Werner Krämer, Lazard AM: „Die USA und der US-Dollar werden zum ökonomischen Risikokomplex“
Dazu gehöre, dass die Märkte bislang keinen selbsttragenden Konjunkturaufschwung erreicht hätten. „Das zeigt die Abschwächung im vierten Quartal 2020 und die erwartete Schwäche im ersten Quartal 2021 angesichts wieder stark steigender Covid-19-Infektionen und erneuter Lockdowns in den USA und Europa“, erklärt Krämer. Die Konjunkturerholung werde fast ausschließlich von der Geld- und Fiskalpolitik getragen, weshalb ihre Fortsetzung auch von der Fortsetzung der hyperexpansiven Wirtschaftspolitik abhänge.
Weiterhin werde am Markt diskutiert, ob diese nie gesehene monetäre Expansion nicht am Ende Inflation erzeugen muss. Aus Sicht Krämers könne man sich für die USA durchaus Gedanken machen, denn dort hätten die Preissteigerungsraten zuletzt zugenommen. „In der Eurozone allerdings kann von einem Inflationsimpuls – bisher – nicht die Rede sein“, so Krämer. „Gegenwärtig überwiegt der disinflationäre Einfluss der von der Pandemie erzeugten Rezession eindeutig den inflationären Impuls der Geld- und Fiskalpolitik.“ Die Kerninflationsrate (ohne Nahrungsmittel und Energie) verharre in der Eurozone in der Nähe des tiefsten Stands seit Beginn der Datenerhebung. Auch die Inflationserwartungen blieben in der Europäischen Währungsunion im Gegensatz zu den USA fest verankert.
So ist nach Ansicht des Ökonoms insbesondere in der Eurozone der Spielraum für eine weitere Expansion der Geld- und Fiskalpolitik vorhanden. „Auch in den USA sind nach dem Wahlsieg der Demokraten bei der US-Präsidentschaftswahl und angesichts ihrer erstarkten Stellung im Kongress und Senat weitere Fiskalpakete zu erwarten, die einen Beitrag zur Krisenüberbrückung leisten können, bis der Impffortschritt eine allmähliche Rückkehr zur Normalität im zweiten Halbjahr 2021 erhoffen lässt“, betont Krämer.
Vor dem Hintergrund der erwarteten Unterstützung durch Geld- und Fiskalpolitik bleibt der Experte mittelfristig moderat optimistisch für Anlagen mit höherem Risiko – nicht nur für Aktien, sondern auch für Unternehmensanleihen, für Anleihen der europäischen Peripherie, für Emerging Marktes-Bonds, dänische Pfandbriefe und Wandelanleihen.
Im Bereich europäischer Renten sieht Krämer Unternehmensanleihen trotz der Hausse der letzten Monate noch immer als attraktiv an. „Wir halten die eingeengten Spreads noch für interessant, weil das Risiko durch staatliche Garantien und die fast unbegrenzten Wertpapierkäufe der Zentralbank begrenzt wird“, erläutert er.
Wo liegen die Hauptrisiken im weiteren Jahresverlauf?
Zum einen besteht aus Sicht Krämers das Risiko eines wie auch immer gearteten Scheiterns der Covid-19-Impfungen – beispielsweise wegen auftretender Nebenwirkungen oder Chaos in der Organisation. „Dies wäre fatal, denn der Markt hat eingepreist, dass die Pandemie im zweiten Halbjahr 2021 weitgehend abgehakt werden kann“, sagt Krämer.
Zum anderen sieht er einen mehr ökonomischen Risikokomplex um die USA und den US-Dollar. „Die Krise Amerikas, der Aufstieg Chinas, und die Schwäche des US-Dollars waren in den letzten Monaten eklatant“, sagt Krämer. „Hieraus könnte sich im Extremfall eine echte Währungskrise entwickeln. Eine explodierende Verschuldung, steigende Inflation, steigende Zinsen und eine schwache US-Währung wären für die Welt insbesondere dann fatal, wenn diese Entwicklungen eine Eigendynamik bekämen und zu volatil abliefen.“ Dann könne man wachsende Ängste vor dem Richtungswechsel der US-Zentralbank („Taper Tantrum“) wie im Jahr 2013 nicht ausschließen. „Die Weltwirtschaft ist nicht so gesund, dass sie mit dem Ausbruch einer erneuten Finanzkrise so leicht fertig würde“, betont der Makroökonom.
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