Finanzen / Bilanzen

Sparkassen in Hessen und Thüringen: Geschäftliche Entwicklung im ersten Halbjahr 2020

Die Corona-Pandemie und der damit verbundene teilweise Shutdown haben die Geschäftstätigkeit der Sparkassen in Hessen und Thüringen in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres maßgeblich beeinflusst. „Unsere Sparkassen haben alles getan, um ihre Kunden in diesen schweren Monaten zu unterstützen und vor dem wirtschaftlichen Absturz zu bewahren. Sie haben sich in der Krise einmal mehr als wichtiger Stabilisator und sicherer Hafen bewährt. Das spiegelt sich auch in einem sehr dynamischen Bestands- und Neugeschäft wider. Auf der Ertragsseite rechnen wir auf Jahressicht mit sinkenden Betriebsergebnissen, die aber vor der Kulisse der momentan schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage immer noch ein akzeptables Niveau erreichen werden“, fasste Gerhard Grandke, Geschäftsführender Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, die Halbjahresbilanz zusammen.

Institute bauen Kundenkreditgeschäft weiter aus
Die Bilanzsumme der 49 Mitgliedsinstitute ist dank eines erneut ausgeprägten Kundengeschäfts zum 30. Juni 2020 um 6,5 Mrd. € bzw. 4,9% auf 138,6 Mrd. € gestiegen. Auf der Aktivseite haben die Sparkassen ihr Kundenkreditgeschäft trotz der Corona-Pandemie und des partiellen Shutdowns weiter ausgebaut. „Mitte März 2020 wurde weiten Teilen der Wirtschaft von heute auf morgen der Stecker gezogen. Diese Vollbremsung hat die Nachfrage nach Krediten aber nicht zum Stillstand gebracht. Im Gegenteil: Sie hat den Liquiditäts- und Finanzierungsbedarf vieler Marktteilnehmer sogar noch erhöht. In unserem Verbandsgebiet sind die Ausleihungen der Sparkassen im ersten Halbjahr 2020 insgesamt um 2,2 Mrd. € bzw. 2,7% auf 81,3 Mrd. € gestiegen“, erklärte Grandke.

Während die Kreditbestände bei den öffentlichen Haushalten leicht rückläufig waren (-85 Mio. € bzw. -2,2%), stiegen sie bei den Privatpersonen um knapp 1 Mrd. € bzw. 2,9% auf 34,5 Mrd. €. Als Wachstumstreiber erwiesen sich dabei einmal mehr die Wohnungsbaukredite, die um 3,3% zulegten. Die stärksten Wachstumsimpulse gingen aber wieder vom Kreditgeschäft mit Firmenkunden aus. Dort erhöhten sich die Ausleihungen an Unternehmen und Selbständige um 1,3 Mrd. € bzw. 3,2% auf 40,5 Mrd. €.

Kräftiges Wachstum bei neuen Krediten
Noch stärker als in den Beständen spiegelte sich der hohe Bedarf an Krediten im Neugeschäft der Sparkassen wider. Die Darlehenszusagen und -auszahlungen stiegen insgesamt um 12,5% bzw. 15,8%. Wachstumsmotor war hier ebenfalls das Neukreditgeschäft mit Unternehmen, das mit Zuwächsen von 17,7% bzw. 17,4% über dem Durchschnitt lag. Aber auch die Neuabschlüsse mit Privatkunden konnten sich mit Steigerungsraten von 8,1% bei den Zusagen und 14,1% bei den Auszahlungen durchaus sehen lassen.

Zwischen Anfang März und Ende Juni 2020 haben die Institute in Hessen und Thüringen insgesamt 10,8 Mrd. € an neuen Darlehen zugesagt (5,7 Mrd. €) und ausgezahlt (5,1 Mrd. €). Darüber hinaus wurden rund 700 Mio. € an öffentlichen Hilfskrediten des Bundes und auf Länderebene über die Mitgliedsinstitute des SGVHT durchgeleitet und in die Fläche gebracht. „Diese Zahlen zeigen, dass unsere Sparkassen bei der Kreditvergabe in erster Linie selbst ins Risiko gegangen sind und ihren Kunden mit eigenen Mitteln geholfen haben. Dadurch haben sie entscheidend dazu beigetragen, dass es in der Krise nicht zu einer Kreditklemme gekommen ist“, betonte Grandke.

Sparkassen bei Einlagen als sicherer Hafen geschätzt
Corona hat sich auch auf das Einlagengeschäft der Sparkassen in Hessen und Thüringen ausgewirkt. Die Kundenverbindlichkeiten legten im ersten Halbjahr 2020 um 3,4 Mrd. € bzw. 3,2% auf 107,8 Mrd. € zu. „Dieses überdurchschnittliche Wachstum ist auch die Folge des Shutdowns und der damit verbundenen wirtschaftlichen Unsicherheiten. Die Menschen hatten oft keine Gelegenheit oder Lust, groß zu konsumieren. Viele haben ihr Geld auf die hohe Kante gelegt und auf ihren Konten gebunkert. Dass sie das vor allem bei den Sparkassen gemacht haben, ist kein Zufall. Wir haben nun einmal – gerade in Krisenzeiten – den Ruf des sicheren Hafens. Die Menschen vertrauen uns“, hob Grandke hervor. Der Trend zur kurzfristigen Anlage verstärkte sich weiter. Während die Täglich fälligen Gelder in den ersten sechs Monaten 2020 um 5,3% stiegen, waren die Spareinlagen (-1,1%), die Eigenemissionen (-3,8%) und die Termingelder (-13,0%) allesamt rückläufig.

Kein Ausverkauf im Kundenwertpapiergeschäft
Die Corona-Krise hat im Wertpapiergeschäft mit Kunden trotz deutlicher Kurseinbrüche an den Börsen nicht zu einem dauerhaften Ausverkauf geführt. Zwar lagen die Verkäufe Ende Juni 2020 insgesamt um 29,2% höher als im Vorjahreszeitraum, weil sich die Kunden vor allem zum Beginn der Pandemie besonders von Aktien und Investmentfonds getrennt hatten. Gleichzeitig nutzten viele die Kurseinbrüche zum Kaufeinstieg. Die Wertpapierkäufe der Sparkassenkunden erhöhten sich um insgesamt 33,2%, wobei Aktien und Investmentfonds besonders gefragt waren. Durch die gestiegenen Handelsaktivitäten der Kunden verbesserte sich der Nettoabsatz als Saldo von Käufen und Verkäufen in den ersten sechs Monaten 2020 um 49,3% auf gut eine Mrd. €. Der Umsatz der Sparkassen ging um 31,5% auf knapp 8,3 Mrd. € nach oben.

Eigenmittel wachsen auf 13,6 Mrd. €
Die Sparkassen in Hessen und Thüringen haben ihr Eigenkapital weiter angereichert. Die Eigenmittel erhöhten sich um 2,6% auf 13,6 Mrd. €. Zum 30. Juni 2020 lag die Gesamtkapitalquote bei 19,8% und die Kernkapitalquote bei 18,3%. „Die Corona-Krise hat unsere langjährige Praxis des Thesaurierens nun eindrucksvoll bestätigt. Denn unsere Sparkassen konnten sich die Kreditausweitung während der Pandemie vor allem deshalb leisten, weil sie über eine gute Assetqualität und vor allem auch eine sehr gute Eigenkapitalausstattung verfügen. Beides wird uns auch von den Ratingagenturen bestätigt“, sagte Grandke.

Ertragsprognose 2020: Sinkende Betriebsergebnisse
Laut Prognosesystem ist bei den Sparkassen in Hessen und Thüringen im laufenden Jahr mit sinkenden Betriebsergebnissen zu rechnen. Der Zinsüberschuss wird auch wegen des Quasi-Ausschüttungsverbots der EZB weiter nachgeben, da die Mitgliedsinstitute des SGVHT wegen ihrer maßgeblichen Beteiligungsquote an der Landesbank Hessen-Thüringen und der DekaBank davon besonders betroffen sind. Der Provisionsüberschuss wird leicht steigen und der Verwaltungsaufwand stabil bleiben. Unter dem Strich wird das Betriebsergebnis vor Bewertung deutlich niedriger erwartet als im Vorjahr.

Als Hauptbelastung machte Grandke die ultraexpansive Geldpolitik der EZB aus. „Es ist eine Tragödie, dass die Corona-Krise die Niedrigzinspolitik verfestigen wird, obwohl der EZB dadurch das Hauptargument für diesen Kurs abhandengekommen ist. Sie hat ihre laxe Geldpolitik immer damit begründet, dass ihr wegen der passiven Fiskalpolitik gar nichts anderes übrigbleibe als in die Bresche zu springen. Dieses Argument läuft jetzt aber wegen Corona ins Leere. Denn der Staat ist dank seiner massiven Hilfs- und Rettungspakete auf der Ausgabenseite hyperpräsent. Die EZB könnte deshalb gesichtswahrend den allmählichen Rückzug aus dem Niedrigzinsterrain antreten. Das wird aber wohl nur ein frommer Wunsch der Banken und Sparer bleiben.“

Steigende Kreditausfälle sind verkraftbar
Auch das Betriebsergebnis nach Bewertung wird 2020 niedriger ausfallen als im Vorjahr. Es wird wegen der Corona-Krise mehr Kreditausfälle geben. Die Sparkassen in Hessen und Thüringen werden ihre Risikovorsorge im Kreditbereich deshalb deutlich erhöhen. Von einem sehr niedrigen Niveau kommend (2019: 47 Mio. €) sieht die Prognose derzeit knapp eine Vervierfachung auf 167 Mio. € vor.

„Wie hoch die Kreditausfälle sein werden, lässt sich noch nicht genau sagen. Ich habe aber die Hoffnung, dass sich die aktuelle Normalisierung fortsetzen wird und viele Unternehmen ihre Durststrecke überleben werden. In Hessen-Thüringen haben wir den Vorteil, dass die Risiken bei unseren Sparkassen granular verteilt sind. Wir sind der klassische Finanzierer des Mittelstandes. Unsere Geschäftsgebiete zeichnen sich durch eine breite Mischung an Unternehmen und Branchen aus. Es gibt keine besonderen Klumpenrisiken. Ich bin deshalb zuversichtlich, dass unsere Sparkassen ihre Bewertungsergebnisse im Kreditgeschäft in überschaubaren Grenzen halten und bewältigen können. Unsere Institute verfolgen traditionell eine konservative Risikopolitik. Wir sind gut kapitalisiert und nah vor Ort. Wir kennen die Stärken und Schwächen der Unternehmen in unserem Geschäftsgebiet. Da sind Überraschungen selten“, schloss Grandke.

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