Zwischen Held der Arbeit und Parteiverfahren, ein Flugzeug auf der Waldwiese und Telegramm-Angst – 5 E-Books von Freitag bis Freitag zum Sonderpreis
In seinen beiden anderen Büchern – „Tobias sucht den Doppeldecker“ und „Sturz aus den Wolken“ geht es auf sehr unterschiedliche Weise um das Thema Fliegen und um sehr persönliche Konflikte.
In „Die Sache mit Maria“ stellt uns Herbert Otto einen sozialistischen Helden vor. Und das ist hier im besten Sinne des Wortes gemeint. Einen Helden mit Ecken und Kanten und mit einem Hunger nach Leben, wie ihn nur einer haben kann, der es sehr liebt und der sich für seine Trauerrede nur eines wünscht: Ungeschminkt soll sie sein. Ungeschminkt …
Und damit sind wir wieder beim aktuellen Beitrag der Rubrik Fridays for Future angelangt. Jede Woche wird an dieser Stelle jeweils ein Buch vorgestellt, das im weitesten Sinne mit den Themen Klima, Umwelt und Frieden zu tun hat – also mit den ganz großen Themen der Erde und dieser Zeit. Und da hat die Literatur schon immer ein gewichtiges Wort mitzureden und heute erst recht. Erneut ist ein zu DDR-Zeiten berühmter Schriftsteller und Fotograf viel unterwegs, um von den Kostbarkeiten der Natur berichten zu können und von den Menschen, die sich schon damals für ihren Schutz eingesetzt haben, damit die Erde ihre Flora und Fauna bewahrt. Und genau darum geht es noch immer. Nur ist es ein paar Jahrzehnte später vielleicht noch ein bisschen wichtiger und dringender. Aber was heißt hier vielleicht? Es ist noch wichtiger und dringender …
Erstmals 1984 veröffentlichte Wolf Spillner „Durch Urwald und Dünensand. Aus Naturschutzgebieten und Nationalparks der CSSR, der VR Polen und der DDR“: Für dieses Buch ist Wolf Spillner fast dreißigtausend Kilometer gefahren und viele Hundert Kilometer gewandert und geklettert. Bekannte und unbekannte Pflanzen und Tiere in geschützten Landschaften wollte er beobachten und fotografieren, um darüber berichten zu können. So kam er in verschiedene Naturschutzgebiete und Nationalparks in der Volksrepublik Polen, in der CSSR und in der DDR. Von den Seen der wilden Gänse und seltenen Schwarzhalstaucher seines mecklenburgischen Dorfes, über die im Frühjahr und Herbst die Seeadler fliegen, ist er zu den scheuen Wisenten gefahren und vor ihnen davongerannt. Durch glutheißen Sand der Wanderdünen an der Ostsee ist er gestapft und durch den Sommerschnee der Hohen Tatra, dort, wo die Karpatengämsen leben. In den regennassen Waldbergen der Bieszczady hat er den Schwarzstorch auf seinem Nest gesehen und die seltene, kleine Orchidee Korallenwurz auf der Insel Rügen. Unter der Tarnkappe seines Versteckzeltes hat er mit Notizbuch und Kamera auf Bäumen und im Sumpf, zwischen Felsgeröll und im Schnee gesessen, um die scheuen Tiere zu belauschen und Bilder von ihrem Leben für dieses Buch zu sammeln. Das war nicht immer leicht. Aber es war immer schön, denn viele freundliche Menschen, die sich in den Reservaten und Nationalparks um den Schutz der Natur sorgen, haben ihm sehr geholfen. Nur so konnte dieses Buch im Laufe einiger Jahre entstehen. Spillner hat viel von der Schönheit der Natur gesehen und doch nur einen Teil vom Reichtum unseres blauen Planeten. Hier ein Teil seines damaligen Berichts von der Insel Rügen:
„Der Felsenbrutplatz der Mehlschwalben ist nur eine Kostbarkeit des Naturschutzgebietes. Es gibt so viele andere, dazu gehören vor allem die Orchideen. Von fünfundfünfzig Orchideenarten, die in den beiden deutschen Staaten vorkommen, gedeihen zwanzig Arten im Jasmundwald und auf den Hängen der Steilküste. Einige davon habe ich an diesem Tage gesehen. Aber an einer der seltensten und kleinsten wäre ich vorbeigelaufen, wenn Dr. Jeschke sie mir nicht gezeigt hätte.
Dicht neben dem Wanderweg im Schatten zwischen den braunen Buchenblättern des Vorjahres stand eine lockere Gruppe dünnstieliger, blässlicher, nur fingerlanger Pflänzchen mit winzigen grünlich bleichen Blüten. Das war die Korallenwurz, die fast kein Blattgrün erzeugt. Sie lebt in Gemeinschaft mit winzigen Wurzelpilzen. Ähnlich gedeiht auch der Blattlose Widerbart, eine gleichfalls bleiche Orchideenart, die sehr selten und unregelmäßig in einem der Schluchttäler blüht. Häufiger und vom Wanderweg gut zu erkennen ist die Vogelnestwurz. Auch ihre weißen Stängel sind völlig frei vom Blattgrün, ihre Blütenstände merkwürdig bräunlich weiß und wie aus Wachs geformt. Fremdartig und seltsam stehen sie im braunen Buchenlaub. Man kann sie kaum übersehen. Sie sind nicht so klein wie die Korallenwurz, sondern mindestens handhoch. Strahlend weiß leuchteten uns auf der nächsten Anhöhe die Blüten des Langblättrigen Waldvögleins entgegen. Diese Orchideenart ist im Naturschutzgebiet nicht so selten. Sie wird über einen halben Meter hoch und hat schöne, schwertförmige grüne Laubblätter, über denen sich die Ähre der weißen Blüten im Wind wiegt. Sie liebt den lichten Buchenbestand und wächst auch auf den locker bewaldeten Hängen. Dort gedeiht sie zusammen mit dem Fuchsknabenkraut, das von allen Orchideenarten am häufigsten ist, und mit dem Purpurknabenkraut.
Orchideen — mit ihrem Namen verbindet sich die Vorstellung von tropischer Üppigkeit und südlichen Urwäldern. Die meisten der rund dreißigtausend Orchideenarten sind auch dort zu Hause. Nur wenige haben sich dem Leben in unseren kühleren Regionen angepasst. Sie sind nach und nach aus dem Mittelmeergebiet weiter ins nördliche Europa vorgedrungen. Im Vergleich zu den südlichen Verwandten sind ihre Blüten klein und bescheiden. Nur der Frauenschuh bildet eine Ausnahme. Seine großen Blüten haben eine breite, bauchige Pantoffellippe in strahlendem Gelb, um die violette, gedrehte Bänder flattern. Er ist an den Kreidehängen der Steilküste zu finden, doch steht er nicht dicht am Wanderweg. Man muss den Frauenschuh mit dem Fernglas suchen, denn es ist nicht erlaubt, den Weg zu verlassen und am Steilhang umherzuklettern! Das ist einerseits sehr gefährlich, weil man abstürzen kann, und zum anderen dürfen die Hänge nicht betreten werden, um den Abbruch der Kreide nicht weiter zu beschleunigen. Jährlich wandern mehr als dreihunderttausend Besucher durch das Naturschutzgebiet Jasmund. Jeder, der den Weg verlässt und das Steilufer betritt, kann großen Schaden anrichten, der zunächst noch gar nicht sichtbar ist.
Mindestens fünfzehn Jahre dauert es, ehe sich eine Frauenschuhpflanze so weit entwickelt hat, dass sie Blüten tragen kann. Es ist daher auch streng verboten, Orchideen zu pflücken oder auszugraben! Sie gehören zu den gefährdeten Schätzen unserer Pflanzenwelt, die nur noch an wenigen Plätzen unserer Heimat so reich vorkommen wie auf der Kreide von Jasmund.
Durch eine Baumlücke zeigte mir Dr. Jeschke eine Gruppe von blühendem Frauenschuh. Die leuchtenden Blüten schwebten unter den Buchenblättern wie Schmetterlinge am grünen Hang. Sie sahen sehr kostbar aus.“ Und damit zu den ausführlicheren Vorstellungen der anderen vier Sonderangebote dieses Newsletters.
Erstmals 1976 veröffentlichte Herbert Otto im Aufbau-Verlag Berlin seinen Roman „Die Sache mit Maria“: Ein Reh tauchte plötzlich von links auf, ganz dicht. Der Fahrer hatte noch sachte gebremst, es fehlten nur Zentimeter. Mit hundertzwanzig voll auf ein Tier dieser Größe. Amen. Alles wäre weitergegangen ohne sie. Und Willi wäre dran gewesen mit der Rede. Ungeschminkt, das war die Bedingung. Trauergäste. Macht eure längsten Gesichter. Wo, zur Hölle, stand das nur wieder. Also, Leute. Dieser hier, Robert Gassen, Rohrschlosser von Natur, Kommunist mit stark anarchistischem Einschlag, Trunkenbold und Schürzenjäger, immer zwischen Held der Arbeit und Parteiverfahren – dieser, Trauergäste, starb unverdient früh. Er hat gern gelebt, aus vollem Halse. Es kotzte ihn an, und er liebte es. Die Mathematik liebte er, einen Großbau beherrschte er. Fast alle Mittel waren ihm recht, wenn er einen Kessel baute und Termine hielt. Oder wenn er ein Weib wollte. Er hinterlässt einundzwanzig Dampferzeuger, den letzten unvollendet. – Er hasste die Heuchelei, die Selbstsüchtigen und die Bürokraten, die er reizen konnte bis zu Infarkt und Magengeschwür. Er empfing noch die Würde eines Oberingenieurs. Direktor für Produktion zu werden, lehnte er strikt und bis zum letzten Augenaufschlag ab; denn zu seinem Weltbild gehörte die Vorstellung, jeder solle genau den Platz in dieser Gesellschaft einnehmen, den auszufüllen er imstande sei. Er hinterlässt Mariechen, die noch nichts weiß und die wir nicht finden konnten. Vielleicht ahnt sie etwas. Denn sie war anders. Und auch er zu ihr. Und war schon geändert worden durch sie. Das fing eben an: das Hinausdenken über sich selbst und auf sie. – Sterben wollte er in Gummistiefeln. Gestorben ist er in den beigefarbenen Schuhen, den einzigen, die er besaß, und in dem billigen grauen Flanell, den er widerwillig anzog und nur selten oder wenn es Orden gab. Dieselben sehen Sie dort links, Trauergäste. Bis auf einen, der verlorenging. Und bis auf die, die ihm nicht verliehn wurden, obwohl er sie verdient hatte. Denn ein Held, Trauergäste, war er nie. Ein Held hat rund zu sein, wie wir wissen. Aber wir wollen ihn jetzt erstmal kurz kennenlernen, diesen Robert, diesen Kommunisten mit anarchistischem Einschlag, der immer zwischen einer Auszeichnung als Held der Arbeit und Parteiverfahren schwebte:
„2. Kapitel
Seit drei Tagen lief er im Gelände umher, immer ohne Begleitung und scheinbar planlos. Er redete mit niemandem, es sei denn, er traf einen alten Bekannten, was zwei- oder dreimal täglich geschah. Er saß oder stand irgendwo, rauchte und prägte sich ein, was er sah. Nur darauf verließ er sich; mit Berichten oder Erklärungen fing er nichts an.
Eine Woche hatte er sich Zeit gegeben, dann würde er wissen, was vorging und was man ändern musste.
Die ersten beiden Kessel waren übergeben und liefen ziemlich stabil. Er sah sich Kessel zwei an und ging dann ins Turbinenhaus. Er wird fünfundneunzig machen oder weniger. Weniger, dachte Robert. Und er hätte es wieder vergessen können. Was ging es ihn an, wie viel Megawatt der Block im Augenblick leistete. Fertige Kessel gingen ihn nichts an, von Garantiearbeiten abgesehen. Wegen der vier anderen war er hier, der fast fertigen, halb fertigen und noch nicht begonnenen. Wegen der Pannen und Stillstände, der Löcher und Fallgruben in der Technologie. Was stehst du also rum und glotzt die Turbine an. Sie bekommt ihren Dampf und läuft. Fertig.
Aber seltsamerweise ging er doch in die Blockwarte. Später hat er oft an diesen Augenblick zurückgedacht. Vielleicht wären sie sich nie begegnet. Sicher nicht. Tausende Menschen, drei Werktore, drei Verkaufsstellen für Lebensmittel und Getränke, zwei Speisesäle. Und jeder ging in einen anderen. Nur an diesem Vormittag konnten sie sich treffen, und nur, weil er nicht nach rechts weiterging durchs Turbinenhaus zurück zu Kessel vier und fünf, sondern nach links und in die Blockwarte.
Fünf, sechs Leute im Raum. Er sah sie sofort. Sie saß nur halb auf ihrem Drehstuhl, schräg zum Pult und setzte Zahlen in ein Vordruckpapier ein. Zwischendurch blickte sie auf eines der Instrumente. Dann konnte er ihr Profil sehen. Die Brille stand ihr gut. Das Haar trug sie streng nach hinten und zu einem Knoten gekämmt. Sie hatte tiefschwarzes Haar, das sie vielleicht färbte . Und wenn. Ihr Kleid war blau und orange gemustert, nach der Art türkischer Tücher. Im Haarknoten eine Schleife von hellblauer Farbe. Schwarze Lederstiefel.
Minutenlang stand Robert an der Tür und sah sie an, ohne noch zu wissen, weshalb er gekommen war. Plötzlich setzte sie die Brille ab, nahm das Blatt und ging eilig hinaus. Der Blick, den sie ihm zuwarf, besagte nichts. Dutzende solcher Blicke wechselt man täglich, und das Leben geht weiter wie bisher.
Als er nach einer Weile die Blockwarte verließ, war sie verschwunden. Wenn er von da ab an sie dachte, nannte er sie die Bunte. Und er würde morgen wieder vorbeigehen.
Am frühen Mittag dieses Tages sah man ihn oben auf Kessel drei sitzen, eine Stunde oder länger, sah ihn rauchen, plötzlich aufstehen und umhergehen. Dann saß er wieder, starrte hinunter, immer in dieselbe Richtung. Entweder starrte er die Gleise an, die hinüber zur Vormontage liefen, oder die Kräne oder die Lasten, die sie von den Waggons zogen und einschwenkten.
Inzwischen hatte sich herumgesprochen, wer er war, denn es gab viele, die ihn nicht kannten oder nur vom Hörensagen.
Gassen Robert.
Hat der was am Kopp?
Läuft rum wie falsches Geld.
Ein Verrückter.
Wieso?
Der holt jeden verfahrenen Kessel aus dem Dreck.
Ein Schlaumeier, wie?
Saß also auf fünfzig Meter sechsundachtzig, wo die Kesseldecke noch fehlte, weil der Winter zu lange gedauert hatte und sie nicht ausmauern konnten, turnte über die Träger wie im Zirkus, stieg hinunter und erschien dreißig Minuten später wieder dort oben. Diesmal hatte er Jeschke Fritz, den sie Eule nannten, mit hinaufgenommen. Eule, Ende Dreißig, war Rohrschlosser und leitete den Meisterbereich Vormontage.
Bisher hatte Robert kaum zehn Sätze mit ihm gewechselt, und immer hatte Eule widersprochen, knapp und unbeherrscht und ohne den geringsten Versuch zu machen, mit seiner Meinung über Robert hinterm Berg zu halten. Wenn du denkst, du kommst hier an und kannst alles umschmeißen von heut auf morgen.
Nicht mit mir. Jeder Bau hat Puls und hat sein Innenleben. Besserwisser haben wir die Menge hier. Und Spinner.
Robert brauchte solche Leute. Er brauchte den Widerstand. Wer sofort einverstanden war, mit dem konnte man nichts umkrempeln.
„Was meinst du, was ich hier oben alles sehe?“, fragte er.
„Landschaft“, sagte Eule nach einem giftigen Schweigen.
An einem grauen regnerischen Tag wie heute fühlte sich auch die Landschaft nicht wohl. Die Teiche hinterm Dorf hatten krauses Wasser vom Wind, wirkten kleiner als sonst und schmutzig.
„Außer Landschaft sehe ich eine Kesseldecke, die nicht da ist. Dann sehe ich“, und Robert blickte auf die Uhr, „dass heute der Vierzehnte ist. Am Dreißigsten soll die Turbine laufen, und ich sehe, dass sie nicht laufen wird.“
„Das sehe ich auch unten alles“, sagte Eule.
„Ich meine, wenn wir so weitermachen, läuft sie nicht“, sagte Robert. „Dann sehe ich, dass hinten bei euch zu wenig vormontiert wird.“
„Und ich sehe“, sagte Eule, „dass du mich jetzt bald am Arsch lecken kannst.“
„Lass mich ausreden. Das Verhältnis stimmt nicht. Wir müssen den Grad der Vormontage erhöhen. Der Rückstand an Kessel vier muss kleiner werden. Und nicht noch größer. Setz dich!“
„Ich bleib stehen.“
„Außerdem sehe ich, dass die Vormontage und die Montage zusammengelegt werden müssen. Wir könnten den Bereich Heizflächen nennen. Willst du den übernehmen?“
„Nein“, sagte Eule einfach.
„Dann hört der lästige Zustand auf, dass du und der Meister von Montage dauernd Krieg führen, einer den anderen beschuldigt, während jeder sein Schäfchen ins Trockene bringt. Die beiden Bereiche sind eine Einheit. Du kannst sie übernehmen.“
„Nein. Ich mach meine Arbeit und fertig.“
„Du machst deine Arbeit nicht gut genug.“
„In Ordnung. Ich hau jetzt ab.“
„Du bleibst hier!“, brüllte Robert, es gefiel ihm, wie der andere die Zähne zeigte. Ohne Einsicht rühren sie kein Bein, diese Typen. Er gehörte selbst zu dieser Sorte. Früher ganz bestimmt und heute auch noch oft.
„Du sollst herkommen!“
Eule kam aber nicht. Robert sah ihn fluchend die Leiter hinuntersteigen. Genau der richtige Mann. Wir gründen einen Bereich für besondere Aufgaben. Und er bekommt ihn. Angefangen wird mit der Kesseldecke, und Robert ahnte auch schon, wie. Eule wird diese Arbeit übernehmen. In einer knappen Woche muss das geschafft sein. Aber einen Bereich für Besonderes werden wir nicht bilden. Das wäre natürlich Quatsch. Das kam so aus dem Augenblick. Als Eingebung, wie man sagt . Bei Eingebungen musst du aufpassen. Das weißt du.“ Eine bereits begonnene Verfilmung dieses damals vielgelesenen und vieldiskutierten Gegenwartsromans war übrigens 1980 abgebrochen worden.
Erstmals 1975 erschien im Kinderbuchverlag „Tobias sucht den Doppeldecker“ von Jürgen Leskien: Ein Knattern und Fauchen lässt Tobias auf der Kletterkiefer aufhorchen. Ein Flugzeug mitten auf der Waldwiese? So etwas hat es noch nie gegeben. Tobias beobachtet, wie der Doppeldecker landet und drei Flieger aus der kleinen Maschine klettern. Er sieht, wie die Flieger eine Karte ausbreiten und ihre Kopfhauben ablegen. Als sie sich abwenden und etwas zu erkunden scheinen, kann Tobias nicht widerstehen: Er stopft sich eine Kopfhaube unter das Hemd und läuft hastig den Weg zurück ins Dorf. Doch Tobias kann sich an der Kopfhaube nicht erfreuen, so viel sie ihm auch von Flugzeugen, Wind und Wolken zu erzählen vermag, denn er weiß, sie wird gebraucht. Und so ergeht es ihm:
„Die Piloten gehen, der Spur der Räder folgend, über die Wiese. Der Bordmechaniker schließt die großen Klappen am Motor, danach verschwindet er im Rumpf. Wieder ist es still.
Die beiden sind nun in der Mitte der Waldwiese.
Tobias rutscht auf der Astgabel hin und her. Er sieht nach unten, die silberne Thermosflasche liegt im Gras – daneben die Kopfhauben.
Was könnte man nicht alles hören, wenn man sich solch eine Haube aufsetzt: Morsezeichen, Funksprüche anderer Flugzeuge, vielleicht sogar Signale von Raumschiffen! Sicherlich versteht man alles gut, denn die Haube liegt bestimmt dicht am Kopf an. Mit einer Schnalle schnürt man sie unter dem Kinn fest zu, dann kann sie nicht verrutschen, das weiß Tobias von Frank.
Die Piloten haben den gegenüberliegenden Waldrand erreicht. Am Flugzeug regt sich nichts.
Vom letzten Ast lässt Tobias sich in das Farnkraut fallen. Schnell sieht er zum Flugzeug. Er kann nur die obere Tragfläche und die Spitze des Leitwerkes erkennen.
Gebückt schiebt sich Tobias durch das hohe Farnkraut. Ein paar Meter nur, dann hockt er neben den Kopfhauben. Das Leder ist weich, so weich wie Muttis Handschuhe. Der glänzende Stoff im Innern der Haube fühlt sich angenehm kühl an. Die Vertiefungen sind für die Ohren, das sieht man. Und aus dem knopfgroßen Loch kommen die Töne, können direkt in das Ohr des Piloten kriechen. Das hier ist die Leitung, sie ist steif wie ein Gummikabel. Und das ist der Stecker, an den das Funkgerät angeschlossen wird.
Hui, die rutscht ja gleich in die Stirn! Muss sie ja auch. Die Piloten sind älter und haben größere Köpfe, denkt Tobias. Deshalb passt sie mir nicht, deshalb muss ich sie an meine Ohren drücken. Jetzt ist nicht einmal mehr das Rauschen der Bäume zu hören.
Tobias hebt den Kopf. Er ist ganz allein. Nur wenige Schritte, einen Sprung über den Graben, schon ist er auf der Waldschneise. Der Stecker der Haube bleibt am Gestrüpp hängen. Ein Ruck – und er ist wieder frei.
Da sieht Tobias Mücke, die in der Schneise liegt. Flink steckt er die Haube unter das Hemd. Für Mücke muss er beide Hände freihaben.
Tobias schaut geradeaus, als er sich auf der Schneise von der Waldwiese entfernt. Er möchte laufen, ganz schnell möchte er am Haus sein. Aber noch geht er, er geht schnell, hüpft zwischendurch auf einem Bein, einen Schritt weit nur.
Dann ist er am Knick des Waldweges. Hier kann man noch die Waldwiese und schon das Haus sehen. Noch fünf Schritte, und der Blick zur Lichtung ist von den niedrigen Kiefern verstellt.
Tobias läuft. Die Haube hüpft unter dem Hemd, und Mücke will wieder fliegen. Ungeduldig zerrt sie an Tobias’ Arm. Tobias hat zu tun.
Der Abend ist schon bis zur Dachrinne geklettert.
Die Fenster der Kammer mit den schrägen Wänden blinken noch in der Abendsonne. Es ist still im Haus.
Im Flur lehnt Tobias Mücke an den Schuhschrank, er steigt eilig die Treppe zur Dachkammer empor.
Behutsam zieht er die Haube hervor. Tobias entdeckt Schnallen und Knöpfe, von denen er nicht weiß, warum sie an das Leder genäht wurden. Schade, dass ich nicht mein dickes Fliegerbuch mitgenommen habe, denkt er, da steht bestimmt drin, wofür die Schnallen an der Haube sind.
Tobias hört, wie unten die Haustür geöffnet wird. Er setzt sich die Haube noch einmal auf, dann legt er sie hastig in Franks Bücherregal und beginnt darin zu kramen.
Vier Bücher sind neu. Tobias nimmt das letzte aus der Reihe. Er will lesen, aber seine Gedanken sind bei dem Doppeldecker auf der Waldwiese. Ob die Piloten schon am Flugzeug sind?“
Drei Jahre zuvor hatte Jürgen Leskien im Verlag Neues Leben Berlin „Sturz aus den Wolken“ veröffentlicht: Diesen Sommerabend wird der Jagdflieger Lindner sobald nicht vergessen. Als er von seiner Freundin Inge zurückkommt, erwartet ihn sein Vorgesetzter. Nun weiß er wieder: Er hatte Befehl, die Wohnung während des Bereitschaftsdienstes nicht zu verlassen. Aber da war der beunruhigende Anruf, da war die Sorge um Inge, die verunglückt sein sollte, und er war ohne Zögern zu ihr gefahren. Lindner begreift an diesem Abend, dass er nicht nur Inges Vertrauen aufs Spiel gesetzt hat. Er schweigt, aber es fällt ihm schwer, mit einer Lüge zu leben. Als er endlich redet, ist es fast zu spät. Aber hier sind wir noch am Anfang der Geschichte, ziemlich am Anfang, und der junge Flieger hat ein Problem:
„Was schreibt man einer zukünftigen Lehrerin? Zum Beispiel einer zukünftigen Deutschlehrerin? Der Satzbau muss stimmen und auch die Interpunktion. Der Stil muss leicht, frei und locker sein. Leicht, frei und locker, wenn links der Duden liegt und jeder Gedanke in Haupt- und Nebensätze zerhackt werden muss. Das wäre nichts für mich. Bei mir muss sich der Stoff anhäufen, ein wenig gesetzt haben. So lange, bis die Gedanken nicht mehr zu bändigen sind, förmlich nach Papier schreien. Dann habe ich rote Ohren, so sagen die anderen, und bin nicht mehr ansprechbar. Wenn solch ein Werk einer zukünftigen Deutschlehrerin in die Hände gefallen wäre! „Mein lieber Karl-Heinz, mit der Verabredung bin ich einverstanden und freue mich auf Sonntag, aber in der Form und in der Interpunktion kommst Du auch diesmal nicht über eine Drei hinaus. Damit bleibst Du sechs Zehntel hinter deinem Vorgänger zurück. In Liebe Deine Rosemarie.“
„Soldat, du schweigst und schmunzelst, erzählst dir wohl selbst Geschichten?“
„So kann man auch sagen. Wie weit ist es noch?“
Der Alte deutete mit der Hand nach vorn. Abseits vom ausgefahrenen Waldweg, auf einer Lichtung, hielten die Pferde ohne Kommando. An einem Mast hing unbeweglich die Pionierfahne. Am Rande der Lichtung, halb im Wald versteckt, lag eine Baracke in der Nachmittagshitze. Dahinter im Schatten standen die Zelte. An der Schmalseite der Lichtung konnte man hinter den Kiefern einen See erkennen.
Der Alte quälte sich vom Bock herunter. Meine Hilfe lehnte er mit einer energischen Handbewegung ab. Vom See her kam ein Mädchen, der Alte ging ihr entgegen. „Komm her, Soldat, stell dich vor!“
Das Mädchen nahm die Badekappe vom Kopf und fuhr sich mit der linken Hand flüchtig durch das kurze blonde Haar. Ihr Name sei Inge Borgmann, und „herzlich willkommen!“ sagte sie.
Mir gefielen die großen blauen Augen, aufmerksame Augen. Ihre Hand war angenehm kühl. Ich glaube, ich hielt ihre Hand einen Augenblick zu lange, dann murmelte ich meinen Namen so leise, dass sie es als Unhöflichkeit auffassen musste. Wir gingen hinunter zum See. Inge zeigte mir den Steg.
Sie war tatsächlich Studentin und leitete die Gruppe, die mich eingeladen hatte. „Die Pioniere kommen erst in der Nacht zurück. Sie besuchen ein Nachbarzeltlager. Ich bin sozusagen die Diensthabende", sagte sie. Dann brachte sie mich zur Baracke, wo Frau Schneider, die Köchin, mir vom Mittagessen übrig gebliebene Bohnensuppe aufwärmte, und verschwand. Nach dem Essen ging ich wieder ans Wasser.
Solange ich auf dem Badesteg saß, und das war schon eine geschlagene Stunde, hatte sich die „Diensthabende“ nicht sehen lassen. Wie sprach man sie überhaupt an? Mit „Inge“ nach dem Motto „Wir sind ja alle in der FDJ“ oder mit „Fräulein Borgmann“? Das klang angestaubt. Ich hätte mir gern die Zelte angesehen und mich mit Inge unterhalten. Aber Inge ließ sich nicht blicken.
Die Sonne stand tief auf der anderen Seeseite. Die Augen schmerzten, wenn man auf die ruhige Wasserfläche sah. Solch einen See hatten wir uns als Kinder immer gewünscht: So breit, dass einem bei dem Gedanken hinüberzuschwimmen bange wurde, und so klar, dass man die Stichlingsbrut beobachten kann. Der See hier schien nicht tief zu sein. Flache Seen sind warm und geeignet, schwimmen zu lernen. Man kann mit einem Bein immer noch den Grund berühren, und das ist beruhigend. Der See war so flach wie der Tümpel, in dem ich schwimmen gelernt hatte. Nur dass hier der Hals sauber blieb und drei hastige Schwimmbewegungen nicht genügten, um das andere Ufer zu erreichen.
Die Sonne ruhte noch einen Moment auf den Baumwipfeln aus. Die Schatten lagen lang auf dem Wasser, als wollten sie sich zur Nachtruhe noch einmal strecken. Auf dem Steg stand plötzlich Inge, einen Bademantel über dem Arm.
„Hier, nehmen Sie den Mantel, es ist kühl, wenn die Sonne weg ist“, sagte sie.
Welch eine Sorge, aber es wäre dumm gewesen, den Mantel nicht zu nehmen.
Der Mantel war rau, und er roch nicht nach Veilchen. Es fuhr mir auch keine Haarnadel unter die Fingernägel, als ich in die Tasche griff. Inge setzte sich zu mir auf den Steg. Sie schlappte übermütig mit den Sandalen. Mich störte das Schlappen, denn ich hätte ja ins Wasser steigen müssen, wenn die Sandalen hineinfielen. Sie erzählte von der Gruppe, die sie betreute. Es waren zehn Jungen, die zwei der kleinen Zelte bewohnten, prima Burschen. Fleißig, mit Ideen, und ansonsten würde ich sie ja selbst kennenlernen. Inge fragte mich nicht nach dem Überschallknall und nicht nach dem Waldbrand, sondern wollte wissen, wie mir der erste Tag in der Armee bekommen sei. Gerade der erste! Aber ich erzählte trotzdem, wahrheitsgemäß.“
Erstmals 1976 erschien im Kinderbuchverlag Berlin „Rote Elefanten und grüne Wolken für Till“ von Jürgen Leskien: Till ist allein auf der Ferieninsel geblieben, der Vater musste plötzlich nach Afrika fliegen. Der Junge ist traurig, was soll er mit diesem Tag beginnen … Er wird in die Berge wandern und die Wunderblume für den Vater suchen, die ihm ein langes Leben geben soll. Solch ein Wanderweg ist beschwerlich, viel gibt es zu beobachten: Fischer im Hafen, Arbeiter an der Dieselramme und Fräulein Wogenstein, die rote Elefanten und grüne Wolken zeichnet. Noch aber ist der Vater da. Und dann kommt wieder ein Telegramm:
„2. Kapitel
Wenn sie am Morgen vom Strand zum Haus laufen, folgen ihnen die Möwen. Sie haben sich daran gewöhnt: Der letzte Happen von Tills Frühstücksbrötchen gehört ihnen.
Auch heute segelt hoch über dem Schilfdach des weiß getünchten Hauses ein Möwenpaar. Doch Till hat das Ei noch nicht angerührt und vom Brötchen erst einmal abgebissen. Die Möwen müssen warten.
„Hier gibt es gar keinen Bernstein.“ Till schiebt sein Brötchen auf dem Teller hin und her. Der Vater zuckt mit den Schultern.
„Das sieht fast so aus. Bestimmt wird unsere Mühe irgendwann belohnt. Ein faustgroßer Batzen mit einer Fliege drin. Viele Tausend Jahre alt.“ Eine Möwe kreist nahe über Till. Hastig beißt er vom Brötchen ab. „Einen Sturm brauchen wir. Sturm wühlt den Grund auf. Irgendwo auf dem Grund liegt unser Bernstein. Die Wellen schleudern ihn an den Strand.“
„Hierher, an unseren Strand?“
„Schon möglich!“
Till erschrickt: „Aber die Schiffe!“
„Die Schiffe. Für Schiffe ist der Sturm gefährlich.“
„Nein, nein, dann suchen wir lieber weiter. Irgendwann haben wir schon Glück, stimmt’s?“
Till holt jeden Morgen nach dem Frühstück die Zeitung.
Die fünfzehn Pfennig dafür legt er am Abend auf dem Fensterbrett bereit. Bis zum Posthäuschen braucht er genau drei Minuten und dreißig Sekunden. Das hat er mit Vaters großer Uhr gestoppt. Die Wegzeit zu wissen ist wichtig für Till, denn er möchte immer zehn vor acht dort sein. Zehn vor acht holt Herr Wolters seine Zeitung. Herr Wolters hat einen gespaltenen Daumennagel und bedient die Dieselramme bei den Buhnen. Er kennt alle Blumen auf der Insel und fast alle Vögel. Wenn sie sich treffen, reden sie über das Wetter, über die Dieselramme, und Herr Wolters beschreibt, wenn Till ihn darum bittet, die Wunderblume, die in den Bergen wächst. Wenn Herr Wolters und Till sich begegnen, hängt Tills Vater allein die Schlafsäcke auf die Leine und wäscht schon das Frühstücksgeschirr ab. Kommt Till an solch einem Tag zurück, fragt er: „Herr Wolters, ja?“ Till nickt, und Vater weiß Bescheid. Sie nehmen die Zeitung, ihre Sachen und ziehen zum Strand. Es ist für Till schwierig, pünktlich zu sein und Herrn Wolters zu treffen. Es kommt vor, dass der Vater beim Baden vor dem Frühstück weit auf das Meer hinausschwimmt. Oder sie reden am Tisch über wichtige Dinge. Na, und wenn der Hund Lux morgens am Wasser ist, wird es ganz spät. Beide sehen sie dann auf die Uhr und zucken mit den Schultern.
Heute haben sie nicht auf die Uhr gesehen. Till denkt immer noch an den Bernstein und an den Sturm. Das Posthäuschen ist in Sicht. Till springt von einem Bein auf das andere.
„Guten Morgen, Till!“ Bald wäre er Frau Schliebhacke ins Fahrrad gelaufen.
„Guten Morgen!“
Frau Schliebhacke steigt ächzend vom Rad, umständlich kramt sie in der Posttasche. Till hat sich auf die Zehenspitzen gestellt. Ob sie Post für uns hat?
„Da war doch was, hier – nein, aber das, das ist es“, brummelt sie. „Hier, ein Telegramm für deinen Vater, nimmst du es mit?“
Till fährt zusammen.
„Nein, nein, ich – ich muss die Zeitung holen“, stammelt er.
„Aber Till, nimm mir doch den Weg ab, sieh, was ich alles zu verteilen habe!“
Till möchte fortlaufen, nur kein Telegramm annehmen. Angestrengt starrt er auf den Bernstein am Hals der Postfrau.
„Ist da eine tote Fliege drin?“
„Wo?“ Frau Schliebhacke streckt den Umschlag mit dem Telegramm weit von sich.
„Da, im Bernstein!“
„Ach so, nein, ich glaube, das ist ein winziges Stück Borke.“ Ungeduldig fügt sie hinzu: „Was ist denn nun, nimmst du das Telegramm?“ Till reißt ihr den Umschlag aus der Hand und steckt ihn unter das Hemd. Frau Schliebhacke wendet kopfschüttelnd ihr Rad und fährt davon.
„Ihr Schutzblech schleift!“, ruft Till ihr nach.
„Waas?“ Frau Schliebhacke will sich zu Till umdrehen, bald wäre sie gegen den Weidezaun gefahren.
„Das Schutzblech!“
„Ja, ja, danke.“ Sie dreht sich nicht mehr um, sie muss auf den Weg achten.
Wenn Till den Bauch einzieht, spürt er deutlich den Umschlag.
Ob Herr Wolters Rat weiß?
Frau Krüger hat ihn kommen sehen. Sie schiebt die Zeitung durch das kleine Fenster. Obenauf legt sie eine bunte Briefmarke.
„Für dich, Till, mein Sohn hat aus Kuba geschrieben.“
Till sieht sich um.
„Herr Wolters war schon hier, schönen Gruß!“
„Nehmen Sie auch Telegramme an?“, fragt er.
„Das besorgt meine Kollegin nebenan. Warum bist du so knurrig, Junge?“
Till steckt die Briefmarke in die Brusttasche, langsam geht er zurück.
[*] Kapitel
Im vorigen Jahr, an einem Tag in den Winterferien, hatte Till solch ein Telegramm aus dem Briefkasten genommen.
Vater musste sich setzen, als er es las.
Die Mutter war verunglückt und lag im Krankenhaus. Noch vor dem Mittagessen waren sie zu ihr gefahren. Till musste draußen warten. Der Vater blieb nicht lange. Als er kam, war er blass und hatte seine Mütze vergessen. Er streichelte Till in einem fort, und am Abend kam er zu Till ins Zimmer. „Wir sind nur noch zu zweit“, hatte der Vater gesagt. Sein Gesicht war nass. Immer wieder streichelte er Till. Am Morgen saß er schlafend auf dem Stuhl neben Tills Bett. Das Telegramm damals hatte auch in einem Umschlag gesteckt.
[*] Kapitel
Auf dem Weg kommen Till Kinder entgegen. Er kriecht schnell durch den Weidezaun. Beim Bücken reißt ihm der Wind den Umschlag aus der Hand und weht ihn über die Weide.
Till hat die Zeitung an die Brust gedrückt und sieht dem Telegramm nach. Es flattert, fällt ins Gras, wird wieder hochgerissen. – Und wenn ich es einfach davonfliegen lasse? überlegt er.
Das Telegramm bleibt in einem Strauch am anderen Ende der Weide hängen. Till schlägt Haken um die Maulwurfshügel. Er hat es nicht eilig.
Der Umschlag ist aufgerissen, die Klappe zittert wie ein Wimpel. Till geht nahe heran. Ein Wort ist zu lesen – Interflug. Die Zweige schlitzen das Papier weit auf, als Till es hastig aus dem Geäst zieht. Er streicht das Telegramm auf seinem Knie glatt. Den Umschlag treibt der Wind fort.
„Außergewöhnlicher Flug“, liest er, „Urlaubsunterbrechung für drei Tage notwendig. Start Freitag, 6.7., 10 Uhr. Kienbaum, Interflug.“
Till springt auf. Freitag, das ist ja schon morgen!
Er sieht auf die Zeitung, dort steht: Donnerstag, 5. Juli. Freitag, Sonnabend, Sonntag; danach bleiben ihnen nur noch vier Tage im Ferienhaus!
Till faltet das Telegramm zusammen. Und wenn es vorhin wie ein Vogel davongeflogen wäre? Noch einmal knifft er das Papier. Nun ist es nicht größer als ein eingewickeltes Bonbon. Er steckt es in die Brusttasche. Das Telegramm plustert sich in der Tasche auf. Till schaut an sich herunter. Man sieht, dass ein Telegramm in der Tasche steckt, denkt er.“
Zum Glück hat dieses Telegramm nicht ganz so schlimme Folgen wie das in den Winterferien des vorigen Jahres. Einiges ändert sich aber dennoch für Till und für seinen Vater. Wie die beiden trotzdem gut miteinander klarkommen, davon erzählt Jürgen Leskien.
Und dann möchten wir Ihnen unbedingt noch „Die Sache mit Maria“ und die Bekanntschaft mit Robert ans Herz legen, mit Robert Gassen, auch wenn diese Geschichte wie in einer fernen Zeit zu spielen scheint. Aber es hat sie gegeben diese Zeit und nicht wenige dieser Roberts. Das sollten wir nicht vergessen.
Viel Vergnügen beim Lesen, ein bisschen mehr Sonne und weniger Wind in diesem Sommer, bleiben Sie weiter schön gesund und vernünftig und bis demnächst.
EDITION digital war vor 25 Jahren ursprünglich als Verlag für elektronische Publikationen gegründet worden. Inzwischen gibt der Verlag Krimis, historische Romane, Fantasy, Zeitzeugenberichte und Sachbücher (NVA-, DDR-Geschichte) sowie Kinderbücher gedruckt und als E-Book heraus. Ein weiterer Schwerpunkt sind Grafiken und Beschreibungen von historischen Handwerks- und Berufszeichen sowie Belletristik und Sachbücher über Mecklenburg-Vorpommern. Bücher ehemaliger DDR-Autoren werden als E-Book neu aufgelegt. Insgesamt umfasst das Verlagsangebot, das unter www.edition-digital.de nachzulesen ist, mehr als 1.000 Titel.
EDITION digital Pekrul & Sohn GbR
Alte Dorfstraße 2 b
19065 Pinnow
Telefon: +49 (3860) 505788
Telefax: +49 (3860) 505789
http://www.edition-digital.de
Verlagsleiterin
Telefon: +49 (3860) 505788
Fax: +49 (3860) 505789
E-Mail: editiondigital@arcor.de