Vitamin D-Supplementierung: möglicher Gewinn an Lebensjahren bei gleichzeitiger Kostenersparnis
Seit einigen Jahren bereits untersuchen Wissenschaftler den Einfluss einer ausreichenden Versorgung mit Vitamin D auf die Prognose zahlreicher Erkrankungen. Im Fokus stehen dabei insbesondere entzündliche Krankheiten, Diabetes, Atemwegserkrankungen und Krebs.
Zur Frage, wie sich die Vitamin D-Versorgung auf die Sterberaten an Krebs auswirkt, sind in den vergangenen Jahren gleich drei Metaanalysen großer klinischer Studien erschienen. Die Untersuchungen* kamen zu einem übereinstimmenden Ergebnis: Um rund 13 Prozent sinkt bei einer Vitamin D-Supplementierung die Krebssterblichkeit – über alle Krebserkrankungen hinweg. Welche biologischen Mechanismen dem zugrunde liegen könnten, ist noch nicht genau geklärt. In die Metaanalysen wurden ausschließlich methodisch hochwertige randomisierte Studien aus allen Teilen der Welt einbezogen.
„In vielen Ländern der Welt ist im letzten Jahrzehnt die altersbereinigte Rate der Krebssterblichkeit erfreulicherweise gesunken“, sagt Hermann Brenner, Epidemiologe vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). „Doch angesichts der oftmals erheblichen Kosten vieler neuer Krebsmedikamente ist dieser Erfolg ist vielfach teuer erkauft. Vitamin D dagegen ist in den üblichen Tagesdosen vergleichsweise günstig.“
Ein Vitamin D Mangel ist in der älteren Bevölkerung und insbesondere bei Krebspatienten weit verbreitet. Brenner und Kollegen errechneten nun, welche Kosten durch eine Vitamin D-Supplementierung der gesamten Bevölkerung Deutschlands ab einem Alter von 50 Jahren entstehen würden. Dieser Summe stellten sie die möglichen Einsparungen für Krebstherapien gegenüber, die insbesondere bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen während der letzten Lebensmonate der Patienten oft mit Kosten im Bereich von mehreren 10.000 Euro verbunden sind.
Für diese Berechnung legten die Wissenschaftler eine tägliche Gabe von 1000 internationalen Einheiten Vitamin D zu einem Preis von 25 Euro pro Person und Jahr zugrunde. Im Jahr 2016 lebten in Deutschland ca. 36 Millionen Menschen über 50 Jahre, daraus errechnen sich jährliche Kosten für die Supplementierung von 900 Millionen Euro.
Die Kosten für eine Krebsbehandlung entnahmen die Forscher der wissenschaftlichen Literatur und gingen dabei von mittleren zusätzlichen Behandlungskosten von 40.000 € allein für das letzte Lebensjahr der an Krebs verstorbenen Patienten aus. Eine um 13 Prozent verringerte Krebssterblichkeit in Deutschland entsprach im Jahr ca. 30.000 weniger krebsbedingten Todesfällen, deren Behandlungskosten sich in der Modellrechnung auf 1,154 Milliarden Euro beliefen. Verglichen mit den Kosten für die Vitamin-Supplementierung errechnet sich in diesem Modell eine Einsparung von jährlich 254 Millionen Euro.
Die Anzahl der verlorenen Lebensjahre zum Zeitpunkt des Krebstods ermittelten die Forscher anhand der Sterbetafeln des Statistischen Bundesamtes. Kosten und Aufwand einer routinemäßigen Bestimmung des Vitamin D-Spiegels hält Brenner für verzichtbar, da bei einer Supplementierung von 1000 internationalen Einheiten eine Überdosierung nicht zu befürchten sei. Eine solche vorherige Bestimmung war auch in den klinischen Studien nicht vorgenommen worden.
„Angesichts der möglicherweise erheblichen positiven Effekte auf die Krebssterblichkeit – zusätzlich verbunden mit einer möglichen Kostenersparnis – sollten wir nach neuen Wegen suchen, die in Deutschland in der älteren Bevölkerung weit verbreitete Vitamin D-Unterversorgung zu verringern. In einigen Ländern werden sogar Nahrungsmittel seit vielen Jahren mit Vitamin D angereichert – etwa in Finnland, wo die Sterberaten an Krebs um rund 20 Prozent niedriger sind als in Deutschland. Ganz abgesehen davon, dass sich die Hinweise auf weitere positive Gesundheitseffekte einer ausreichenden Vitamin D-Versorgung verdichten, etwa bei den Sterberaten an Lungenerkrankungen“, sagt Brenner und ergänzt: „Schließlich halten wir Vitamin D-Supplementierung für so sicher, dass wir sie sogar für neugeborene Babys zur Entwicklung gesunder Knochen empfehlen.“
Um den eigenen Vitamin D-Spiegel völlig kostenfrei zu verbessern, empfiehlt der Krebsinformationsdienst des DKFZ, sich bei Sonnenschein im Freien aufzuhalten, zwei- bis dreimal pro Woche für etwa zwölf Minuten. Gesicht, Hände und Teile von Armen und Beinen sollten für diese Zeitspanne unbedeckt und ohne Sonnenschutz sein.
Tobias Niedermaier, Thomas Gredner, Sabine Kuznia, Ben Schöttker, Ute Mons, Hermann Brenner: Potential for cost-saving prevention of almost 30,000 cancer deaths per year by vitamin D supplementation of the older adult population in Germany.
Molecular Oncology 2020, DOI: 10.1002/1878-0261.12924
* Keum N, Lee DH, Greenwood DC, Manson JE, Giovannucci E. Vitamin D supplementation and total cancer incidence and mortality: a meta-analysis of randomized controlled trials. Ann Oncol. 2019;30(5):733-43.
Haykal T, Samji V, Zayed Y, Gakhal I, Dhillon H, Kheiri B, et al. The role of vitamin D supplementation for primary prevention of cancer: meta-analysis of randomized controlled trials. J Community Hosp Intern Med Perspect. 2019;9(6):480-8.
Zhang X, Niu W. Meta-analysis of randomized controlled trials on vitamin D supplement and cancer incidence and mortality. Biosci Rep. 2019;39(11)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
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