Coronavirus: Schneller als der Tierversuch
Ein großer und unstrittiger Nachteil von Tierversuchen, den auch Ärzte gegen Tierversuche immer wieder kritisiert, wird in der aktuellen Corona-Krise zum Verhängnis. Testungen am Tier sind langwierig – viel zu langwierig, um in einer Situation wie dieser mit der rasanten Verbreitung des Virus mitzuhalten. Die reguläre Entwicklung von Impfstoffen dauert ein Jahrzehnt oder mehr und kostet hunderte Millionen Euro. Ein Hauptgrund dafür ist, dass etliche Impfstoffe in Tierversuchen bestens wirken, im Menschen dann aber nicht. „Hätten wir schon längst mehr Geld in die Entwicklung humanrelevanter In-vitro-Methoden investiert, dann hätte man jetzt vermutlich bessere Testsysteme an der Hand, um wirksame Arzneimittel und Impfstoffe zu entwickeln“, sagt Dr. Tamara Zietek, Wissenschaftskoordinatorin bei Ärzte gegen Tierversuche.
Aber: Plötzlich ist es doch möglich, dass der Tierversuch umgangen wird und Medikamente zur Bekämpfung des Coronavirus nach einer ausführlichen In-vitro-Testung direkt an menschlichen Testpersonen erprobt werden – so eine Entscheidung der NIH (National Institutes of Health), einer Behörde des US-Amerikanischen Gesundheitsministeriums. „Dies zeigt, dass Tierversuche für Medikamentenentwicklung und Diagnostik keineswegs essenziell sind“, so Dr. Zietek.
Viele Forscher arbeiten daran, das Coronavirus in genmanipulierten „Tiermodellen“ zu erforschen und weisen darauf hin, es müsse erst die „richtige“ Tierspezies gefunden werden, die für die Forschungen geeignet sei. „Eine solche Aussage zeigt ganz klar, wie ineffizient die Testung an Tieren ist und dass es einem Zufallstreffer gleicht, ob man irgendwann eine Tierart gefunden hat, bei der die Infektion mit dem Erreger klappt“, gibt Dr. Zietek zu bedenken. Ganz vorne mit dabei, wenn es um Tierversuche zu Coronavirus SARS-CoV-2 geht, ist das Friedrich-Loeffler-Institut – Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit (FLI) auf der Ostsee-Insel Riems bei Greifswald. Hier wird gleich an mehreren Tierarten geforscht: 20 Hühner, 12 Schweine, 12 Flughunde und 8 Frettchen werden für die ersten Versuche infiziert. Ein Hauptanliegen sei es laut Aussage des FLI-Direktors, ein Modell zu etablieren, an dem man das Virus gut erforschen könne.
„Selbst in dieser Krisensituation wird auf das archaische System Tierversuch gesetzt und werden massenhaft Fördergelder verschwendet, um diese nicht zielführende Forschung zu finanzieren“, kritisiert Zietek. „Viel sinnvoller wäre es, diejenigen Forscher zu unterstützen, die verlässliche humanbasierte In-Vitro-Methoden entwickeln, um die Mechanismen der Virusinfektion zu erforschen und wirksame Medikamente zu identifizieren.“ 3-dimensionale menschliche Lungenmodelle, die sogar in hohem Durchsatz mittels 3D-Druck hergestellt werden können, sind ideal geeignet, um Infektionsforschung zu betreiben, auch mit diversen grippeartigen Viren. Diese innovativen Systeme haben sich schon lange in diesem Forschungsbereich etabliert und könnten leicht für die SARS-CoV-2-Forschung eingesetzt werden. Auch Multi-Organ-Chips, auf denen humane Zellmodelle der Lunge und anderer Organe, z.B. des Immunsystems, zusammengeschaltet sind, wären optimal geeignet, um schnell und effektiv zu wertvollen Ergebnissen zu kommen.
„Die Corona-Krise ist eine Chance für Forschung und Politik, endlich zu erkennen, dass Tierversuche aufgrund ihrer nicht zu leugnenden Ineffektivität die menschliche Sicherheit gefährden und den medizinischen Fortschritt aufhalten. Moderne, humanbasierte Testsysteme müssen stattdessen massiv gefördert werden“, so die Expertin abschließend.
Weitere Infos und Quellen
Die Vereinigung Ärzte gegen Tierversuche e.V. besteht seit 1979 und ist ein bundesweiter Zusammenschluss aus Ärzten, Tierärzten und Naturwissenschaftlern, die Tierversuche aus ethischen und wissenschaftlichen Gründen ablehnen. Der Verein engagiert sich für eine moderne, humane Medizin und Wissenschaft ohne Tierversuche, die sich am Menschen orientiert und bei der Ursachenforschung und Vorbeugung von Krankheiten sowie der Einsatz tierversuchsfreier Forschungsmethoden im Vordergrund stehen.
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