Gesundheit & Medizin

Nichtalkoholische Fettleber – „Stiller Killer“ erhöht Krebsrisiko

Verschiedene internationale Studien weisen auf ein erhöhtes Krebsrisiko bei der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) hin. Diese stellt die häufigste chronische Lebererkrankung dar. Eine retrospektive Kohortenstudie über 10 Jahre zeigt auf Basis sog. Real World-Daten für Deutschland im Hinblick auf spezifische Tumorarten ebenfalls ein erhöhtes Risiko. Die NAFLD kann damit als ein Indikator für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Krebs zu entwickeln, angesehen werden.

Die nichtalkoholische Fettleber (NAFLD: non-alcoholic fatty liver disease) gehört zu den häufigsten symptomlosen und nichtdiagnostizierten Krankheiten. In Europa liegt die geschätzte Prävalenz zwischen 20 und 30 %[1]. Der „stille Killer“ kann unbehandelt schwere Folgen verursachen und das Risiko für andere Erkrankungen wie z.B. Krebs erhöhen. Vor diesem Hintergrund untersuchten Forscher der Universität Mainz und von IQVIA, Frankfurt, auf Basis von Daten aus der Alltagsversorgung (Real World) die Bedeutung der NAFLD hinsichtlich der Inzidenz unterschiedlicher Tumorarten in Deutschland.

Epidemiologisch relevante Fragestellung

Angesichts einer weltweiten Zunahme der Inzidenz von Tumorerkrankungen bestand das Ziel der Studie[2] darin, die Bedeutung der NAFLD hinsichtlich der Inzidenz unterschiedlicher Tumorarten in Deutschland zu untersuchen. Denn über die spezifischen Krebsarten bei der Erkrankung ist wenig bekannt. Die NAFLD stellt jedoch eine der Hauptursachen für eine chronische Lebererkrankung dar, mit einer geschätzten Prävalenz von 24 % in der Allgemeinbevölkerung[3]. Vor allem Diabetes Typ 2- und Adipositas-Patienten haben ein erhöhtes Risiko. Da beide Erkrankungen seit Jahren eine Zunahme verzeichnen, gehen Forscher auch von einer zunehmenden Inzidenz der NAFLD in den USA und in den 5 größten EU-Ländern aus[4]. Des Weiteren lässt die demografische Entwicklung ein Ansteigen neuer Krebsfälle annehmen.

Die NAFLD umfasst ein Erkrankungsspektrum, das von der einfachen Leberverfettung über die Leberzirrhose bis hin zum Leberkrebs reicht. Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium der NAFLD besitzen im Vergleich zu Menschen ohne chronische Lebererkrankung ein sieben Mal höheres Risiko, an Leberkrebs zu erkranken. In der Folge bedeutet dies nicht selten die Notwendigkeit einer Transplantation.

Die Kooperation zwischen der Universitätsklinik Mainz und dem Epidemiologie-Team von IQVIA führte zu mehreren neuen Studien hinsichtlich physischer und psychischer Erkrankungen als Folge der NAFLD. Die hier vorzustellende Kohortenstudie beschäftigte sich mit der Assoziation zwischen NAFLD und Krebs. Die Datenbasis dieser Studie bildeten anonymisierte Diagnoseinformationen aus der retrospektiven Datenbank IMS® Disease Analyzer[5] aus 1.262 allgemeinärztlichen Praxen in Deutschland. In die Auswertungen flossen die Therapieverläufe von 31.587 Patienten ein, die im Zeitraum zwischen Januar 2000 und Dezember 2015 (Indexphase) eine NAFLD-Erstdiagnose erhalten hatten und für die eine Beobachtungszeit von mindestens 12 Monaten vor dem Indexdatum vorlag. Patienten mit einer Krebsdiagnose vor dem Indexdatum waren ausgeschlossen. Verglichen wurde die Studiengruppe mit einer gleich großen Kontrollgruppe ohne NAFLD-Diagnose, die nach den Merkmalen Alter, Geschlecht, Arzt, behandelnde Praxis, Indexjahr und Charlson Komorbiditätsindex[6] vergleichbar selektiert wurden.

Insgesamt wie auch spezifisch erhöhtes Krebsrisiko

Innerhalb von 10 Jahren nach dem Indexdatum wurde bei 15,3 % der Patienten aus der Studiengruppe und bei 13,4 % der Patienten aus der Kontrollgruppe eine Krebserkrankung diagnostiziert. Dieses Ergebnis ist statistisch signifikant. Die drei häufigsten Krebsarten in beiden Gruppen waren Hautkrebs, Karzinome der Verdauungsorgane (ohne Leberkrebs) und Krebs im Bereich von Lymphe und Gewebe. 

Vertiefende Analysen zeigen, dass bei Patienten mit NAFLD das Risiko für bestimmte Tumorarten erhöht ist[7]: für Brustkrebs bei Frauen um 20 %, für Tumore der Genitalorgane bei Männern um 26 % und für Hautkrebs, unabhängig vom Geschlecht, um 22 %. Die Gesamtinzidenz von Krebs bei NAFLD erwies sich als um 15 % erhöht (Abb. 1 zum Herunterladen).

Das zentrale Ergebnis der erstmals für Deutschland untersuchten Inzidenz von Krebserkrankungen bei NAFLD, nämlich ein erhöhtes Krebsrisiko, steht im Einklang mit ähnlichen Untersuchungen aus anderen Ländern, bei Unterschieden hinsichtlich der Krebsarten, wofür verschiedene Faktoren eine Rolle spielen könnten. Auch wenn die Studie bestimmten Einschränkungen unterliegt[8], so lassen sich doch aufgrund der Größe mit rund 63.000 einbezogenen Patienten Erkenntnisse gewinnen. Dazu Prof. Dr. Karel Kostev, Forschungsleiter bei IQVIA: „Die Ergebnisse zeigen, dass die NAFLD als ein Indikator für eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, Krebs zu entwickeln, anzusehen ist. Vor diesem Hintergrund bieten sie auch eine nützliche Orientierungshilfe zur Bestimmung von Best Practice-Mustern in der Diagnostik und Versorgung von Patienten mit NAFLD. Zu denken ist hier ist beispielsweise an eine intensive Beratung der Betroffenen, an Krebsvorsorgeprogrammen teilzunehmen.“

[1] https://flexikon.doccheck.com/de/Nicht-alkoholische_Fettleber#:~:text=Die%20nichtalkoholische%20Fettlebererkrankung%2C%20kurz%20NAFLD,die%20nichtalkoholische%20Steatohepatitis%20(NASH)  

2 Vollständige Publikation unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/216304/Tumorinzidenz-bei-Patienten-mit-nichtalkoholischer-Fettlebererkrankung

3 Younossi ZM, Koenig AB, Abdelatif D, Fazel Y, Henry L, Wymer M: Global epidemiology of nonalcoholic fatty liver disease-Meta-analytic assessment of prevalence, incidence, and outcomes. Hepatology (Baltimore, Md). 2016;64:73-84; Younossi Z, Tacke F, Arrese M, et al.: Global Perspectives on Nonalcoholic Fatty Liver Disease and Nonalcoholic Steatohepatitis. Hepatology (Baltimore, Md). 2019;69:2672-82

4 Estes C, Anstee QM, Arias-Loste MT, et al.: Modeling NAFLD disease burden in China, France, Germany, Italy, Japan, Spain, United Kingdom, and United States for the period 2016-2030. Journal of hepatology. 2018;69:896-904; Estes C, Razavi H, Loomba R, Younossi Z, Sanyal AJ: Modeling the epidemic of nonalcoholic fatty liver disease demonstrates an exponential increase in burden of disease. Hepatology (Baltimore, Md). 2018;67:123-33

5 IMS® Disease Analyzer ist eine Datenbank von IQVIA, die anonymisierte Therapie- und Behandlungsverläufe zeigt. Dadurch lassen sich Krankheits- und Therapieverläufe über viele Jahre darstellen. IMS® Disease Analyzer beruht auf einer repräsentativen Stichprobe von mehr als 2.500 niedergelassenen Ärzten in der Bundesrepublik Deutschland, die mit EDV-Systemen ausgestattet sind.

6 Charlson Comorbidity Index (CCI): gewichteter Index, der die Anzahl und den Schweregrad eines breiten Spektrums von Komorbiditäten berücksichtigt

7 Hazard Ratio (HR)

8 Datenbank-bedingte Erfassung von Codierungen/Klassifikationen, keine detaillierten Labordaten und damit Informationen zum Schweregrad der Erkrankung, potenzielle Verzerrung durch retrospektive Analyse, Fokus auf ambulanten Behandlungsbereich

Über IQVIA

IQVIA (NYSE: IQV) ist ein führender, globaler Anbieter von zukunftsweisender Analytik, Technologielösungen und klinischer Auftragsforschung für Life Science Unternehmen. Entstanden durch den Zusammenschluss von IMS Health und Quintiles, nutzt IQVIA Erkenntnisse der interdisziplinären Human Data Science und verbindet so Stringenz und Klarheit der Data Science mit dem kontinuierlich wachsenden Anwendungsbereich Human Science. Auf dieser Grundlage unterstützt IQVIA Unternehmen darin, neue Ansätze in der klinischen Entwicklung und in der Vermarktung zu verfolgen, ihr Innovationstempo zu steigern und bessere Ergebnisse in der Gesundheitsversorgung zu erzielen. Getragen von IQVIA CORE™, generiert IQVIA einzigartige und praxisrelevante Erkenntnisse an der Schnittstelle von umfassenden Analysen, transformativen Technologien, ausgewiesener Branchenexpertise und Umsetzungskompetenz. Mit rund 67.000 Mitarbeitern ist IQVIA in mehr als 100 Ländern tätig. IQVIA ist weltweit führend in Datenschutz und -sicherheit. Das Unternehmen nutzt ein breites Spektrum an Technologien und Sicherheitsmaßnahmen bei der Generierung, Analyse und Verarbeitung von Informationen. So unterstützt IQVIA Akteure im Gesundheitswesen darin, Krankheitsbilder zu identifizieren sowie mit entsprechenden Behandlungspfaden und Therapien zu verbinden, um bessere Behandlungsergebnisse zu erreichen. Das umfassende Know-how von IQVIA verhilft Unternehmen aus Biotechnologie, Medizintechnik, pharmazeutischer Industrie und medizinischer Forschung, staatlichen Einrichtungen, Kostenträgern und anderen Akteuren im Gesundheitswesen zu einem tieferen Verständnis von Versorgungsbedingungen, Krankheiten und wissenschaftlichen Fortschritten und unterstützt sie so auf ihrem Weg zu größeren Behandlungserfolgen. Weitere Informationen finden Sie auf www.IQVIA.de.

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