Bündnis fordert politische Entscheidung zu vorgeburtlichen genetischen Bluttests
Anlass ist das Stellungnahmeverfahren zu einer Versicherteninformation über die Nichtinvasiven Pränataltests (NIPT). „Diese Broschüre informiert aus unserer Sicht nicht umfassend und auch nicht ergebnisoffen über diese Tests und deren mögliche Folgen“, sagt Oberkirchenrat Dieter Kaufmann, Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Württemberg. Voraussichtlich ab Herbst 2020 werden die Gesetzlichen Krankenkassen die Kosten der NIPT für die Suche nach den Trisomien 13, 18 und 21 übernehmen. „Die Solidargemeinschaft bezahlt dann für Tests, die keinen medizinischen Nutzen haben. Umso wichtiger ist eine qualifizierte Aufklärung und Beratung über diese Tests, damit die werdenden Eltern eine informierte und tatsächlich selbstbestimmte Entscheidung treffen können, was sie über ihr Kind wissen wollen und was ein auffälliges Testergebnis für sie bedeuten würde. Wir müssen Leben schützen und dürfen es nicht zur Debatte stellen.“
Der Test könne nichts heilen, sondern nur feststellen, dass das werdende Kind wahrscheinlich das Down-Syndrom hat. Die einzige Handlungsoption der werdenden Eltern sei dann die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer Behinderung des werdenden Kindes, sagt Claudia Heinkel, Leiterin der Fachstelle für Information, Aufklärung, Beratung zu Pränataldiagnostik und Reproduktionsmedizin der Diakonie Württemberg PUA. „Das ist für jedes Paar eine Zumutung und eine überaus quälende Entscheidungssituation“
Auch angesichts der Forschung zu weiteren Tests auf zahlreiche andere genetische Varianten sowie Krankheitsdispositionen fordern die Unterzeichnenden des Positionspapiers den Deutschen Bundestag dringend auf, gesetzliche Regelungen für den Umgang mit ausschließlich selektiven Tests zu treffen und die 2019 begonnene Debatte zu Pränataldiagnostik fortzusetzen. Das breite und vielfältige Bündnis appelliert an die Abgeordneten des Deutschen Bundestags auch, ihrer Verantwortung nachzukommen und politische Entscheidungen für eine inklusivere Gesellschaft zu treffen.
2019 hatten viele Abgeordnete in einer Orientierungsdebatte zu den NIPT den Wert einer vielfältigen Gesellschaft betont. Seitdem hat sich aus Sicht der unterzeichnenden Organisationen nicht viel getan, unsere Gesellschaft ist nicht inklusiver geworden und Unterstützungsstrukturen für Menschen mit Behinderung und ihre Familien wurden nicht ausgebaut. „Eltern müssen sicher sein können, dass sie auch dann nicht allein gelassen werden, wenn sie sich für ihr Kind mit einer Behinderung entscheiden“, sagt Oberkirchenrat Dieter Kaufmann.
Hintergrund
Im September 2019 hat der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) die Kostenübernahme für den NIPT auf die Trisomien 13, 18 und 21 beschlossen. In Kraft treten wird dieser Beschluss, wenn eine Versicherteninformation zu den Bluttests auf Trisomien vorliegt, die die werdenden Eltern fachlich korrekt, umfassend und vor allem neutral informieren soll. Anfang März hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) einen ersten Entwurf vorgelegt, zu dem noch bis zum 29. Mai Stellungnahmen eingereicht werden können. Dieser Entwurf informiert aus Sicht der unterzeichnenden Organisationen weder vollständig noch ergebnisoffen und muss – unter Beteiligung von Menschen mit Behinderung und ihren Familien und Verbänden – umfassend überarbeitet werden.
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