Friedliches Miteinander der Religionen in Deutschland bedarf großer gesamtgesellschaftlicher Anstrengung
„Wir gedenken des brutalen antisemitischen Anschlags auf die jüdische Gemeinde in Halle an Jom Kippur vor einem Jahr, der ermordeten Passantin, des getöteten Gastes in einem Imbiss und der durch den Attentäter Verletzten. Diese Tat hat ihren Nährboden in einem Hass auf Juden, auf Minderheiten und auf alles angeblich Fremde bis in die Mitte unserer Gesellschaft hinein. In Corona-Zeiten zeigt sich Antisemitismus ganz offen als fester Bestandteil von Verschwörungsmythen.
Es ist zutiefst bedrückend, dass 75 Jahre nach der Schoa Jüdinnen und Juden in Deutschland für ihr Gebet auf Polizeischutz angewiesen sind. Vor wenigen Tagen erst wurde ein jüdischer Student vor der Hamburger Synagoge angegriffen und erheblich verletzt. Wir fordern die Innenministerin und alle Innenminister der Länder auf, konsequent für die Sicherheit der jüdischen Gemeinden und Einrichtungen zu sorgen. Auch müssen die Verantwortlichen endlich die rechten Netzwerke in staatlichen Institutionen und bei der Polizei aufdecken und auflösen.
Wir finden uns auch nicht damit ab, dass aus dem Bundestag und den Länderparlamenten heraus Judenhass und Verachtung von Muslimen verbreitet wird. Dass die liberale Partei, in der Ignatz Bubis sich engagiert und verortet hat, in einem Bundesland einmal ein führendes Mitglied haben könnte, das sich von einer Fraktion zum Ministerpräsidenten wählen ließ, die von einer rechtsradikal durchdrungenen Person geführt wird, belegt die politische Labilität selbst von demokratischen Mandatsträgern. Wer hier mit dem Finger auf den Osten Deutschlands zeigt, dem sei gesagt: Halle, der geplante und versuchte Zivilisationsbruch mit dem Überfall auf die Synagoge, liegt im Osten, aber Hanau mit den ermordeten Mitmenschen liegt im Westen.
Auch in der katholischen Kirche bleibt der Kampf gegen Hass und Hetze eine Aufgabe. Das klare Bekenntnis, dass Antisemitismus eine Sünde wider Gott und die Menschen ist, darf nicht den Blick dafür verstellen, dass es auch unter Christinnen und Christen noch Ressentiments und antijüdische Denkmuster gibt. Wir rufen alle Verantwortlichen in der katholischen Kirche auf, über Antisemitismus noch stärker aufzuklären und jeder Form von Judenfeindschaft entschieden entgegenzutreten.
Seit fast 50 Jahren treffen sich Juden und Christen im Gesprächskreis „Juden und Christen“ beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken, um aktuelle und grundsätzliche Fragen im Spannungsfeld des Dialogs zwischen ihren beiden Religionen zu diskutieren und Wege für respektvolle Formen des Miteinanders in der Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt zu finden. In diesem halben Jahrhundert war die Gefahr einer gesellschaftlichen Abstumpfung gegenüber gewaltsamen antisemitischen Vorfällen in Deutschland zu keiner Zeit so groß wie gegenwärtig. Jüdische wie christliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Gesprächskreises sind sich darin einig, dass es einer großen gesamtgesellschaftlichen Anstrengung bedarf, um den Konsens eines friedlichen Miteinanders wiederherzustellen.“
Dagmar Mensink Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist der Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte und der katholischen Verbände sowie von Institutionen des Laienapostolates und weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft. Entsprechend dem Dekret des II. Vatikanischen Konzils über das Apostolat der Laien (Nr. 26) ist das ZdK das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ, das die Kräfte des Laienapostolats koordiniert und das die apostolische Tätigkeit der Kirche fördern soll. Die Mitglieder des Zentralkomitees fassen ihre Entschlüsse in eigener Verantwortung und sind dabei von Beschlüssen anderer Gremien unabhängig.
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