Die Tourismuslehre und das Coronavirus: Wird das Interesse nachhaltig sinken?
Auf der Webseite von Studycheck.de können Studierende ihre Studiengänge bewerten und sich über zahlreiche Fächer informieren. Vergleicht man die Zahl der Suchanfragen, die die Studiengänge Tourismusmanagement und Tourismuswirtschaft vor der Coronakrise generierten mit den Zahlen, die während der Krise entstanden sind*, fällt eine eindeutige Entwicklung auf: Das Interesse an touristischen Studiengängen ist auf StudyCheck.de deutlich gesunken.
Die Suchanfragen für den Studiengang des Tourismusmanagements sanken um neun Prozent, das Fach der Tourismuswirtschaft verbuchte sogar einen Rückgang von 36 Prozent. StudyCheck.de hat daher zwei Tourismus-Experten aus der Lehre zu ihrer Einordnung der Zahlen und dem Einfluss des Coronavirus auf die Zukunft des Tourismus-Studiums befragt.
Nicht zwangsläufig ein Grund zur Beunruhigung:
Dr. Jürgen Schmude, Professor für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München setzt die sinkenden Seitenaufrufe in einen Kontext, der über die Pandemie hinausgeht:
„An der LMU sehen wir derzeit keine rückläufigen Zahlen von angehenden Studierenden. Allerdings muss man hier zwischen Universitäten und Fachhochschulen unterscheiden, da es eine Frage des Departments sein könnte. An der LMU ist die Tourismuswirtschaft an die Geographie geknüpft, an vielen Hochschulen bildet die Fachrichtung Tourismus eine eigenständige Fakultät. Hier könnten Entwicklungen unmittelbarer spürbar sein.
Fakt ist, dass Arbeitsplätze in der Tourismusbranche ein Imageproblem haben. Das liegt unter anderem an Faktoren wie Arbeitszeiten und Bezahlung. Die Zeiten der explodierenden Zahlen sind also vorbei – waren es aber auch schon vor dem Coronavirus.
Eine gesicherte Prognose zu Veränderungen von Lehre und Studium aufgrund des Coronavirus kann derzeit noch nicht abgegeben werden. Am Ende hängt es davon ab, wie sich das Virus entwickeln wird. Außerdem gibt es ein anderes gesellschaftsrelevantes Thema, das die Attraktivität des Studiums befeuert hat und wohl in Zukunft weiter stärken wird: Die Debatte um den Klimawandel.”
Prof. Dr. Alfred Bauer, Dekan der Fakultät Tourismus-Management an der Hochschule Kempten, sieht die Lehre in Zeiten von Corona zwar vor Herausforderungen, glaubt aber auch an neue Optionen und Chancen für die Zukunft:
„Bisher können wir keine Aussage zu Veränderungen bezüglich des Interesses am Tourismusstudium machen. Das liegt daran, dass die Abiturprüfungen in Bayern und Baden-Württemberg – Bundesländer, die zu unserem Haupteinzugsgebiet gehören – nach hinten verschoben wurden. Eine eindeutige Aussage wird man also erst in einiger Zeit treffen können.
Sorgen bereitet mir allerdings, dass der Tourismus bereits seit einer Weile im Fokus einer negativen Berichterstattung steht, sei es das Thema Overtourism, Umweltbelastung oder aktuell das Coronavirus und dessen extreme Auswirkungen auf die Branche. Alles Faktoren, die angehende Studierende abschrecken könnten.
Vor diesem Hintergrund wird es sicherlich Studieninteressierte geben, die sich für andere Wirtschaftszweige entscheiden. Es wird aber andererseits Abiturienten geben, die sich nun an Stelle einer dualen Ausbildung für ein Studium entscheiden. Für die Zukunft ist davon auszugehen, dass der Tourismus ein Konsumgut bleiben wird, auf das Menschen nicht bereit sein werden zu verzichten, weshalb wir auch künftig gut ausgebildete und engagierte Touristikerinnen und Touristiker brauchen.“
Auch Hendrik Ewers, Hochschulexperte von StudyCheck, sieht in den sinkenden Aufrufen noch keinen akuten Grund zur Besorgnis. „Die aktuellen Zahlen könnten durchaus ein erster Indikator für eine langfristige Entwicklung sein, es kann sich aber auch nur um ein temporäres Tief handeln. Die Coronakrise hat bei vielen angehenden Studierenden für Unsicherheit gesorgt, was wir auf StudyCheck.de an vielen Stellen beobachten konnten. Das Interesse an Pflegeberufen ist beispielsweise stark gestiegen, die Tourismuslehre hingegen hat in den letzten Monaten weniger Interesse generieren können als zuvor. Vielleicht ist das aber auch nur das Resultat einer Verschiebung in der Berichterstattung und der öffentlichen Diskussion. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Zahlen weiterhin entwickeln."
*Untersucht wurden die Seitenaufrufe auf StudyCheck.de im Zeitraum vom 16. März bis zum 3. Mai 2019 mit den Suchanfragen im Zeitraum vom 18. März bis 5. Mai 2020
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