Lungenkrebsscreening mittels Low-Dose-CT: Nutzen überwiegt den möglichen Schaden
In der Gesamtschau sieht das IQWiG-Projektteam beim Endpunkt Mortalität einen Anhaltspunkt für einen Nutzen des Low-Dose-CT-Lungenkrebs-Screenings im Vergleich zu keinem Screening. Diesem Nutzen steht ein Schaden durch falsch-positive Screeningbefunde und Überdiagnosen gegenüber. Für die Hochrisikogruppe der (ehemals) starken Raucherinnen und Raucher überwiegt der Nutzen aber den möglichen Schaden.
Lungenkrebsscreening mittels Low-Dose-CT auf dem Prüfstand
Lungenkrebs gehört weltweit zu den häufigsten Krebstodesursachen. Männer erkranken im Median mit 70, Frauen mit 69 Jahren. Dabei wird Lungenkrebs meist erst in einem späten Stadium entdeckt, sodass fünf Jahre nach der Diagnose nur noch ein Fünftel bis ein Sechstel der Betroffenen lebt.
Derzeit existiert in Deutschland kein systematisches Screening auf Lungenkrebs, und die LDCT gehört nicht zum Leistungsumfang der GKV. Ob die Strahlenexposition eines mehrjährigen LDCT-Screenings einschließlich Folgediagnostik zulässig ist, wird aktuell gemäß Strahlenschutzgesetz noch durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) bewertet.
Low-Dose-CT-Screening mindert Lungenkrebs-Sterblichkeit
Die Ergebnisse aus acht randomisierten kontrollierten Studien (RCT) mit mehr als 90 000 Personen liefern einen Hinweis auf den Nutzen eines LDCT-Screenings für (ehemals) starke Raucherinnen und Raucher: Es kann etwa 5 von 1000 Personen innerhalb von etwa zehn Jahren davor bewahren, an Lungenkrebs zu sterben.
Für die Gesamtmortalität lässt sich dagegen statistisch kein Vorteil des LDCT-Screenings nachweisen. Grund dafür könnte sein, dass die vor Tod durch Lungenkrebs bewahrten Menschen stattdessen an weiteren tabakassoziierten Erkrankungen versterben, also an anderen Krebsarten oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Allerdings zeigen die Ergebnisse aus Metaanalysen aller gepoolten Studiendaten in Richtung einer Minderung der Gesamtsterblichkeit.
In der Gesamtabwägung von krankheitsspezifischer Mortalität und Gesamtmortalität kommt dasIQWiG im Abschlussbericht deshalb auf einen Anhaltspunkt für einen Nutzen des Lungenkrebsscreenings mittels Low-Dose-CT im Vergleich zu keinem Screening.
Falsche Befunde und Überdiagnosen eher selten
Allein der falsch-positive Befund bedeutet einen Schaden für die Betroffenen. Die Diagnose Lungenkrebs erfordert überdies eine histologische oder zytologische Absicherung, die jedoch – wie jede Diagnostik und Behandlung – das Risiko von Nebenwirkungen und Komplikationen birgt. So kommt es zu operativen Eingriffen, ohne dass immer ein Lungentumor vorliegt, z. T. mit schwerwiegenden Nebenwirkungen. Das Schadensrisiko in den eingeschlossenen Studien variiert allerdings: Aufgrund falsch-positiver Screeningbefunde kam es bei 1-15 von 1000 Personen zu unnötigen Eingriffen.
Überdiagnosen entdecken Lungentumore, die ohne Früherkennungsuntersuchung nie aufgefallen und nie behandlungsbedürftig geworden wären. Auch das Überdiagnoserisiko variiert stark in den untersuchten Studien: Von 1000 zum Screening eingeladenen Personen können 0-22 von einer Überdiagnose betroffen sein. Das Überdiagnoserisiko für Personen, die während der Screeningphase eine Lungenkrebsdiagnose erhalten, liegt in den Studien zwischen 0 und 63 Prozent. Dies unterstreicht, wie wichtig eine optimierte Screeningstrategie ist, um das Überdiagnoserisiko gering zu halten.
Für die Hochrisikogruppe der (ehemals) starken Raucherinnen und Raucher überwiegt aber der Nutzen diese Schadensaspekte. Zusammenfassend gibt es einen Anhaltspunkt für einen Nutzen des Low-Dose-CT-Screeningsgegenüber keinem Screening.
Screening-Strategie ist wichtig
Grundlage für ein positives Nutzen-Schadenverhältnis des Lungenkrebsscreenings mittels Low-Dose-CT ist eine optimale Screening-Strategie. Dafür ist die zu untersuchende Hochrisikopopulation über Rauchverhalten und Restlebenserwartung möglichst konkret zu definieren. Ähnlich wie in den Studien sollte das Lungenkrebsscreening auch in der Praxis unterstützt werden durch konkrete Qualitätssicherungsmaßnahmen (Abklärungsalgorithmus, Gerätetypen, Verlaufskontrolle etc.).
Derzeit wird an weiteren Optimierungen des Lungenkrebsscreenings mittels Low-Dose-CT gearbeitet. So untersucht eine europäische Studie bis Ende 2024 die Sicherheit risikobasierter Untersuchungsintervalle und Strategien zur Durchführung: Das EU-Projekt „4-IN THE LUNG RUN“, an dem auch deutsche Forschungseinrichtungen beteiligt sind, soll insgesamt 24 000 Personen in einen RCT einschließen.
Zum Ablauf der Berichterstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den Vorbericht, hatte das IQWiG im Juli 2020 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach Abschluss des Stellungnahmeverfahrens hat das Projektteam den Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im Oktober an den Auftraggeber, den G-BA, versandt. Die beiden eingegangenen schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert.
Das IQWiG ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut, das Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten untersucht. Wir informieren laufend darüber, welche Vor- und Nachteile verschiedene Therapien und Diagnoseverfahren haben können
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