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Eurobonds Pro und Contra – Gedanken zu Eurobonds in der Eurozone von Prof. Dr. Leef Dierks

Prof. Dr. Leef H. Dierks ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Fokus auf Finanzierung und Internationale Kapitalmärkte. Dierks war mehrere Jahre im internationalen Investmentbanking in London tätig. In einem Beitrag, den er mit „Hic sunt dracones …“ (zu dt.: „Hier sind Drachen“) übertitelt, schreibt Dierks seine Gedanken zu Eurobonds nieder als ausgewiesener Kenner und mit der internationalen Finanzwelt bestens vertraut.

Hintergrund ist die aktuelle Diskussion in den Ländern der Eurozone über die Einführung von sogenannten „Eurobonds“.

Eurobonds sind Staatsanleihen, die von den Ländern der Eurozone gemeinsam herausgegeben werden sollen. Bisher gibt jedes Land individuell eigene Staatsanleihen heraus und leiht sich quasi selbst Geld am internationalen Kapitalmarkt. Dafür muss jedes Land unterschiedliche Zinsen zahlen. Staaten mit einem sehr stabilen sprich mit einem ausgeglichenen Haushalt zahlen weniger Zinsen für die Kredite, weil sie nach Ansicht der Geldgeber das geliehene Geld auch wieder zurückzahlen können. Deutschland bspw. zahlt aktuell -0,4% für eine 10-jährige Staatsanleihe während Länder wie Spanien 0,7% und Griechenland gar 1,8% Zinsen zu zahlen haben.

Mit Eurobonds hätten alle Länder der Eurozone die gleichen Zinsen, weil alle Länder, wirtschaftlich starke und weniger starke Länder, gemeinsam bürgen und so günstigere Zinsen bekämen. Das kämen solchen Ländern wie Griechenland oder Spanien zugute. Sie könnten sich zu deutlich besseren Konditionen Geld leihen. Andere Länder wie Frankreich oder Deutschland müssten danach auf die günstigen Kredite verzichten und höhere Zinsen in Kauf nehmen.

Hic sunt dracones …

… hieß es auf früheren Weltkarten zu Gebieten jenseits der bekannten Welt. Entdecker fürchteten die dort lebenden Seeschlangen und andere Ungeheuer.

Ganz so schlimm ist es im Falle der nun in neuem Gewand daherkommenden Eurobonds nicht, doch darf kein Zweifel daran herrschen, dass die Eurozone mit der Emission sogenannter „Corona-Bonds“ Neuland beträte. Nun ist der Versuch einiger Mitgliedsstaaten der Eurozone, Eurobonds am Markt zu etablieren, mitnichten neu. Er wird mit geradezu aufreizender Regelmäßigkeit wiederholt; frei nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“. Nur ändert auch die Corona-Krise nichts daran, dass, wenn dieses Instrument denn erst einmal etabliert ist, es nicht mehr wegzudenken sein wird. Die Büchse der Pandora lässt grüßen. Denn ganz egal wie man eine solche Anleihe bezeichnen mag, ihre fundamentale Schwäche bleibt bestehen: Die gemeinschaftliche Haftung.

Volkswirtschaften, die ausgeglichene Haushalte präsentieren und teilweise sogar Überschüsse erzielen, werden als solide Schuldner wahrgenommen und können sich günstig an den Kapitalmärkten refinanzieren. Volkswirtschaften hingegen, die z.B. infolge einer eher laxen Haushaltsdisziplin regelmäßig Defizite aufweisen, sehen sich mit deutlich schlechteren (sprich: teureren) Konditionen konfrontiert.

Käme es zu der Emission von Eurobonds, verbesserten sich die Refinanzierungsbedingungen für schwächere Volkswirtschaften. Stärkere Volkswirtschaften hingegen wären die Leidtragenden. Um das Kind beim Namen zu nennen: Die deutlich geringeren Finanzierungskosten für die Mittelmeeranrainer gingen zulasten Deutschlands und anderer fiskalpolitisch disziplinierter Volkswirtschaften. Dies schafft einen Fehlanreiz: Anstatt endlich politisch unbequeme, gleichwohl überfällige Strukturreformen anzugehen, die jedoch, wie uns die Geschichte lehrt, Wiederwahlen von Amtsinhabern gefährden, steigt der Anreiz, (noch) mehr Schulden zu machen.

In extremis stellt sich die Frage, ob dies nicht sogar einer neuerlichen Schuldenkrise, wie die Eurozone sie erst 2012 erlebte, den Weg bereiten könnte. Die diese Entwicklung eigentlich ja unterbindenden Maastricht-Kriterien, welche u.a. eine Neuverschuldung von nicht mehr als 3% des BIP vorsehen, erwiesen sich bereits zuvor als zahnloser Tiger. Auch das (temporäre) Aufheben der Schuldengrenze in der Eurozone ist bedenklich. Der Verweis darauf, dass die Konsequenzen der Corona-Krise nur durch milliardenschwere Stimuli abzumildern sind, mag zutreffen. Doch was hinderte die Staaten daran, in Zeiten eines soliden Wirtschaftswachstums besser hauszuhalten (zu sparen!) und einen fiskalischen Puffer aufzubauen? Dies wurde sträflich vernachlässigt. Die wesentliche Voraussetzung für gemeinschaftlich emittierte Staatsanleihen ist eine einheitliche Fiskalpolitik innerhalb der Währungsunion, doch ist dies in der Eurozone nicht der Fall und wird sich in absehbarer Zukunft infolge des politischen Unwillens auch nicht ändern. Kein Mitgliedsstaat der EA-19 scheint auch nur ansatzweise bereit, seine haushaltspolitische Autonomie (und sei es teilweise) aufzugeben.

Bitte nicht missverstehen: Der europäische Gedanke ist dieser Tage zweifelsohne wichtiger denn je und darf sich nicht nur auf Lippenbekenntnisse beschränken. Doch ist Solidarität – auch und vielleicht gerade – unter Partnern keinesfalls damit gleichzusetzen, für die jahrelange mangelnde Haushaltsdisziplin Anderer aufzukommen. Pandemie hin oder her.

Von: Prof. Dr. Leef H. Dierks,
Technische Hochschule Lübeck

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