Forschung und Entwicklung

Die ersten Löwen-Embryonen aus eingefrorenen Eizellen

Einem Team aus Wissenschaftler*innen des Berliner Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und der Universität Mailand, Italien, in Kooperation mit dem Givskud Zoo – Zootopia in Dänemark ist es gelungen, die ersten Embryonen von afrikanischen Löwen aus eingefrorenen (vitrifizierten) Eizellen zu produzieren. Für die Vitrifizierung – eine spezielle Methode der Gefrierkonservierung – werden die Eizellen eines Tieres direkt nach dessen Kastration oder Tod entnommen und sofort bei -196°C in flüssigem Stickstoff eingefroren. Diese Technik ermöglicht es, Eizellen von genetisch wertvollen Tieren für unbegrenzte Zeit zu lagern, um Nachkommen mit Hilfe assistierter Reproduktionstechniken zu erzeugen. Ziel ist es, diese Methoden weiter zu verbessern und anzuwenden, um stark gefährdete Katzenarten wie den asiatischen Löwen vor dem Aussterben zu bewahren. Die aktuelle wissenschaftliche Arbeit über afrikanische Löwen als Modellart ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Die Ergebnisse sind in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Cryobiology“ veröffentlicht.

Löwen-Eizellen gelten aufgrund ihres hohen Fettgehalts als besonders empfindlich gegenüber Abkühlung, da lipidreiche Eizellen generell langsame Einfrierprozesse nicht gut überstehen. Durch die ultraschnelle Abkühlung in einer konzentrierten Lösung aus Gefrierschutzmitteln auf -196°C, genannt Vitrifikation, wurde in den hier durchgeführten Experimenten verhindert, dass sich während des Abkühlens in den Zellen Eiskristalle bildeten, die Zellbestandteile (Organelle) zerstören könnten. Wenn es funktioniert, dann sind derart eingefrorene Eizellen praktisch unbegrenzt haltbar, können mit höherer Überlebenswahrscheinlichkeit aufgetaut und anschließend zur Erzeugung von Nachkommen verwendet werden.

Für ihre Forschung entnahmen die Wissenschaftler*innen Eizellen von vier afrikanischen Löwinnen aus dem Givskud Zoo – Zootopia, nachdem die Tiere dort im Rahmen des Populationsmanagements eingeschläfert wurden. Die Hälfte der Eizellen (60) wurde sofort vor Ort vitrifiziert. Nach sechstägiger Lagerung in flüssigem Stickstoff wurden die Eizellen erwärmt und einer In-vitro-Reifung bei 39°C in einem Inkubator für insgesamt 32 bis 34 Stunden unterzogen. Die andere Hälfte (59) wurde als Kontrollgruppe ohne vorherige Vitrifikation direkt zur Reifung im Reagenzglas (In-vitro-Reifung) gebracht. Die reifen Eizellen beider Gruppen wurden mit tiefgefrorenen und dann aufgetauten Spermien von afrikanischen Löwen befruchtet. „Nach dem Wiederauftauen der vitrifizierten Eizellen konnten wir einen hohen Anteil an überlebenden und gereiften Eizellen feststellen. Fast die Hälfte der Eizellen war gereift, ein ähnlich hoher Anteil wie in der Kontrollgruppe“, sagt Jennifer Zahmel, Wissenschaftlerin in der Abteilung für Reproduktionsbiologie am Leibniz-IZW. Aus den vitrifizierten Eizellen entwickelten sich sieben Embryonen, in der Kontrollgruppe gelang dies für drei Embryonen. „Unseres Wissens nach wurden bisher noch nie In-vitro-Embryos aus vitrifizierten Eizellen von afrikanischen Löwen oder einer anderen Wildkatzenart erzeugt. Dies ist das erste Mal“, sagt Martina Colombo von der Universität Mailand und Gastwissenschaftlerin am Leibniz-IZW.

In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit über Hauskatzen, die in Zusammenarbeit mit Kolleg*innen der Universität Mailand und der Veterinärmedizinischen Universität Wien durchgeführt wurde, zeigten die Reproduktionsbiologinnen des Leibniz-IZW, dass die sofortige Vitrifikation von Katzen-Eizellen „vor Ort“ die beste Wahl ist, um mehr Keimzellen von guter Qualität und folglich auch mehr Embryonen nach einer Befruchtung im Reagenzglas zu erhalten. Diese Arbeit wurde ebenfalls in dem Fachjournal „Cryobiology“ publiziert. Die Vor-Ort-Vitrifikation ist besonders nützlich, wenn Proben von Wildtieren in Zoos entnommen werden und in ein geeignetes Labor transportiert werden sollen. „Der Transport von frischen Eizellen und Eierstockgewebe über Landesgrenzen hinweg ist oft komplex und zeitkritisch. Die Vor-Ort-Vitrifikation von Eizellen ermöglicht stattdessen einen planbaren und sicheren Transport. Die Eizellen können zu einem späteren Zeitpunkt befruchtet werden, sobald sie in ein geeignetes Labor transportiert wurden und Spermien eines Männchens zur Verfügung stehen“, erklärt Zahmel.

Die aktuelle Veröffentlichung zeigt, wie Eizellen von afrikanischen Löwen für die Bewahrung genetischer Ressourcen erfolgreich gefrierkonserviert, zur Reifung gebracht und befruchtet werden können. Allerdings entwickelte sich keiner der Embryonen über das 4-Zell-Stadium hinaus. Die zukünftige Forschung soll daher klären, welche zellulären Abläufe bei der Vitrifikation beeinträchtigt werden, um zu verstehen, welche spezifischen Bedingungen die vitrifizierten Eizellen nach der Erwärmung benötigen. „Obwohl die Embryonalentwicklung nach gegenwärtigem Stand noch beeinträchtigt ist, geben unsere Ergebnisse Anlass zur Hoffnung, dass Wildkatzen-Eizellen in Zukunft schnell und sicher in Biobanken aufbewahrt werden können", sagt Katarina Jewgenow, Leiterin der Abteilung für Reproduktionsbiologie am Leibniz-IZW. „Unser Ziel ist es, diese Methoden anhand von Modellarten wie der Hauskatze und dem afrikanischen Löwen stetig zu verbessern, um sie eines Tages für die assistierte Reproduktion gefährdeter Katzenarten wie dem asiatischen Löwen einzusetzen“, fügt Jewgenow hinzu.

Publikationen

Zahmel J, Jänsch S, Jewgenow K, Sandgreen DM, Simonsen KS, Colombo M (im Druck; online preprint): Maturation and fertilization of African lion (Panthera leo) oocytes after vitrification. CRYO BIOL, https://doi.org/10.1016/j.cryobiol.2020.11.011.

Colombo M, Zahmel J, Binder C, Herbel J, Luvoni GC, Jewgenow K (im Druck; online preprint): Ovary cold storage and shipment affect oocyte yield and cleavage rate of cat immature vitrified oocytes. CRYO BIOL, https://doi.org/10.1016/j.cryobiol.2020.11.003

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