Gesundheit & Medizin

Unfallchirurgen positionieren sich für die Vorbereitung zur medizinischen Bewältigung von Terror- oder Amoksituationen in Kliniken

Anlässlich des gestrigen Terroranschlages in Wien und dem der vergangenen Woche in Frankreich bekräftigt die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) die Notwendigkeit, Kliniken auf die Bewältigung einer derartigen lebensbedrohlichen Einsatzlage vorzubereiten. „Wir nehmen die Terrorbedrohung unverändert sehr ernst und arbeiten schon länger daran, dass Mediziner für die Versorgung von Schuss- und Explosionsverletzungen ausgebildet werden. Jetzt fordern wir die flächendeckende Umsetzung unserer Konzepte. Sie sind ein wichtiger Baustein der Daseinsvorsorge“, sagt DGU-Präsident Prof. Dr. Michael J. Raschke. So hat die Fachgesellschaft im neuen erst kürzlich veröffentlichten Weißbuch Schwerverletzenversorgung (3. Auflage) eingeführt, dass sich Kliniken verpflichtend auf die Bewältigung von Terror- oder Amoksituationen vorbereiten müssen. Das betrifft die derzeit über 700 Traumazentren, die am TraumaNetzwerk DGU® teilnehmen. Bisher war die medizinische Vorbereitung zum Management eines Ernstfalles freiwillig. Mit dem Kapitel „Großschadensereignis Massenanfall von Verletzten (MANV) / Massenanfall von Verletzten bei lebensbedrohlichen Einsatzlagen (TerrorMANV)“ spricht die DGU erstmals verbindliche Empfehlungen zur Bewältigung einer lebensbedrohlichen Einsatzlage aus. „Zur medizinischen Beherrschung eines TerrorMANV stehen Kliniken vor einer bisher unbekannten Herausforderung. Daher sorgen wir dafür, dass ihre Handlungsfähigkeit für diese Fälle erweitert wird“, sagt DGU-Generalsekretär Prof. Dr. Dietmar Pennig.

Der Leiter der DGU-AG Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie (EKTC) Prof. Dr. Axel Franke ergänzt: „Die gestrigen Ereignisse zeigen auf, dass die Daseinsvorsorge nicht nur die Bewältigung von Pandemien, sondern eben auch die permanente Versorgung von Unfällen und Terroranschläge miteinschließen muss. Als Anwälte der Schwerverletzten fühlen wir uns verantwortlich, diese aktuellen Entwicklungen zu antizipieren und an Konzepten zu arbeiten sowie die Weiterbildungsmaßnahmen in diesem Bereich weitestgehend aufrechtzuerhalten.“

Ein TerrorMANV ist eine medizinische und logistische Ausnahmesituation. Unter großem Zeitdruck müssen Rettungskräfte und Klinikpersonal eine hohe Anzahl von lebensgefährlich verletzten Menschen retten und zeitnah versorgen. Dazu kommen eine unübersichtliche Lage, nicht übliche bzw. aus dem Alltag vertraute Verletzungsmuster nach Explosionen oder Schusswaffengebrauch und die Gefahr eines „second hit“ in den Kliniken selbst. Auch die Höhe und die Dynamik des Zustroms der Verletzten in die Klinik sind nicht abschätzbar. Daher hat die DGU in einer Kooperation mit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr den Kurs „Terror and Disaster Surgical Care“ (TDSC®) entwickelt. Dabei lernen erfahrene Unfallchirurgen und Chirurgen medizinische Herausforderungen in einer Terror- oder Amoklage zu managen. Der zweieinhalbtägige TDSC®-Kurs vermittelt unter anderem Kenntnisse über den Einsatz auf gefährlichem Terrain, wesentliche Aspekte der Wundballistik, Besonderheiten zur Versorgung der speziellen Verletzungsmuster, wichtige Entscheidungsalgorithmen und Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und -regulierung. „Mit dieser Schulung ermöglichen wir professionelles Handeln in Ausnahmesituationen. Dabei vermitteln wir hochspezialisiertes Wissen aus der Einsatzchirurgie an zivile Mediziner“, sagt Oberstarzt Prof. Dr. Benedikt Friemert, DGU-Vorstandsmitglied und Mitautor des aktualisierten Weißbuches.

„So besorgniserregend es auch ist: Wir mussten das Weißbuch der Versorgungsrealität anpassen. Ereignisse von Halle aus Oktober 2019 und Waldkraiburg aus Mai 2020, letzte Woche Nizza und gestern Wien zeigen, dass wir auf lebensbedrohliche Einsatzlagen vorbereitet sein müssen“, betont Dr. Gerhard Achatz, stellv. Leiter der DGU-AG Einsatz-, Katastrophen- und Taktische Chirurgie (EKTC).
Das 2006 erstmals erschienene 40-seitige Weißbuch enthält Eckdaten, wie eine zugelassene Klinik personell und strukturell ausgestattet sein muss, um die bestmöglichen Überlebenschancen für Schwerverletzte zu bieten: Dazu zählt beispielsweise die Qualifikation des Personals, die Ausstattung mit diagnostischen Geräten und standardisierte Diagnose-Behandlungsabläufe. Diese Vorgaben erfüllen derzeit über 700 Traumazentren. Sie beteiligen sich am TraumaNetzwerk DGU® und sind deutschlandweit in über 50 regionalen TraumaNetzwerken zusammengeschlossen. Damit ist es der DGU innerhalb von 10 Jahren gelungen, dass die deutsche Unfallchirurgie flächendeckend, 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr eine leistungsstarke Akutversorgung Schwerverletzter bietet.

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