehen lernen, was mittelfristig zu neuartigen Diagnose- und Therapieoptionen führen soll", fasst Simon Haas zusammen.
Die mit verschiedenen Methoden gesammelten Daten werden im dritten Teilprojekt von der Physikerin und Mathematikerin Dr. Laleh Haghverdi vom EMBL ausgewertet. Hierfür wird sie neue bioinformatische Methoden und Algorithmen zur Integration und Analyse im Sinne eines systembiologischen Ansatzes entwickeln. „In bisherigen Untersuchungen wurden einzelne Aspekte der Leukämiezellen betrachtet, seien es DNA-Mutationen, RNA oder metabolische Faktoren. Wir zielen nun speziell darauf ab, mit einem übergreifenden Ansatz das Zusammenwirken multipler Aspekte der AML zu untersuchen", erklärt Laleh Haghverdi.
Ausgangszellen der Leukämie bekämpfen, gesunde Zellen schonen
Besonders eine bessere Unterscheidung von gesunden und leukämischen Stammzellen ist den Forschern wichtig, da diese anhand bisheriger Marker nur begrenzt möglich ist. Nur mit einer genaueren Differenzierung lassen sich neue Biomarker zur Entdeckung der mutierten Zellen und damit Angriffspunkte für eine gezielte Therapie herausfinden. „Die Behandlung der AML wird umso erfolgreicher, je genauer wir in Zukunft spezifisch die Ausgangszellen der Leukämie eliminieren und die gesunden Blutzellen verschonen können", so Simon Raffel.
Mit der Förderung des Juniorverbunds LeukoSyStem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erhalten die Heidelberger Nachwuchswissenschaftler die Möglichkeit, Forschungsarbeiten zur Systemmedizin interdisziplinär zu realisieren. Das Projekt startete Anfang 2020, die Gesamtfördersumme beträgt ca. 2,45 Mio. Euro für fünf Jahre, mit einem Anteil von rund. 1,3 Mio. für die Medizinische Klinik für Hämatologie, Onkologie, Rheumatologie des UKHD.
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