Niedersachsen-Technikum: Feierstunde mit 170 Gästen zum Abschluss in einer „besonderen Zeit
17 (Fach-)Abiturientinnen haben seit September 2020 das Niedersachsen-Technikum an den Hochschulstandorten Braunschweig, Emden/Leer, Hannover und Osnabrück durchlaufen. Hochschulen, Universitäten und Unternehmen des Landes arbeiten in diesem Programm eng zusammen. Mit ihrem gemeinsamen Ziel – jungen Frauen Orientierung in den technischen und naturwissenschaftlichen Berufen zu geben – schreiben die Kooperationspartner Erfolgsgeschichte: Rund 90 Prozent der Teilnehmerinnen entscheiden sich nach dem Technikum für eine MINT-Berufslaufbahn. MINT steht dabei für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.
Digitale Feierstunde verdiente ihren Namen
Initiiert und erprobt wurde das Programm an der Hochschule Osnabrück von Prof. Barbara Schwarze und ihrem Team. Seit 2012 wird es mit Unterstützung des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auch an weiteren Hochschulstandorten des Landes angeboten. Am 24. Februar veranstalteten die beteiligten Hochschulen eine Abschlussfeier der neunten Kohorte – pandemiebedingt als Online-Event. Trotz Distanz verdiente die digitale Feierstunde ihren Namen: Rund 170 Gäste aus Politik, Unternehmen und Hochschulen sowie aus Familien und Freundeskreisen der „Technikantinnen“ haben sich zugeschaltet. Moderatorin und ehemalige Technikantin Julia Graw führte gut gelaunt durch ein kurzweiliges Programm mit Musik, Grußworten, Projektberichten und der Übergabe der Teilnahmezertifikate.
Wissenschaftsminister: „Niedersachsen-Technikum ist beispielgebend über die Landesgrenzen hinaus“
Der Niedersächsische Wissenschaftsminister Björn Thümler beglückwünschte die 17 Technikantinnen zur Teilnahme am Programm, das „beispielgebend über die Landesgrenzen hinaus“ ist. Denn das Niedersachsen-Technikum trage dazu bei, „mehr Schulabsolventinnen für eine Ausbildung oder ein Studium im MINT-Bereich zu begeistern und so den dringend benötigten Fachkräftenachwuchs zu sichern“, so der Minister. Erkenntnisse aus einer Begutachtung des Technikums hätten erst kürzlich seine positive Wirkung bestätigt, betonte Thümler weiter: „Als wichtiger Punkt wird die Vernetzung der teilnehmenden Hochschulen mit Schulen und Unternehmen der jeweiligen Region genannt. Unternehmen fragen mittlerweile sogar aktiv Bewerbungen von Schülerinnen bei den Koordinierungsstellen an. Sie haben gemerkt, wie positiv sich die Arbeit von geschlechtsübergreifend zusammengesetzten Teams auf die Unternehmenskultur auswirkt.“ Der Minister wünschte den Absolventinnen, dass sie nun „den Weg in die MINT-Berufe und später auch in Führungspositionen finden – denn das ist entscheidend.“
Vorsitzender der Landeshochschulkonferenz: „Gutachterteam empfiehlt Weiterführung und Ausweitung des Programms“
Diesen Gedanken griff der Vorsitzende der niedersächsischen Landeshochschulkonferenz, Professor Joachim Schachtner, in seinem Grußwort auf: „In allen MINT-Berufen herrscht akuter Fachkräftemangel. Wir können es uns gar nicht leisten, hier auf talentierte Frauen zu verzichten“, so der Präsident der TU Clausthal. Auch er freute sich über das positive Ergebnis der Begutachtung: „Niedersachsen hat hier Vorbildfunktion, und die Weiterführung des Programms wird vom Gutachterteam dringend empfohlen.“ Dafür benötige es Unterstützung aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Eine weitere Empfehlung der Untersuchung sei, noch mehr Hochschulen für das erfolgreiche Programm zu gewinnen: „Der Einsatz aller Beteiligten lohnt sich, der Erfolg gibt uns recht“, so Prof. Schachtner.
Programmleiterin: „Besonderer Durchlauf mit vielen Hürden und kreativen Lösungen“
Wissenschaftliche Programmleiterin Barbara Schwarze, Professorin der Hochschule Osnabrück für Gender und Diversity Studies, berichtete über die Herausforderungen dieses besonderen Durchlaufs: Während der Ausfall des Abiturjahrgangs für 2020 eingeplant war, kam die Corona-Pandemie überraschend für alle. Die Programmpartner ließen sich dadurch nicht entmutigen und suchten, wo es möglich und verantwortlich war, nach kreativen Lösungen. Statt 70 bis 80 Unternehmen wie sonst konnten diesmal 14 Firmen und Organisationen Praktika im Niedersachsen-Technikum ermöglichen. „Den Einsatz der Unternehmen und der Technikantinnen, aber auch der beteiligten Hochschulen in dieser Runde kann man nicht hoch genug loben“, so Prof. Schwarze in ihrer Ansprache: „Virtuelle Einführungswochen und Online-Vorlesungen an Hochschulen, teilweise Kurzarbeit oder Wechsel ins Home-Office in Unternehmen: Vieles lief diesmal anders, viele Hürden gab es zu bewältigen. Die Technikantinnen, Unternehmen und Hochschulen zeigten sich hier flexibel und hoch motiviert“, betonte die Professorin.
Digitalisierung in Theorie und Praxis
Zugute kam allen Beteiligten die wachsende Digitalisierung aller Lebens- und Arbeitsbereiche. Digitale Unternehmensführungen, Seminare und Treffen zum Erfahrungsaustausch brachten die Technikantinnen aus verschiedenen Standorten zusammen. „Das Konzept der Förderung digitaler Kompetenzen, das wir letztes Jahr gestartet haben, ist jetzt fest etabliert“, so Programmleiterin Schwarze. In sieben Online-Seminaren, angeboten für die gesamte Kohorte von allen beteiligten Hochschulen, lernten junge Frauen unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung kennen: Sie befassten sich mit Themen wie der medialen Kompetenz, Mensch-Maschine-Kommunikation oder Industrie 4.0. Mit Lehrenden und Doktorandinnen gingen sie spannenden Fragen nach: „Ist künstliche Intelligenz neutral?“, „Was kann ich mit Computern lösen und was nicht?“ oder „Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf unser Leben?“ In einem Workshop erstellten die Technikantinnen mit einer visuellen Programmiersprache eigene Designs und stickten sie dann mithilfe einer programmierbaren Stickmaschine auf Tragetaschen. „Zu Beginn und am Ende der jeweiligen Durchläufe messen wir die Digitalisierungskompetenzen unserer Teilnehmerinnen“, berichtet Prof. Schwarze. Diese Erkenntnisse sollen in Untersuchungen auf dem Gebiet „Digitalisierung in der Studien- und Berufsorientierung“ einfließen.
Projekte der Technikantinnen: vielfältig, wie beteiligte Unternehmen
Danach gehörte die virtuelle „Bühne“ den Technikantinnen: Sie stellten ihre Praxisprojekte und Erfahrungen in den letzten sechs Monaten vor. Die Aufgaben der Technikantinnen waren dabei so unterschiedlich, wie die Unternehmen, in denen sie Praktika absolvierten: Sie verbesserten eine Mehrkopfwaage, eine Batteriekiste oder Hydraulikzylinder im Hubtisch; sie programmierten einen Schachcomputer oder eine Software für Achtklässlerinnen, um sie für Informatik und Technik zu begeistern. Sie stellten verschiedene Silikonrezepturen her und prüften deren Eigenschaften; sie modellierten ein Gebäude oder konstruierten ein Lüftungsgitter.
Kari Sandmann und Tomke Nessen absolvierten ihr Niedersachsen-Technikum an der Hochschule Emden-Leer und besuchten dort Vorlesungen in Elektrotechnik und Mathematik. „Unser Praktikum haben wir zusammen in der Firma ENERCON gemacht“, erzählt Kari Sandmann. Seit 30 Jahren gehört das Unternehmen mit Hauptsitz in Aurich zur weltweiten Spitze im Bereich der Windenergie. „Wir haben viel Neues gelernt und zwei eigene Projekte praktisch umgesetzt“, berichtet Tomke Nessen: „Zuerst haben wir einen dreistöckigen Fahrstuhl programmiert und die Software auf das Modell übertragen – und es hat einwandfrei funktioniert.“ Danach haben die beiden jungen Frauen mit Unterstützung einer Technikerin eine Stromwandlerbox gebaut. Bei der Frage nach dem schönsten Moment des Technikums sind sich die beiden Frauen einig: „Es war überwältigend und auch etwas unheimlich, in einen Testgenerator hineinzuklettern und auch die einzelnen Bauteile der Anlagen in realen Dimensionen zu sehen.“ Auch ihre weiteren Pläne sehen ähnlich aus – die beiden Technikantinnen wollen nun Elektrotechnik studieren.
Neun von zehn Teilnehmerinnen entscheiden sich für den MINT-Weg
Auch die meisten anderen Teilnehmerinnen dieser Runde haben sich für eine Ausbildung oder ein Studium im MINT-Bereich entschieden. „Wir freuen uns jedes Jahr aufs Neue, dass rund neun von zehn Technikantinnen dank ihrer guten Erfahrungen den Weg in die Technik oder die Naturwissenschaften finden“, erzählt Prof. Schwarze. Bereits jetzt verzeichnen einige Hochschulen einen Nachfrageschub für das neue Technikum. Für das Niedersachsen-Technikum 2021/2022, das im kommenden September startet, können sich Interessentinnen schon jetzt anmelden. Informationen dazu stehen unter www.niedersachsen-technikum.de bereit.
Informationen für die Medien:
Prof. Barbara Schwarze,
Wissenschaftliche Programmleiterin des Niedersachsen-Technikums
Professorin für Gender und Diversity Studies an der Hochschule Osnabrück
E-Mail: ba.schwarze@hs-osnabrueck.de
Zum Hintergrund:
Das Niedersachsen-Technikum wird aktuell an folgenden Hochschulen angeboten (Stand Februar 2021):
Technische Universität Braunschweig | Technische Universität Clausthal | Hochschule Emden/Leer | Hochschule Hannover | Leibniz Universität Hannover | Stiftung Universität Hildesheim | Jade Hochschule Wilhelmshaven Oldenburg Elsfleth | Hochschule Osnabrück | Universität Osnabrück.
Am Durchlauf 2020/21 nahmen folgende Unternehmen und Organisationen teil:
- apetito AG, Rheine
- AVO-Werke August Beisse GmbH, Belm
- EDAG Engineering GmbH, Wolfsburg-Warmenau
- emb GmbH & Co. KG, Osnabrück
- ENERCON GmbH, Aurich
- Gruse Maschinenbau GmbH & Co. KG, Aerzen
- KME Germany GmbH & Co. KG, Osnabrück
- Meurer Verpackungssysteme GmbH, Fürstenau
- Orgadata AG, Leer
- Salzgitter Automotive Engineering GmbH & Co. KG, Osnabrück
- Salzgitter Flachstahl GmbH, Salzgitter
- Felix Schoeller Technocell GmbH & Co. KG, Osnabrück
- Staatliches Baumanagement Weser-Leine, Nienburg
- Volkswagen Osnabrück GmbH, Osnabrück
Zum Erfolg des Niedersachsen-Technikums tragen in hohem Maße die zahlreichen Kooperationspartner*innen bei, wie die Stiftung NiedersachsenMetall, die Gleichstellungsbeauftragten der Hochschulen und die Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen mit ihren Agenturen für Arbeit.
Hochschule Osnabrück
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