Kunst & Kultur

Und da war sie aus Gips: Rekonstruktion der Quadriga vom Brandenburger Tor – offene Schau-Werkstatt im Deutschen Bundestag

  • 30. Oktober 2020 – 30. Oktober 2022
  • Mauer-Mahnmal im Deutschen Bundestag, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Schiffbauerdamm (Eingang an der Spree), 10117 Berlin
  • Ein Kooperationsprojekt der Gipsformerei – Staatliche Museen zu Berlin, des Landesdenkmalamtes Berlin und des Deutschen Bundestages

Die Quadriga ist Berlins berühmtestes Bildwerk, weltweit bekannt als Symbol des wiedervereinigten Deutschland. Weniger bekannt sind sein Schöpfer, Johann Gottfried Schadow, der Begründer der Berliner Bildhauerschule des Klassizismus, und die wechselvolle Geschichte der Skulptur. In ihr spiegeln sich Höhen und Tiefen nicht nur der preußischen und deutschen Geschichte, seit dem Fall der Mauer wurden die Quadriga und das Brandenburger Tor zum Sinnbild des Freiheitswillens der Menschen in Ost und West. Umso notwendiger ist es, ein solches Kulturgut von internationaler Bedeutung zu bewahren und zu schützen. Der Kunstbeirat des Deutschen Bundestages, die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin und das Landesdenkmalamt Berlin bündeln daher ihre Kräfte zu einem gemeinsamen Projekt: Sämtliche noch vorhandenen Gipsabgüsse der Quadriga werden ab 30. Oktober 2020 im Mauer-Mahnmal des Deutschen Bundestages in einer offenen Schau-Werkstatt zusammengeführt, dokumentiert, restauriert und zusammengesetzt.

Am Ende des auf zwei Jahre angelegten Projektes wird die Quadriga in Originalgröße im Mauer-Mahnmal des Bundestages zu sehen sein, das Symbol der Einheit vor den originalen Segmenten der Mauer, dem Symbol der Teilung. Besucherinnen und Besucher können die Arbeit der Gipsformerei unmittelbar erleben und kommen der Quadriga, sonst hoch oben auf dem Brandenburger Tor, im doppelten Sinne so nahe wie nie zuvor.

1942 wurde eine Schutzabformung der Quadriga angefertigt, mit Ausnahme des Wagens und der Standarte. Aus diesen Formen wurden, ab 1957, Modelle gefertigt, mit deren Hilfe eine Nachbildung der Quadriga als Kupfertreibarbeiten hergestellt werden konnte. 1958 schließlich wurde diese Rekonstruktion nach schwierigen Verhandlungen zwischen Ost und West auf dem Brandenburger Tor aufgestellt. Stehen Menschen heute vor dem Brandenburger Tor, sehen sie oben das vermeintliche „Original“ der Quadriga. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Nachbildung, die seit ihrer Aufstellung 1958 weiteren Veränderungen unterlag. So wurden der Quadriga bei der ersten Silvesterfeier nach dem Fall der Mauer erhebliche Schäden zugefügt.

Durch die Rekonstruktion der historischen Modelle auf dem Stand von 1942 relativiert sich der Begriff „Original“. Die von der Gipsformerei wiederhergestellten Gipsmodelle sind näher am ursprünglichen Werk von Schadow aus dem Jahre 1793 als die heutige Version der Quadriga auf dem Brandenburger Tor, die erst nach den Kriegszerstörungen in den Jahren 1957/1958 von der Bildgießerei Noack neu gefertigt wurde. Auf diese Weise wird die Quadriga nach über 225 Jahren einer wechselvollen Geschichte in ihrem Ur-Zustand gesichert.

Die Gipsmodelle befanden sich bis heute in unterschiedlichen Erhaltungszuständen in verschiedenen Depots des Landesdenkmalamtes Berlin. Die noch vorhandenen Modelle werden nun im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in einer vom Bundestag eigens eingerichteten Schau-Werkstatt zusammengeführt. In dieser Schau-Werkstatt kann eine breite Öffentlichkeit an dem Prozess der Rekonstruktion teilhaben. Nach Abschluss der Restaurierung werden die Gipsabformungen für künftige Arbeiten an der Quadriga zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll ein 3-D-Scan angefertigt werden, der auch eine digitale Sicherung der Quadriga bilden wird.

Die Schau-Werkstatt wird dienstags bis sonntags von jeweils 11 bis 17 Uhr kostenlos zu besichtigen sein; samstags, sonntags sowie an Feiertagen findet kein Restaurierungsbetrieb statt. Zusätzlich wird in den Räumen eine Ausstellung mit historischen Aufnahmen zur Geschichte der Quadriga präsentiert. Das Projekt ist über eine Laufzeit von zwei Jahren angelegt. Der geplante Start ist der 30. Oktober 2020. Ob die Öffnung der Schau-Werkstatt von einer temporären coronabedingten Schließung im November betroffen ist, erfahren Sie aktuell auf der Website www.bundestag.de/mauermahnmal.

Zu dem Kooperationsprojekt sagt Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, der zugleich Vorsitzender des Kunstbeirats des Bundestages ist: „Das Brandenburger Tor mit der Quadriga war einst das Symbol der Teilung, aber zugleich auch das Symbol des Strebens nach Einheit – und ist jetzt zum Symbol der Freiheit in der ganzen Welt geworden. Daher ist es dem Kunstbeirat des Deutschen Bundestages ein Herzensanliegen, dass die für den Erhalt der Quadriga so bedeutsamen wie historisch aufschlussreichen Gipsabgüsse nunmehr gesichert und restauriert werden, Ich wünsche mir, dass viele Besucherinnen und Besucher die einmalige Chance ergreifen, die Quadriga von Nahem zu betrachten und die so verdienstvolle wie spannenden Arbeit der Gipsformerei zu begleiten.“

Miguel Helfrich, Leiter der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin: „Da die ursprünglichen Formen der Quadriga nicht mehr erhalten sind, geben die nun verwendeten Gipsmodelle den letzten Informationsgehalt über den Zustand des Jahres 1942 wieder – mit Details, die an der heutigen Nachbildung auf dem Brandenburger Tor nicht mehr existieren. Sie sind daher besonders wertvoll. Die Gipsformerei freut sich auf die Arbeit in der offenen Schau-Werkstatt und die neuen Erkenntnisse, die die Rekonstruktion der Quadriga bringen wird.“

Dr. Christoph Rauhut, Landeskonservator und Direktor des Landesdenkmalamtes Berlin: „Ein herausragendes Exponat der Sammlungen des Landesdenkmalamtes Berlin sind die Gipsabgüsse der Quadriga. Das Projekt ist eine gelungene Kooperation zur Sicherung und Restaurierung der Gipsmodelle, an der die Öffentlichkeit erfreulicherweise durch die Schau-Werkstatt live teilhaben kann.“

Weiterführendes Informationsmaterial sowie hochauflösende Pressefotos stehen Ihnen im Pressebereich der Website der Staatlichen Museen zu Berlin zur Verfügung: www.smb.museum/presse.html.

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