Forschung und Entwicklung

Mit Statistik und KI gegen Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen

Abrechnungsbetrug von Vertragsärzten oder ambulanten Pflegediensten stehen im Gesundheitswesen seit Jahren im Fokus der Untersuchungen und medialen Diskussion. Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM unterstützt mit neuen Methoden bei der effizienten Aufklärung.

Abrechnungsbetrug und Korruption im Gesundheitswesen führen deutschlandweit zu großen Schäden in den Sozialversicherungen. Es entstehen enorme Kosten von geschätzt circa 14 Milliarden Euro1 jährlich für die Solidargemeinschaft und die Fallzahlen sind stark steigend. Um solche Betrugsnetzwerke aufdecken zu können, werten Ermittlungsbehörden und Krankenkassen mit viel Aufwand große Mengen an Daten aus, die viele einzelne Elementen wie E-Mails, Kontobewegungen oder Abrechnungsdaten enthalten.

Die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, ihre Verbände und der GKV-Spitzenverband haben gem. §§ 197a SGB V, 47a SGB XI eigene »Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen« eingerichtet. Diese Ermittlungs- und Prüfungsstellen gehen allen Hinweisen nach, die auf Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit den Aufgaben der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung hindeuten. Dass bei den komplexen Leistungsbeziehungen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung umfangreiches Spezialwissen erforderlich ist, zeigt beispielhaft die neu errichtete »Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen in Bayern« (ZKG), welche am 10.09.2020 vorgestellt wurde. Das Fraunhofer ITWM hilft mit seiner langjährigen Expertise in den Bereichen Abrechnungsprüfung und Schadenshochrechnung, solche Ermittlungen effizienter zu gestalten.

Neue Methoden sparen Zeit und helfen Personal bei Abrechnungsprüfung

Eine effektive Bekämpfung von Abrechnungsbetrug in der ambulanten Pflege ist besonders aufwändig. Aufgrund der speziellen Situation ist der Nachweis einer Beanstandung bei einzelnen Leistungen sehr schwierig. Viele »kleine« Leistungen spielen hier eine Rolle oder auch die Angabe von möglicherweise dementen Patientinnen und Patienten wird für Betrug genutzt. Für die Überprüfung fehlen meist Zeit und das geschulte Personal. Expertinnen und Experten des Fraunhofer ITWM unterstützen die Verantwortlichen – wie Strafverfolgungsbehörden – nicht nur mit Erfahrungswissen. Das Fraunhofer ITWM hat zudem effiziente Methoden entwickelt, die schnellere Abrechnungsprüfungen realisieren.

Speziell die Schadenshochrechnung ist hier zu nennen, welche eine erhebliche Entlastung für die Ermittelnden bedeutet. »Unsere Berechnungen geben den Ermittlungsbehörden die Möglichkeit zuverlässig Fälle zu verfolgen, die aufgrund der Menge an kleinen Einzelschäden nicht vollständig ermittelt werden können. Wir entlasten die Ermittlungsbehörden so ganz erheblich«, erklärt Dr. Elisabeth Leoff vom Fraunhofer ITWM. »In einzelnen Fällen arbeiten Ermittelnde nur noch einen Monat an einer Überprüfung, die vorher ein halbes Jahr gedauert hat«.

Workshops und Seminare zur Schadenshochrechnung

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer ITWM bieten eigens für die Schadenshochrechnung konzipierte Workshops und Schulungen an, welche die Schadenshochrechnung mittels der Statistikumgebung »R« vermitteln. Durch zielgruppenorientierte Fortbildungsveranstaltungen, beispielweise im Rahmen des Erfahrungsaustausches beim GKV-Spitzenverband, werden die zuständigen Mitarbeitenden der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und Vertreter der Strafverfolgungsbehörden sensibilisiert. Sie lernen, wie sie Statistik effizient, zeitsparend und gegen Fehler stabil für Datenauswertungen und für Schadenshochrechnungen beim Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen einsetzen können.

Die Verfahren des Fraunhofer ITWM sind universal anwendbar. Somit lassen sich die Algorithmen nicht nur beim Abrechnungsbetrug von Vertragsärzten oder ambulanten Pflegediensten anwenden, sondern auch für andere Ermittlungen. In den konkreten Fällen wird die statistische Methodik in enger Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden und Krankenkassen bestmöglich auf die Einzelfälle angepasst.

Über die Fraunhofer-Gesellschaft

Die Fraunhofer-Gesellschaft ist die führende Organisation für angewandte Forschung in Europa. Unter ihrem Dach arbeiten 74 Institute und Forschungseinrichtungen an Standorten in ganz Deutschland. Mehr als 28 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erzielen das jährliche Forschungsvolumen von 2,8 Milliarden Euro. Davon fallen ca. 2,3 Milliarden Euro auf den Leistungsbereich Vertragsforschung. Rund 70 Prozent dieses Leistungsbereichs erwirtschaftet die Fraunhofer-Gesellschaft mit Aufträgen aus der Industrie und mit öffentlich finanzierten Forschungsprojekten. Internationale Kooperationen mit exzellenten Forschungspartnern und innovativen Unternehmen weltweit sorgen für einen direkten Zugang zu den wichtigsten gegenwärtigen und zukünftigen Wissenschafts- und Wirtschaftsräumen.

1 Quelle: Pressemitteilung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern und für Integration, anlässlich der Pressekonferenz „Betrug im Gesundheitswesen“ am 27.03.2018 in Nürnberg

Über Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM

Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM in Kaiserslautern zählt zu den größten Forschungsinstituten für angewandte Mathematik weltweit. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Mathematik als Schlüsseltechnologie weiterzuentwickeln und innovative Anstöße zu geben. Unser Fokus liegt auf der Umsetzung mathematischer Methoden und Technologie in Anwendungsprojekten und ihre Weiterentwicklung in Forschungsprojekten. Das enge Zusammenspiel mit Partnern aus der Wirtschaft garantiert die hohe Praxisnähe unserer Arbeit.

Deren integrale Bausteine sind Beratung, Umsetzung und Unterstützung bei der Anwendung von Hochleistungsrechnertechnologie und Bereitstellung maßgeschneiderter Software-Lösungen. Unsere verschiedenen Kompetenzen adressieren ein breites Kundenspektrum: Fahrzeugindustrie, Maschinenbau, Textilindustrie, Energie und Finanzwirtschaft. Dieses profitiert auch von unserer guten Vernetzung, beispielsweise im Leistungszentrum Simulations- und Software-basierte Innovation.

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