Die Fragilität der Wertschöpfungsketten: COVID-19 verändert Handel und Globalisierung weiter
Neustart oder Systemwechsel? Die Politik des Handels in Zeiten von Corona
Welche Auswirkungen wird die Krise auf die Lieferketten deutscher Unternehmen haben? Die Pandemie prägt die aktuelle Wirklichkeit des globalen Geschehens wie kein anderes Ereignis der letzten Jahrzehnte. Der internationale Verkehr von Gütern als auch Dienstleistungen ist erheblich beeinträchtigt, wenige Menschen bewegen sich noch international in einem globalen Gefüge, welches ehemals als grenzenlos erscheinende Welt wie selbstverständlich reibungslos funktionierte. Drastische Folgen wie gerissene Lieferketten, rücken die Globalisierung und mit ihr den weltweiten Handel in den Mittelpunkt massiver Kritik. Das Coronavirus wird die Strukturen des weltweiten Warenhandels und seiner Lieferketten dramatisch modulieren. Stand das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben bis vor kurzem still, gilt es jetzt, zwischen Neustart und Systemwechsel die Tendenzen innerhalb des globalen Handels auszuloten.
Wird COVID-19 die wirtschaftliche Globalisierung nachhaltig zurückdrehen?
Die weltweiten Ökonomien der Länder sind in globale Wertschöpfungsketten und Netze der Versorgung eingebunden, von denen zwei Drittel des Welthandels ausgeht. Im Zuge der Pandemie sind diese weitestgehend beeinträchtigt. Dalia Marin, Professorin für Internationale Wirtschaft an der School of Management der Technischen Universität (TU) München mit Gastprofessuren an den Universitäten Harvard und Stanford, legt in ihrer aktuellen Studie „Eine neue Ära des Welthandels“ das Bild des sogenannten „Unsicherheits-Index“ offen. Dadurch ist es möglich, Schwankungen im Sicherheitsgefühl der Gesellschaft quantifizieren und messbar machen zu können. Einschätzungen zufolge ist der Anstieg der Unsicherheit in Zeiten von Corona mehr als dreimal so hoch, wie noch bei der nationalen Epidemie SARS. Die weltweite Unsicherheit durch das Coronavirus könnte um bis zu 300 Prozent steigen. Käme es laut Marin dazu, entspräche das einem Rückgang der globalen Lieferketten um 34,5 Prozent. Reshoring wäre die Folge, eine Rückholung der Produktion in den heimischen Markt der Unternehmen. Betroffen von dieser Rückholung ist dann vor allem die Fertigung in Schwellen- und Billiglohnländern, besonders in Asien und Osteuropa.
Internationaler Wirtschaftssenat e.V. fordert Resilienz in Wertschöpfungsketten
Der Generalsekretär des Internationalen Wirtschaftssenats e.V., Peter Nußbaum erklärt hierzu, dass es längst überfällig sei, neue Richtungen und eine internationale Governance in der Handelspolitik vorzugeben, damit diese globalen Prozesse stabiler, lebenswerter und vor allem nachhaltiger werden. Der IWS als Sprachrohr der Wirtschaft fordert die Politik deshalb auf, für Deutschland und die EU ein tiefgreifenderes Verständnis der Stärken als auch Schwachstellen der wichtigsten Lieferketten zu entwickeln. Nur auf dieser Basis kann ein modifiziertes handels- und investitionspolitisches Umfeld ausgerichtet werden. Nußbaum akzentuiert, Resilienz in den Wertschöpfungsketten klar zu fordern und zu fördern, als auch dezidiert Handelsbarrieren abzubauen und dem drohenden Prozess des Reshorings entgegenzuwirken.
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