HZI-Forscher finden das Leibgericht eines Darmbakteriums
Bis zu 50 Prozent der Bakterien in der Darmmikrobiota gehören zur Gattung Prevotella. Die Vertreter dieser Schlüsselgattung sind bisher noch wenig erforscht. Die Häufigkeit ihres Vorkommens hängt jedoch stark von der Ernährung ab. „Ziel unserer Studie war daher, die ökologische Nische der Prevotellen zu verstehen und herauszufinden, welche Nahrungsfaktoren ihnen dabei helfen, eine dominante Rolle in der Mikrobiota einzunehmen“, sagt Prof. Till Strowig, Leiter der Abteilung „Mikrobielle Immunregulation“ am HZI. Dafür isolierten die Wissenschaftler verschiedene Prevotella-Spezies aus der Mikrobiota von Mäusen. Wenn sie diese Spezies im Darm von Prevotella-freien Mäusen, die eine ballaststoffreiche Standardernährung erhielten, ansiedelten, nahmen die Bakterien schnell eine dominante Rolle in der Mikrobiota ein. Insbesondere die Zugabe von Arabinoxylan, einem Ballaststoff, der in pflanzlichen Zellwänden vorkommt, förderte das Wachstum der Prevotellen. „Mithilfe von bioinformatischen Analysen haben wir untersucht, welche genetischen Faktoren zur Dominanz der Prevotellen führen. Wir konnten zeigen, dass in den Bakterien genetische Elemente stark aktiviert wurden, die eine effektive Verwertung von komplexen Kohlenhydraten, sogenannten Polysacchariden, ermöglichen. Diese Elemente werden als PUL (englisch: polysaccharide utilizing loci) bezeichnet“, sagt Strowig. Prevotella-Spezies mit einer höheren Anzahl an PULs konnten Spezies mit weniger PULs aus der Mikrobiota verdrängen. Daher vermuten die Forscher, dass diese Elemente in Gegenwart pflanzlicher Ballaststoffe wichtig sind, um sich in der ökologischen Nische zu behaupten. „Die ökologische Nische ist jedoch hochdynamisch: Wenn wir den Zucker- oder Fettanteil in der Ernährung der Mäuse erhöht haben, sahen wir innerhalb kurzer Zeit einen Rückgang der Prevotellen von 50 auf fünf Prozent“, sagt Dr. Eric Galvez, Postdoc in Strowigs Abteilung und Erstautor der Studie.
„Darmbakterien werden oft pauschal als ‚gut‘ oder ‚schlecht‘ für die Gesundheit kategorisiert. Bei Prevotellen ist diese eindeutige Zuordnung aber gar nicht möglich: Einerseits werden sie mit positiven Gesundheitseffekten, wie einer verbesserten Verstoffwechselung von Ballaststoffen, assoziiert. Andererseits gibt es Hinweise, dass Prevotellen entzündungsverstärkend wirken können“, sagt Strowig. Auch bei Menschen ist Prevotella eine stark vertretene Gattung in der Mikrobiota. Daher hat Strowig mit seinem Team untersucht, ob Prevotellen dort ebenfalls PULs nutzen, um sich in der ökologischen Nische zu behaupten. Sie haben bestehende Datensätze daraufhin analysiert, ob das Vorkommen von PULs bei Prevotella copri, der häufigsten Prevotellen-Spezies in der menschlichen Darmmikrobiota, abhängig von der Ernährung ist. Tatsächlich konnten sie nur bei Veganern, nicht jedoch bei Vegetariern, eine Zunahme dieser Elemente gegenüber Menschen mit fleischhaltiger Ernährung finden. „Wir wissen noch nicht, welche Nahrungsfaktoren für die unterschiedliche PUL-Häufigkeit verantwortlich sind“, sagt Strowig.
Die aktuelle Studie zeigt eine Assoziation zwischen PULs und der Dominanz von Prevotella im Mikrobiom. „Derzeit arbeiten wir schon daran, im Mausmodell den kausalen Zusammenhang und die molekularen Mechanismen der genetischen Elemente zu verstehen“, sagt Strowig. Dieses Wissen wollen die Wissenschaftler anwenden, um die Wechselwirkungen von Prevotella mit der Ernährungsform und die genaue ökologische Nische auch in der menschlichen Mikrobiota zu untersuchen.
Die isolierten Prevotella-Spezies stellt das Studienteam über das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen der Forschungsgemeinschaft zur Verfügung.
Originalpublikation:
Eric J.C. Gálvez, Aida Iljazovic, Lena Amend, Till Robin Lesker, Thibaud Renault, Sophie Thiemann, Lianxu Hao, Urmi Roy, Achim Gronow, Emmanuelle Charpentier, Till Strowig: Distinct polysaccharide utilization determines interspecies competition between intestinal Prevotella spp. Cell Host & Microbe. October 2020. doi: 10.1016/j.chom.2020.09.012
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern. Das HZI ist Mitglied im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). www.helmholtz-hzi-de
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