Führende europäische Versicherer unterstützen fossile LNG-Infrastruktur
- urgewald-Studie enthüllt Versicherer hinter LNG-Projekten in Europa
- Neue Emissionsdaten zeigen klimaschädliche Effekte großer LNG-Anlagen
- Überangebot lastet auf wirtschaftlichen Aussichten für den Sektor
Eine heute veröffentlichte urgewald-Studie, mitherausgegeben von der globalen Kampagne Insure Our Future [1], beleuchtet die Rolle großer Versicherer beim Betrieb fossiler LNG-Infrastruktur in Europa. Die Studie belegt: Die deutschen Konzerne Allianz, Talanx und Munich Re haben neben weiteren europäischen Versicherern in den vergangenen Jahren große LNG-Anlagen wie Świnoujście in Polen, Zeebrugge in Belgien und Dunkerque in Frankreich unterstützt.
Regine Richter, Energie-Campaignerin bei urgewald, kommentiert:
„Die großen europäischen Versicherer haben sich in den vergangenen Jahren mit ihrem zunehmenden Ausstieg aus Kohlegeschäften beim Klimaschutz auf den Weg gemacht. Wenn Allianz, Talanx, Munich Re und Co ihre Klimaverpflichtungen ernst nehmen, müssen sie sich auch von LNG und anderen fossilen Geschäften verabschieden. Die weitere Absicherung von und Investitionen in neue Gas- und Ölinfrastruktur sind mit dem 1,5 Grad Ziel von Paris unvereinbar.“
Fossiles Gas wird von politischen Entscheidungsträger*innen und fossilen Unternehmen gern als „sauberer“ Energieträger angepriesen, der unverzichtbar sei für die Energiewende. Die Realität zeigt jedoch: Gas, insbesondere in Form von Flüssiggas (LNG), ist extrem klimaschädlich. Fossiles Gas besteht fast vollständig aus dem Treibhausgas Methan, das über einen Zeitraum von 20 Jahren einen 86-mal stärkeren Klimaeffekt hat als CO2.
Neue Emissionsberechnungen für die vorliegende Studie zeigen, dass allein die LNG-Terminals in Zeebrugge und Dunkerque bei voller Auslastung klimaschädliche Emissionen in Höhe von 2,3 Gigatonnen CO2-Äquivalente [2] über die nächsten 25 Jahre ausstoßen würden – fast das Dreifache der Treibhausgasemissionen ganz Deutschlands im Jahr 2018. Das LNG-Terminal Świnoujście in Polen hat in den fünf Jahren seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 2016 mehr als 55 Millionen Tonnen Treibhausgas ausgestoßen – was den jährlichen Emissionen Finnlands entspricht.
Gasinfrastruktur verursacht neben massiven Klimaschäden auch schwerwiegende Umweltschäden in den Gasförderländern sowie Gesundheitsschäden unter der lokalen Bevölkerung und gefährdet die Rechte indigener Gemeinden. In den USA produziertes LNG, von dem 2019 gut ein Drittel in die Europäische Union verschifft wurde, besteht hauptsächlich aus Gas, das mithilfe der besonders umweltschädlichen Fracking-Technologie aus dem Boden gepresst wird.
Aber auch russisches LNG hat eine verheerende Bilanz für Umwelt und Menschen. Auf der nordwestsibirischen Jamal-Halbinsel fördert und verflüssigt das russische Unternehmen Novatek fossiles Gas für den Export nach Europa. Mehr als 40.000 zu indigenen Gemeinden gehörende Menschen leben in der Region, viele davon betreiben traditionelle Rentier-Zucht. Durch die Aneignung und Zerstörung von Land für die Gasinfrastruktur verloren bereits viele von ihnen ihre Lebensgrundlage.
Die Studie zeigt darüber hinaus: Auch aus wirtschaftlicher Sicht schneiden europäische LNG-Anlagen denkbar schlecht ab. Die europäischen LNG-Anlagen sind wenig ausgelastet. Laut EU-Kommission wird die Nachfrage nach Gas bis 2050 um bis zu 85 Prozent sinken. Zudem kostet der Bau von LNG-Terminals zwischen mehreren hundert Millionen und Milliarden Euro und dauert durchschnittlich 5 bis 10 Jahre.
Der vom UN-Umweltprogramm unterstützte 2020 Production Gap Report zeigt, dass die Produktion von fossilem Gas bis 2030 um 3 Prozent pro Jahr sinken muss, um das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten.
Ysanne Choksey, Energie-Campaignerin bei urgewald und Autorin der Studie, sagt: „LNG-Terminals stehen für eine gasbetriebene Zukunft. Aber die ist unvereinbar mit einer lebenswerten Welt.“
Versicherer sind eine wichtige Stütze für die fossilen Industrien. Ohne ihre Absicherung können auch die meisten neuen Pipelines und LNG-Terminals nicht gebaut werden und viele bestehende Anlagen müssten ihren Betrieb einstellen.
Die internationale NGO-Kampagne „Insure Our Future“ fordert, dass Versicherer sofort die Unterstützung neuer Öl- und Gasprojekte beenden und sich verpflichten, bestehende Öl- und Gasversicherungsverträge im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel von Paris auslaufen zu lassen. Darüber hinaus fordert die Kampagne die Versicherer auf, alle Investitionen in Öl- und Gasunternehmen, die mit diesem Ziel nicht vereinbar sind, zu veräußern – einschließlich der für Dritte verwalteten Vermögenswerte.
Lindsay Keenan, Europa-Koordinator der Insure Our Future-Kampagne, sagt: „Das Netzwerk Insure Our Future wird die Vorstände von Allianz, Talanx, AXA, Generali, Munich Re, AIG, Travellers, Zurich, Lloyd’s of London und anderer relevanter Versicherer mit dieser Studie konfrontieren. Wir werden sie mit Nachdruck auffordern, keine neuen Öl- und Gasprojekte mehr zu versichern und nicht weiter in diese zu investieren.“
Link zur Studie:
https://urgewald.org/gas-insurance-report
[1] Vgl. https://www.insureourfuture.us/
[2] Methanemissionen durch Leckagen sowie CO2-Emissionen durch Verbrennen des fossilen Gases.
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