Politik hat Chance vertan, Gerechtigkeit im Digitalmarkt herzustellen – zum Schaden der deutschen Kreativwirtschaft; Gewinner sind die globalen Plattformen
Mit Blick auf den heute im Kabinett verabschiedeten Entwurf zur Umsetzung der DSM-Richtlinie in Deutschland sind Verbände und Institutionen von Rechteinhabern verschiedener Branchen* bestürzt. Ihre in den vergangenen Wochen und Monaten vielfach vorgetragenen praxisbezogenen und rechtlichen Kritikpunkte am Text des BMJV sind – in der Essenz – nicht berücksichtigt worden. Damit werden die Branchenrealitäten von der Politik ignoriert. Stattdessen hat das Kabinett heute einen Entwurf verabschiedet, der den umzusetzenden Vorgaben der europäischen Richtlinie ohne Not für Deutschland ein eigenes Regelungskonstrukt hinzufügt und dadurch globale Online-Plattformen stärkt, die Rechtsposition von Kreativen und ihren Partnern schwächt und in entscheidenden Teilen dem Bestreben der DSM-Richtlinie nach einem ausgewogenen harmonisierten Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt entgegensteht. Länder wie Frankreich oder die Niederlande dagegen setzen die Richtlinie in dem auf europäischer Ebene verabschiedeten Sinne um.
Zu den immer wieder geäußerten Kritikpunkten gehören eine praxisferne Ausgestaltung von Ansprüchen und Lizenzverhältnissen sowie massive Eingriffe in etablierte und zukünftige Lizenzmärkte. Vor allem die sogenannte Bagatellschranke ist von vielen Seiten zu Recht scharf kritisiert worden. Auch wenn diese nun einer anderen Regelung unterliegt, wird den Rechteinhabern mit dem Entwurf weiterhin faktisch die Herrschaft über wesentliche Teile ihrer Inhalte ohne entsprechende Rechtfertigung durch die Richtlinie entzogen. Künftig sollen bis zu 15 Sekunden aus einem Musikstück, Filmwerk oder Laufbild, bis zu 160 Zeichen Text, 125 Kilobyte für Fotos und Grafiken gegen eine (geringe) kollektivierte Pauschalvergütung von jedem Menschen erlaubnis- und haftungsfrei öffentlich verwendet werden können – ausgewertet auf Plattformen, die damit in der Regel erhebliche Gewinne generieren. Die Rechteinhaber können also nicht mehr primär darüber bestimmen, wie und wo die Nutzung ihrer Werke stattfindet. Darüber hinaus gefährdet der Entwurf auch im Urhebervertragsrecht weithin akzeptierte Branchenlösungen und schafft durch neuartige Berichtspflichten unverhältnismäßige Bürokratiekosten. All dies stellt die deutsche Kreativbranche gegenüber den globalen Mitbewerbern schlechter und wird dem Kreativstandort Deutschland nachhaltigen Schaden zufügen. Hier muss im parlamentarischen Verfahren dringend nachgebessert und Kompromissbereitschaft signalisiert werden, um die drohende Benachteiligung Deutschlands im digitalen Binnenmarkt abzuwenden.
*Zu den Unterzeichnern aus dem Kreis der Kultur- und Kreativwirtschaft zählen hier:
der BVMI – Bundesverband Musikindustrie e.V.,
der BVPA – Bundesverband professioneller Bildanbieter e.V.,
der DFB – Deutscher Fußball-Bund e.V.,
die DFL – Deutsche Fußball Liga GmbH,
die Allianz Deutscher Produzenten e.V.,
die SPIO – Spitzenorganisation der Filmwirtschaft e.V.,
der VAUNET – Verband Privater Medien e.V.,
und der VUT – Verband unabhängiger Musikunternehmer*innen e.V.
Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) vertritt die Interessen von rund 200 Tonträgerherstellern und Musikunternehmen, die mehr als 80 Prozent des deutschen Musikmarkts repräsentieren. Der Verband setzt sich für die Anliegen der Musikindustrie in der deutschen und europäischen Politik ein und dient der Öffentlichkeit als zentraler Ansprechpartner zur Musikbranche. Neben der Ermittlung und Veröffentlichung von Marktstatistiken gehören branchennahe Dienstleistungen zum Portfolio des BVMI. Seit 1975 verleiht er die GOLD- und PLATIN-Awards an die erfolgreichsten Künstler in Deutschland, seit 2014 auch die DIAMOND-Awards und seit 1977 werden die Offiziellen Deutschen Charts im Auftrag des BVMI erhoben. Zur Orientierung der Verbraucher bei der Nutzung von Musik im Internet wurde 2013 die Initiative PLAYFAIR ins Leben gerufen. Weitere Informationen: www.musikindustrie.de
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