Systemrelevante Berufe müssen dringend und dauerhaft finanziell und gesellschaftlich wertgeschätzt werden
Die Covid19-Pandemie zeigt mehr als deutlich, welche Berufe von gesellschaftlicher Relevanz sind – im Vordergrund dabei häufig: Beschäftige im Einzelhandel, im Pflege- und Krankenhaussektor sowie aus weiteren Bereichen der öffentlichen und privaten sozialen Dienstleistungen. Arbeitsbelastungen und Entlohnung stehen hier allerdings in deutlichem Widerspruch zueinander. Die Auswertungen des DGB-Index „Gute Arbeit“ 2019 für das Saarland zeigen die enorme Diskrepanz zwischen verschiedenen Berufsgruppen bei der Beurteilung der Kriterien im Sinne Guter Arbeit – insbesondere bei den Kriterien „Einkommen und Rente“ sowie „Sinngehalt der Arbeit“.
Auf einer Punkteskala von 0 bis 100 beurteilen beispielsweise Beschäftigte in Medizinischen Gesundheitsberufen die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit durchschnittlich mit einem Wert von 84, ihre Einkommenssituation liegt bei lediglich 37. Ähnlich sieht es bei erzieherischen, sozialen und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten aus. Noch deutlicher ist der Unterschied bei den nichtmedizinischen Gesundheitsberufen, wie beispielsweise der Altenpflege; dort liegt die Beurteilung über die Sinnhaftigkeit bei einem Wert von 90, während die Einkommenssituation lediglich einen Wert von 17 (!) aufweist.
„Es stellt sich hier die Frage, warum Arbeit mit enorm hoher gesellschaftlicher Relevanz nicht eine entsprechende Entlohnung erfährt. Die Verdienstunterschiede sind auf unterschiedliche gesellschaftliche Wertzuweisungen zurückzuführen sowie nicht zuletzt auch auf mittelbar geschlechtsspezifische Diskriminierungen. Die „systemrelevanten“ Berufen bedürfen dringend einer dauerhaften (finanziellen wie auch gesellschaftlichen) Anerkennung und Wertschätzung über die aktuelle Krise hinaus“, so Otto.
Die Pandemie hat deutliche Verwerfungen aufgezeigt: Die Beschäftigten in sogenannten „systemrelevanten“ Berufen sind neben erheblicher Mehrbelastung und enormem Druck durchgängig erhöhten Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Außerdem leiden sie unter den Einschränkungen der über Jahrzehnte erkämpften Arbeitsrechte: Die Begrenzung der täglichen Arbeitszeit auf acht beziehungsweise zehn Stunden für zahlreiche Berufe wurde abgeschafft, das Verbot der Sonntagsarbeit weiter gelockert, die Ruhezeit zwischen zwei Tagen verkürzt, die Pausenzeiten halbiert und die Ladenöffnungszeiten ausgeweitet.
„Eine Anerkennung sozialer Dienstleistungen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es bedarf gesellschaftlichen Verständnisses und Akzeptanz – zum einen zur Bereitschaft, die Tätigkeiten mehr wertzuschätzen, auch finanziell. Die Lockerung von Arbeitszeitgesetzen im Zuge der Corona-Krise gehört sicherlich nicht dazu. Zum anderen zur Legitimation eines handlungsfähigen Staates, der im Bereich Daseinsvorsorge auch Sorgetätigkeiten verantwortet“, so Otto abschließend.
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