Handwerk lobt Land für Krisenmanagement, Ministerpräsident gibt Zusage für Kohortenlösung
Ministerpräsident Daniel Günther sagte, das politische und auch das wirtschaftliche Leben hätten sich dramatisch verändert – er sei es gar nicht mehr gewohnt, Grußworte zu sprechen, da die meisten Veranstaltungen ausgefallen seien. Er nutzte die Gelegenheit daher, dem Handwerk insgesamt und den Verantwortungsträgern für die Zusammenarbeit in herausfordernden Zeiten zu danken. Auch seien die Handwerksbetriebe nach wie vor gute Arbeitgeber, die mit ihren Mitarbeitenden Solidarität und Gemeinsinn lebten.
Günther hob hervor, dass aus Bundes- und Landesmitteln bereits 900 Mio. Euro Soforthilfen ausgezahlt worden seien. „Es war wichtig, dass wir diese Hilfen sehr schnell zur Stabilisierung der Wirtschaft ausgezahlt haben“, sagte Günther. Er lobte in diesem Zusammenhang die großartige Leistung der Verwaltung und insbesondere der Investitionsbank SH.
Der Ministerpräsident gab zudem seine Zusage, trotz dieser Zeit als Land weiterhin auf einem hohen Investitionslevel zu bleiben. „Das ist wichtig, um Vertrauen und Planbarkeit in die Wirtschaft zu bringen – es wird zum Beispiel beim Straßenausbau und der Digitalisierung weiter vorangehen.“ Auch kündigte er an, dass die Landesregierung in dieser Woche eine Lösung anstrebe, die auch bei der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung, wie in den Berufsschulen auch, eine Kohortenregelung möglich mache. Er wies bei den Ausbildungsverhältnissen noch einmal explizit auf die Unterstützungsmaßnahmen des Landes hin, etwa für Betriebe, die Lehrlinge übernehmen, die in der Krise von einem anderen Betrieb entlassen worden sind – verbunden mit der Bitte, diese Möglichkeiten auch zu nutzen.
Thorsten Freiberg sagte zuvor: „Corona und der Lockdown haben unsere Welt von heute auf morgen in eine andere verwandelt. Viele Handwerker standen plötzlich vor der Existenzfrage. In manchen Bereichen wurde die Situation schnell kritisch – in den Ernährungshandwerken, den Gesundheitshandwerken, im Kfz-Gewerbe, bei den Friseuren und vielen anderen Handwerksbetrieben mit körpernahen Dienstleistungen. Geschäfte mussten von heute auf morgen schließen, die Kunden blieben weg, Aufträge wurden storniert, Mitarbeiter meldeten sich krank. Die Kosten liefen aber weiter.“ Doch die Lage habe sich schnell stabilisieren können. Vor allem, so Freiberg, dank des schnellen und guten Handelns von Landesund Bundesregierung: „Perspektivische Öffnungsszenarien, Kurzarbeit, Soforthilfen, Stundungsmöglichkeiten, günstige Kredite und Überbrückungshilfen haben manchen Betrieb vor dem sicheren Tod gerettet.“ Er dankte ausdrücklich allen in Politik und Verwaltung, die „in der Corona-Hochphase Außergewöhnliches geleistet haben“, ebenso allen in den Handwerksorganisationen. Deutschland habe Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit bewiesen.
Während viele der genannten Betriebe weiterhin mit großen Sorgen zu kämpfen hätten, stelle sich die Situation in den Bau- und Ausbaugewerken nach wie vor stark dar, sagte Freiberg: „Bisher jedenfalls, denn auch hier merken wir mittlerweile eine größer werdende Unsicherheit, weil zunehmend Aufträge geschoben oder storniert werden, weil die Auftraggeber ebenfalls Unsicherheiten unterlegen sind.“ Insgesamt könne man den Schaden in den Bau- und Ausbaugewerken auch überhaupt noch nicht beziffern, weil die Bewilligung von Bauaufträgen und nachgeschaltete Planungsleistungen für Wochen ausgesetzt gewesen seien und Auftragsrückgänge erst jetzt wirksam würden. Freiberg: „Das eigentlich fatale ist die Planungsunsicherheit: Wenn man jederzeit mit dem Ausfall von Mitarbeitern rechnen muss, macht das die Organisation selber schwer. Dazu kommen noch die Streikandrohungen im Bau.“
Zur Ausbildungssituation sagte Freiberg weiter: „Mit aktuell durchschnittlich minus 9,5 Prozent über das ganze Land werden das noch schwierige Monate und Jahre. Wir hoffen alle, dass das nur dieser einmaligen Ausnahmesituation geschuldet ist. Die Gründe liegen auf der Hand: Fehlende Beratung in den Schulen, keine Messen, keine Auseinandersetzung mit dem Thema in den Familien, schwierigere Kontaktaufnahme zwischen Betrieb und Lehrling.“
Das Handwerk wolle – wie schon in der Finanzkrise – Anker der regionalen Wirtschaft bleiben. Für die Konjunktur, den Arbeitsmarkt, aber insbesondere für alle Schleswig-Holsteiner! Das gehe aber nur, wenn politische Handlungsspielräume frühzeitig aufgezeigt und Entscheidungen schlüssig erläutert würden.
Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, lobte in seinem Vortrag die tags zuvor beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung: „Es ist sachgerecht und angemessen, dass sich die Koalition darauf verständigt hat, die Überbrückungshilfen bis zum Jahresende zu verlängern. Das ermöglicht eine dem Krisenverlauf angepasste Unterstützung auch der Branchen, die bislang noch vorhandene Auftragsbestände abarbeiten konnten, bei denen aber wegen ausbleibender neuer Aufträge erst in den kommenden Monaten die Corona-Folgen deutlich spürbar werden könnten. Dies macht dann allerdings auch eine Anpassung der Referenzmonate für die Ermittlung eines Umsatzeinbruchs erforderlich.“.
Schwannecke wurde aber auch grundsätzlicher. Er sagte, dass dem Handwerk Plattformen in den Innungen, in den Kammern und auf Messen weggebrochen sind, die identitätsstiftend sind – Plattformen, die für Zusammenhalt sorgen. Umso wichtiger sei es, dass so eine Veranstaltung wie heute stattfinde. Persönliche Begegnungen seien nicht zu ersetzen. Kritisch ging der Gast aus Berlin auf die geplante Verlängerung der Aussetzung zur Insolvenzanmeldung ein. So sinnvoll es in der Corona-Akutsituation gewesen sei, so problematisch sei eine Verlängerung. Handwerksbetriebe seien auch Gläubiger. Die ganze Konstellation habe viel mit Vertrauen zu tun – Vertrauen, dass Geschäftspartner ihren Verpflichtungen auch in der Zukunft auch nachkommen könnten. Das werde durch eine Verlängerung untergraben.
Zudem nannte Schwannecke vier kritische Aspekte: Zum einen sei es gut, dass das Konjunkturpaket um ein Infrastrukturpaket erweitert worden sei. Das seien die Themen Digitalisierung, Mobilfunk, Mobilität, Energie und Klima. „Mit diesem Konjunkturpaket können wir tatsächlich Bremsklötze lösen – das ist auch eine Chance für das Handwerk, wenn das Paket denn mittelstandsgerecht umgesetzt wird“, sagte Schwannecke. Die Verwaltung sei in diesem Zusammenhang digital nicht auf der Höhe der Zeit, das habe Corona ebenfalls gezeigt. Schwannecke: „Hier muss schleunigst nachgebessert werden, damit die Arbeitsfähigkeit gewährleistet werden kann.“
Das Handwerk sehe des Weiteren noch Handlungsbedarf bei den finanziellen Stabilisierungsinstrumenten. Schwannecke: „Zum einen ist es erforderlich, dass der KfW-Schnellkredit auch für kleine Unternehmen mit bis zu 10 Beschäftigten zugänglich gemacht wird. Zum anderen benötigt gerade auch der Mittelstand Instrumente, die seine Eigenkapitalbasis stärken. Hier können und sollten die Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften eine wichtige Rolle spielen.“
Als dritten Punkt sprach Schwannecke eine Warnung aus: „Wir müssen aufpassen, nicht von einer rezessiven Phase in eine Ausbildungsmangelphase zu laufen.“ Er nannte die angespannte Situation der Berufsbildungszentren und dass die Kostenkalkulationen nicht mehr stimmten. Man verzeichne weniger Teilnehmer, habe aber erhöhte Kosten durch Hygienemaßnahmen. Hier gelte es, die Investitionsprogramme zu nutzen, um auch die Bildungseinrichtungen voranzubringen. Schwannecke: „Die Finanzierungsanteile müssen in der Zukunft wieder gerechter verteilt werden.“
Nicht zuletzt erinnerte Schwannecke daran, „dass wir mit der sozialen Marktwirtschaft in die Krise hineingegangen sind und wir auch erkennbar mit ihr wieder aus dieser Krise herauskommen müssen.“ Mit anderen Worten: Es sei richtig, dass der Staat in dieser Phase eine dominante und einnehmende Rolle eingenommen habe. „Aber nichts ist so beständig wie ein Provisorium.“ Schwannecke mahnte, die Maßnahmen stets neu abzuwägen und nicht lebensfähige Strukturen nicht unnötig aufrecht zu erhalten.
Handwerk Schleswig-Holstein – Vereinigung der Fachverbände und Kreishandwerkerschaften vertritt als Unternehmens- und Arbeitgeberverband die Interessen des freiwillig organisierten Handwerks in Schleswig-Holstein. Mitglieder sind 26 Fachverbände und Landesinnungen vom Baugewerbe bis zur Zahntechnikerinnung sowie zwölf Kreishandwerkerschaften als regionale Organisationen des Handwerks und Geschäftsführungen der Innungen.
Die Vereinigung repräsentiert damit rund 8000 Handwerksbetriebe in Schleswig-Holstein.
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