Finanzen / Bilanzen

Corona-Krise bremst Geldvermögensaufbau privater Haushalte in Deutschland

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  • Trotz sinkender Einkommen schnellt die private Sparquote in diesem Jahr auf 12,5 Prozent in die Höhe. Das ist die höchste Sparrate seit 1992.
  • Corona-bedingte Kursverluste treiben Anleger aus Aktien und Fonds und verschärfen den von extrem niedrigen Zinsen ausgelösten Geldanlagestau.
  • Privates Geldvermögen wächst 2020 voraussichtlich nur um 2,1 Prozent.

Als Folge der Coronakrise sinken die Einkommen der privaten Haushalte in Deutschland in diesem Jahr um gut ein Prozent. Gleichzeitig bricht der Konsum ein, sodass die Sparquote auf 12,5 Prozent in die Höhe schießt. Das ist die höchste Sparrate seit 1992.

Bereits in den letzten Jahren führten anhaltend niedrige Zinsen bei den traditionell eher risikoscheuen Privatanlegern zu einem gewaltigen Geldanlagestau. Die coronabedingten Kurseinbrüche an den Aktienmärkten führten im März zu hohen Wertpapierverkäufen und Nettoabflüssen bei Investmentfonds. Das hat den Geldanlagestau weiter verschärft. In diesem Jahr wachsen Sichteinlagen und Bargeld auf voraussichtlich rund 30 Prozent des gesamten privaten Geldvermögens.

Die extrem niedrigen Zinsen und Wertverluste bei Aktien und Fonds bremsen den Geldvermögensaufbau stark ab. Trotz einer historisch sehr hohen Sparquote wachsen die Geldvermögensbestände der privaten Haushalte in diesem Jahr nur um 2,1 Prozent auf rund 6,8 Bill. Euro.

Deutschland in der Rezession
In den vergangenen Jahren wurde das Sparverhalten der privaten Haushalte in Deutschland vor allem von der anhaltenden Extrem-Niedrigzinsphase bestimmt. In diesem Jahr kommt die Corona-Krise als dominierendes Thema hinzu.

Auch wenn sich die wirtschaftlichen Folgen derzeit noch schwer abschätzen lassen, besteht Einigkeit, dass Deutschland in eine Rezession geschlittert ist. Selbst wenn der „Lockdown“ in Kürze nach und nach wieder gelockert werden kann, bleibt der wirtschaftliche Schaden beträchtlich. Trotz des guten Jahresstarts muss bereits für das erste Quartal mit einem Wirtschaftseinbruch in Deutschland gerechnet werden, der sich im zweiten Quartal noch vertiefen dürfte. Wann die wirtschaftliche Erholung einsetzen wird und wie gut sie gelingt, hängt von den Schritten zur Lockerung des „Lockdowns“ sowie vom Erfolg staatlicher Hilfsmaßnahmen für Betriebe, Selbstständige und Arbeitnehmer ab. Für das Gesamtjahr 2020 gehen wir aktuell von einem gesamtwirtschaftlichen Minus von rund vier Prozent aus. Auch wenn gelockerte Regelungen zur Kurzarbeit die Folgen für den Arbeitsmarkt gut abfedern, dürfte die Arbeitslosenquote von 5,0 Prozent in 2019 auf knapp 6 Prozent in diesem Jahr steigen.
Im nächsten Jahr dürfte sich die wirtschaftliche Erholung dann voll entfalten, ohne dass sich das aber gleich in der Arbeitslosenquote niederschlägt.

Private Haushalte legen mehr auf die hohe Kante
Für einen Teil der privaten Haushalte ist die Krise mit erheblichen Einkommenseinbußen verbunden. Betroffen sind vor allem Selbstständige, die ihre Geschäfte, Restaurants und Studios schließen mussten oder deren Aufträge weggebrochen sind. Die Einkommenskategorie „Selbstständigeneinkommen, Betriebsüberschüsse, Vermögenseinkommen“ dürfte 2020 um weit über 10 Prozent niedriger ausfallen als im letzten Jahr. Aber auch Arbeitnehmer leiden durch Kurzarbeit und Jobverlust unter den Corona-Folgen. In der Summe dürften die hiervon ausgehenden Lohn- und Gehaltseinbußen die tariflichen und freiwilligen Lohnsteigerungen der Arbeitgeber überschreiten. Dagegen können sich die 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner über kräftig wachsende Ruhestandsbezüge freuen: Im Juli letzten Jahres wurden die gesetzlichen Renten im Westen bereits um rund 3,2 und im Osten um 3,9 Prozent angehoben und ab Juli 2020 kommen nochmal 3,45 bzw. 4,2 Prozent oben drauf. Trotzdem wird das verfügbare Einkommen privater Haushalte in diesem Jahr insgesamt um 1,1 Prozent schrumpfen. Davor gab es den letzten nominalen Einkommensrückgang im Jahr 2009 als Folge der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise, der allerdings schwächer ausfiel als das, was für 2020 zu erwarten ist.

Auch wenn es betroffenen Privathaushalten durch die Einkommenseinbußen schwerer fällt, etwas auf die hohe Kante zu legen, dürfte die Sparquote in Deutschland in diesem Jahr insgesamt kräftig steigen. Dazu tragen vor allem die Verunsicherungen über die Arbeitsplatzsicherheit und die Einkommensperspektiven bei. Die daraus resultierende Konsumzurückhaltung kann insbesondere bei langlebigen Konsumgütern wie z.B. Autos beobachtet werden. Hinzu kommen Konsumeinschränkungen durch den „Lockdown“ bei Urlaubsreisen, Restaurantbesuchen, Freizeitaktivitäten, Kleidung oder beim Friseur, die sich später nur zum Teil nachholen lassen. Lediglich die Lebensmitteleinzelhändler können sich über Umsatzzuwächse durch die Selbstversorgung als Ersatz für Restaurant- und Kantinenbesuche freuen. Alles in allem dürfte der private Konsum in Deutschland um 2,8 Prozent sinken. Das ist der stärkste nominale Einbruch seit der Wiedervereinigung. Dass auch die Inflationsrate angesichts niedriger Ölpreise auf ein Niveau knapp oberhalb der 0-%-Linie fallen dürfte, ist dabei nur ein schwacher Trost. Durch den Konsumeinbruch steigt der Anteil der Ersparnis am verfügbaren Einkommen von 10,9 Prozent im letzten Jahr auf 12,5 Prozent in diesem. Das ist die höchste private Sparquote seit 1992. Mit der wirtschaftlichen Erholung dürften privater Konsum und die verfügbaren Einkommen im nächsten Jahr dann wieder spürbar wachsen und die Sparquote auf 11,3 Prozent sinken.

Corona-Krise bremst Investitionsfreude
In den letzten Jahren wurde die Entwicklung der Sparquote von der durch niedrige Kreditzinsen ausgelösten Investitionsfreude der Bürger gestützt. Dabei wirkt der kreditfinanzierte Erwerb einer Immobilie durch die regelmäßigen Tilgungen disziplinierend auf den Konsum. Zwar sind die Wohnungsbaugenehmigungen vor allem gegen
Ende des letzten Jahres kräftig gestiegen, so dass für das Gesamtjahr 2019 ein Zuwachs von 3,8 Prozent auf 360.578 neu genehmigte Wohneinheiten zu Buche
schlägt.

Allerdings dürfte die von der Corona-Krise ausgehende Verunsicherung der Privathaushalte im Hinblick auf die Arbeitsplatzsicherheit und die Einkommensaussichten
deren Investitionsbereitschaft bremsen. Hinzu kommt, dass Beschränkungen zur Bekämpfung des Corona-Virus Planungs- und Genehmigungsverfahren verzögern. Zwar werden bereits begonnene Bauprojekte in der Regel zu Ende geführt. Der Wohnungsbau dürfte sich jedoch spürbar verlangsamen, weil ausländische Fachkräfte "abgereist" und Lieferketten beim Baumaterial zum Teil unterbrochen sind. Dementsprechend wird es – üblich ist ja Zahlung nach Baufortschritt oder bei Fertigstellung – weniger Kreditabrufe geben. 2020 dürften sich die Investitionen und die damit in Zusammengang stehende Kreditaufnahme der privaten Haushalte abschwächen. Das gilt nicht nur für den Wohnungsbau und -kauf, sondern aktuell vor allem auch für die Investitionen der Selbstständigen in ihr Gewerbe.

Die kräftig wachsende Ersparnis der privaten Haushalte kommt in diesem Jahr daher vor allem der Geldvermögensbildung zugute, die um knapp 19 Mrd. Euro auf 293 Mrd. Euro steigen dürfte. Mit der wirtschaftlichen Erholung kehrt sich das Bild dann im nächsten Jahr wieder um, so dass die neu hinzukommenden Geldanlagemittel
2021 auf 278 Mrd. Euro schrumpfen werden.

Geldanlagestau verschärft sich dramatisch
Bereits in den letzten Jahren führte die anhaltende Niedrigzinsphase in ein Dilemma: Einerseits waren die privaten Haushalte in Deutschland verständlicherweise nicht bereit, sich bei extrem niedrigen oder gar negativen Zinsen langfristig in festverzinslichen Anlageformen zu binden. Andererseits verhalten sich die meisten Haushalte
bei der Geldanlage traditionell eher risikoscheu und meiden Aktien und andere kursreagible Anlageformen. Die Folge war ein gigantischer Geldanlagestau: Die privaten
Haushalte parkten einen immer größeren Teil ihrer Geldvermögen dauerhaft auf dem Girokonto. Lag der Anteil von Sichteinlagen und Bargeld am privaten Geldvermögen vor der Finanzmarktkrise relativ stabil bei 13 bis 14 Prozent, erhöhte er sich bis Ende letzten Jahres auf rund 27 Prozent.

Schaden nahm die Aktienkultur in Deutschland bereits während der zurückliegenden Finanz- und Wirtschaftskrise mit ihren teils dramatischen Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten. Damals haben sich bereits viele Privatanleger dauerhaft von der Geldanlage in Aktien verabschiedet. Später kam die zunehmende Regulierung der Märkte
hinzu. Die Offenlegung persönlicher Daten, umfassende Dokumentationspflichten und vor allem der hohe bürokratische Aufwand hat viele Privatanleger zusätzlich abgeschreckt. Ende letzten Jahres besaßen gerade einmal 4,7 Mio. Bundesbürger Aktien. Wenn man berücksichtigt, dass bei einem Teil der privaten Haushalte mehrere Haushaltsmitglieder Aktien besitzen, ist das nicht einmal jeder zehnte Haushalt in Deutschland.

Noch gravierender als in der Finanzmarktkrise waren die jüngsten Kurseinbrüche an den Aktienmärkten als Folge der aktuellen Corona-Krise. So brach der DAX von 19. Februar bis 18. März, also in nicht einmal einem Monat, um über 5.300 Punkte oder knapp 39 Prozent ein. Erneut flüchteten viele Privatanleger aus Aktien. Auch Fondsgesellschaften berichten von massiven Nettoabflüssen bei Publikumsfonds im März.

Betroffen waren nicht nur Aktienfonds, sondern auch Mischfonds und vor allem Rentenfonds. Wieder muss eine nachhaltige Verunsicherung der Aktionäre und Fondsbesitzer
befürchtet werden. Auch wenn die niedrigen Aktienkurse bei soliden Papieren eigentlich Einstiegsperspektiven eröffnen, dürfte die Geldvermögensbildung in Form von Aktien und Investmentfonds im Gesamtjahr 2020 daher negativ ausfallen. Gleichzeitig landet der Erlös aus dem Verkauf der Papiere meist auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto und vergrößert so den Geldanlagestau. Es muss damit gerechnet werden, dass der Anteil von Sichteinlagen und Bargeld bis Ende des Jahres auf rund 30 Prozent des gesamten privaten Geldvermögens steigt. Die Geldvermögensbildung, also die Summe neu ersparter Anlagemittel, wird in diesem Jahr voraussichtlich zu rund drei Viertel aus Sichteinlagen und Bargeld bestehen, also gar nicht in die Geldanlage fließen.

Im laufenden und nächsten Jahr rechnen wir für die wichtigsten Anlageformen mit folgenden Entwicklungen:

– Die Geldvermögensbildung in Form von Bankeinlagen wird 2020 und 2021 weiter hoch ausfallen. Allerdings handelt es sich meist nicht um eine nachhaltige Geldanlage. Vielmehr werden die Mittel als Sichteinlagen und andere täglich fällige Gelder dauerhaft zwischengeparkt. Vor allem im laufenden Jahr sammeln sich hier Rückflüsse aus Wertpapierverkäufen.

– Als Folge der Corona-Krise und der Kurseinbrüche an den Aktienmärkten flüchteten viele Privatanleger aus Aktien. Für 2020 ist insgesamt mit einer negativen Geldvermögensbildung in Form von Aktien zu rechnen. Sollte sich die Wirtschaft gegen Ende des Jahres wieder stabilisieren, ist 2021 eine vorsichtige Rückkehr an die Aktienmärkte denkbar. Allerdings ist nur ein kleiner Teil der Privathaushalte überhaupt an den Aktienmärkten aktiv.

– Das anhaltende Niedrigzinsniveau bietet weiterhin wenig Perspektiven für eine langfristige Geldanlage in Rentenpapiere. Sorgen bereitet auch die stark wachsende Verschuldung vieler Staaten durch die Bekämpfung der Folgen der Corona-Krise. Mit einer nennenswerten Geldvermögensbildung in dieser Anlageform ist auch 2020 und 2021 nicht zu rechnen.

– Im März dieses Jahres verzeichnete die Fondsbranche massive Nettoabflüsse bei Publikumsfonds als Folge der Corona-Krise und der Kurseinbrüche an den Börsen. Mit einer negativen Geldvermögensbildung ist auch für das Gesamtjahr 2020 zu rechnen. Im nächsten Jahr dürften sich die Nettoabflüsse bei Publikumsfonds dann spürbar abschwächen. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen jedoch, dass es möglicherweise längere Zeit dauert, bis das Vertrauen der Anleger zurückkehrt.

– Die Geldvermögensbildung in Form von Lebensversicherungen und ähnlichen Altersvorsorgeprodukten fällt durch die regelmäßigen Prämienzahlungen äußerst stabil aus. Neben Bankeinlagen (Sichteinlagen) sind sie in diesem Jahr voraussichtlich die einzige Hauptkategorie der Geldanlage mit positiver Geldvermögensbildung.

Vermögensaufbau durch Corona-Krise ausgebremst
Trotz kräftig steigender Sparquote und rekordhoher Geldvermögensbildung dürfte sich der Anstieg der privaten Geldvermögensbestände in diesem Jahr stark abschwächen. Waren die Finanzmittel der privaten Haushalte in Deutschland im letzten Jahr noch um beachtliche 7,2 Prozent gewachsen, kann in diesem Jahr nur mit einem Anstieg von 2,1 Prozent auf 6,8 Mrd. Euro gerechnet werden. Verantwortlich hierfür sind neben den extrem niedrigen Zinsen die Kurseinbußen an den Aktienmärkten als Folge der Corona-Krise, die sich in massiven Wertverlusten bei Aktien sowie Aktien- und Mischfonds bemerkbar machen. Sollte sich die Wirtschaft gegen Ende des Jahres nachhaltig stabilisieren, bestehen gute Aussichten, dass das Geldvermögen im nächsten Jahr wieder schneller wächst.

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