Corona-Krise birgt materielle und soziale Risiken für Arbeitslose
Bis zum Juni dieses Jahres erhöhte sich in Deutschland die Arbeitslosenquote auf 6,2 Prozent, im Vergleich zu einem Wert von 4,9 Prozent im Dezember 2019. Dieser bislang geringe Anstieg ist wesentlich auf den umfangreichen Einsatz von Kurzarbeit zurückzuführen. Im Mai befanden sich über sieben Millionen Personen in Kurzarbeit. Das sind mehr als 15 Prozent aller Beschäftigten. Zwar nimmt die Zuversicht für einen Aufschwung bereits wieder zu. „Es wird aber erfahrungsgemäß dauern, bis dies zu neuen Unternehmensinvestitionen führt und damit zu Neueinstellungen auf dem Arbeitsmarkt“, so Boris Ivanov, ebenfalls Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich „Arbeitsmärkte und Personalmanagement“ und Mitautor der Kurzexpertise. So waren im Juni 2020 nur noch 570.000 unbesetzte Stellen bei den Arbeitsagenturen gemeldet – 228.000 weniger als noch vor einem Jahr. Dies entspricht einem Rückgang um 28,6 Prozent.
Arbeitslosigkeit belastet psychische Gesundheit und Lebenszufriedenheit
Der kommende Anstieg der Arbeitslosigkeit wird auch gesellschaftliche und persönliche Herausforderungen mit sich bringen. „In einer Studie haben wir festgestellt, dass die psychischen Probleme ehemals Beschäftigter um 8,9 Prozentpunkte zunehmen, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlieren“, verdeutlicht Laura Pohlan. „Auf der Grundlage von Daten aus den Jahren 2007 bis 2015 wird deutlich, dass bei einem Jobverlust die allgemeine Lebenszufriedenheit um 7,3 Prozentpunkte sinkt. Die empfundene soziale Integration geht um 6,1 Prozent zurück, und der soziale Status fällt um 3,8 Prozentpunkte“, so Pohlan weiter.
Wenn die Arbeitslosigkeit länger andauert, nehmen die negativen sozialen Auswirkungen für die Betroffenen weiter zu. Langzeitarbeitslosigkeit bedeutet oftmals besonders ausgeprägte soziale Einschnitte. Während Beschäftigte ihre allgemeine Lebenszufriedenheit auf einer Skala von null bis zehn mit 7,4 einschätzen, liegt der Wert bei Langzeitarbeitslosen im Mittel nur bei 5,9. Die Beeinträchtigungen gehen auch dann nicht wieder vollständig zurück, wenn die Betroffenen wieder eine neue Beschäftigung finden. In der aktuellen Krise kommen für viele Betroffenen zudem die Kontaktbeschränkungen und die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Wirtschaft hinzu. Diese Aspekte können die nachteiligen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf die soziale Teilhabe weiter verstärken. Eine weitere Problematik der Corona-Krise liegt in den verschlechterten Zukunftsaussichten für Abgängerinnen und Abgänger von Schulen und Hochschulen. In der Krise ist es schwieriger geworden, einen Ausbildungsplatz zu finden oder den Berufseinstieg zu bewältigen. Die sozialen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit im Zuge der Corona-Krise könnten demnach noch größer ausfallen.
Langzeitarbeitslose profitieren von Teilnahme an Beschäftigungsprogramm
Eine weitere Studie des ZEW zeigt, dass die Teilnahme am Beschäftigungsprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ die soziale Teilhabe von Langzeitarbeitslosen deutlich verbessert hat. Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind nach etwa sieben Monaten im Programm durchschnittlich um etwa 14 Prozentpunkte zufriedener mit ihrem Leben als Langzeitarbeitslose, die nicht am Programm teilnehmen. Außerdem weisen die Teilnehmenden eine um zirka elf Prozentpunkte höhere mentale Gesundheit auf als die Langzeitarbeitslosen aus der Kontrollgruppe. Weiterhin steigt die wahrgenommene soziale Integration im Durchschnitt um 10,7 Prozentpunkte, und der soziale Status erhöht sich um 4,6 Prozentpunkte.
Die beiden ZEW-Studien messen dieselben Größen und sind deshalb direkt miteinander vergleichbar. Dabei zeigt sich, dass der Zugewinn an sozialer Teilhabe durch die Teilnahme am Beschäftigungsprogramm größer ist als der Rückgang, den der Verlust eines regulären Arbeitsplatzes im Durchschnitt verursacht. „Das lässt sich damit erklären, dass sich das Beschäftigungsprogramm ‚Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt‘ explizit an Langzeitarbeitslose mit geringen Beschäftigungsaussichten richtet“, ist sich Boris Ivanov sicher. „Langzeitarbeitslose sind also besonders stark von den negativen sozialen und materiellen Auswirkungen der Arbeitslosigkeit betroffen. Sie scheinen aber umgekehrt auch stärker von einer Beschäftigung zu profitieren“, resümiert Laura Pohlan.
Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Durch gezielten Wissenstransfer und Weiterbildung begleitet das ZEW wirtschaftliche Veränderungsprozesse. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW rund 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.
Forschungsfelder des ZEW
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