Fünf Fragen an Benji Blomenhofer, Besitzer der Tin Tin Bar in Stuttgart
Was hat Sie dazu bewegt, Ihre Cocktails to-go anzubieten?
Als Mitte März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie sämtliche Bars und Kneipen schließen mussten, hat das meinen Geschäftspartner Jonas und mich hart getroffen. Und wir wussten erst nicht, wie es weitergehen soll. Denn keine Gäste bedeuten auch keinen Umsatz. Und kein Umsatz, kein Geld, um die laufenden Kosten zu decken. Also mussten wir uns etwas einfallen lassen. Zudem hatten wir noch Zutaten angesetzt, die in wenigen Wochen verdorben wären. Wir machen unsere Sirups, Cordials und Deko weitgehend selbst. Alles ohne Konservierungsstoffe. So können wir direkt Einfluss darauf nehmen, wie ein Cocktail schmeckt. Das ist Teil unseres Konzepts. Da wir noch circa tausend Flaschen mit Korken im Lager hatten, war schnell klar, dass wir unsere Cocktails abfüllen werden und sie to-go anbieten, und sie ab einem gewissen Bestellwert auch ausliefern.
Wie vertreiben Sie die Cocktails?
Das hat sich nach und nach entwickelt. Zuerst haben wir unsere Stammkunden über Facebook informiert und jede Woche die aktuelle Karte gepostet. Viele haben unsere Beiträge geteilt. Auch Instagram ist ein guter Kanal, dort posten wir vor allem Bilder. Über unsere Social-Media-Kanäle kommen circa ein Drittel aller Bestellungen rein. Über die Hälfte erhalten wir telefonisch. Im April kam Amazon dazu. Hier vertreiben wir über einen Zwischenhändler unseren Tin Gin, was ganz gut läuft. Seit Ende Mai haben wir unseren Online-Shop, über den wir deutschlandweit und zum Teil auch europaweit verkaufen. Im Mai haben wir zudem einmal pro Woche ein Gin-Tonic-Tasting live über Zoom angeboten, abwechselnd auf Deutsch und auf Englisch. Dafür haben wir zwei Tage vorher das Tasting-Paket versendet. Einen Lebensmitteleinzelhändler, nicht weit von unserer Bar, beliefern wir auch.
Lohnt sich das Versand- und to-go-Geschäft?
Naja, man muss Aufwand und Nutzen genau betrachten. Kein Tag ist wie der andere. Am Anfang war es sehr hart und wir haben sieben Tage die Woche gearbeitet. Mittlerweile gönnen wir uns den Luxus, Bestellungen nur noch von Donnerstag bis Samstag entgegenzunehmen und auszuliefern. Gegen Ende der Woche und am Wochenende kommen viele Bestellungen rein. Dann haben wir irre viel zu tun und freuen uns. Die Ungewissheit, wann wir mit dem Barbetrieb wieder richtig loslegen können, hat zusätzlich geschlaucht! Jetzt freuen wir uns, dass wir am 20. Mai wieder öffnen konnten.
Gibt es auch positive Momente?
Ja sicher, immer wenn Gäste vorbeikommen, um ihre Bestellungen abzuholen und fragen, was es nächste Woche Neues gibt, wie es uns geht. Vielen ist wichtig, dass wir durchhalten, denn sie wollen bald wieder ihren Cocktail bei uns in der Bar genießen. Und dann gibt es Momente, wo sich neue Chancen auftun. So wie mit Meiko. Ende Februar waren wir bei der Intergastra auf dem Stand des Spülmaschinenherstellers und haben dort Cocktails gemixt. Damals fiel mir der neu präsentierte Flaschenkorb ins Auge und ich hätte ihn am liebsten gleich mitgenommen. Mittlerweile haben wir ihn im Einsatz und spülen jede Woche 600 Flaschen damit. Wir konnten ein richtiges Pfand- bzw. Belohnungssystem einführen. Für jede zurückgebrachte Flasche gibt’s 0,50 Euro zurück. Den Invest für Flaschen und Korken bekomme ich so über kurz oder lang wieder rein. Das ist gut. Und noch ein Beispiel: die Agentur Mosaiq aus Stuttgart hat einen Webshop für uns erstellt. Ab Ende Mai können unsere Gäste auch darüber ganz bequem Cocktails ordern.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ein Konzept von der Politik für die Bars. Ich wünsche mir, dass die sieben Prozent Besteuerung auch für Getränke und nicht nur für Lebensmittel gilt. Und wenn die Einzelhändler, Schulen und Restaurants öffnen, dann können auch wir vorsichtig wieder den Betrieb aufnehmen. Abstandsregeln einzuhalten und Hygienemaßnahmen zu beachten, ist möglich! Wenn wir nicht in absehbarer Zeit für unseren Unterhalt arbeiten dürfen, wird es viele Bars bald nicht mehr geben. Zumal die Beschaffung finanzieller Mittel, sei es direkt vom Staat oder durch Kredite bei Banken, für unsere Branche extrem schwierig bis nahezu aussichtslos ist.
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